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Rechtsmissbräuchliche Ruhestandsversetzung – Voraussetzung und Folgen

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Ruhestandsversetzungen können von Dienstherren auch rechtsmissbräuchlich verfügt wer-den. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof1 in einem Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz eines Beamten entschieden.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in der zitierten Entscheidung hat der BayVGH die Deutsche Post AG verpflichtet, einem Beamten, der gegen seine Ruhestandsversetzung Rechtsmittel eingelegt hat, die nach seiner Ruhestandsversetzung einbehaltenen Teile der Besoldung zu erstatten (vgl. § 47 Abs. 4 BBG und das entsprechende Landesrecht2).

Nach Ansicht des BayVGH muss der einstweilige Rechtsschutz nach § 123 VwGO gewährt werden, wenn die Ruhestandsversetzung rechtsmissbräuchlich erfolgt ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Annahme der Dienstunfähigkeit „aus der Luft gegriffen“ bzw. offensichtlich rechtswidrig erscheint.3

In dem konkreten Fall war die Zurruhesetzungsverfügung rechtsmissbräuchlich erfolgt, denn sie diente nur dem Zweck, den Eintritt der Rechtsfolge der Besoldungskürzung zu bewirken. Die Deutsche Post AG hatte durch ihr Verhalten im Widerspruchsverfahren dokumentiert, den Antragsteller ohne Rücksicht auf eine etwaige rechtserhebliche Verbesserung seines Gesundheitszustandes in jedem Fall in den Ruhestand versetzen zu wollen.

Grund:

Es wurden während des Widerspruchsverfahrens konkrete, ärztlich begründete Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nicht dienstunfähig ist, vollständig außer Acht gelassen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Legt der Beamte bis dahin ein privatärztliches, den amtsärztlichen Feststellungen widersprechendes Gutachten seines behandelnden Arztes vor, das eine eingehende fachärztliche Auseinandersetzung erfordert, so muss sich der Amtsarzt damit detailliert auseinandersetzen und die Aussage substanziell würdigen. Unterlässt er dies, so ist eine auf das (mangelhafte) amtsärztliche Gutachten gestützte Ruhestandsversetzung als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Die Annahme, der Beamte sei dienstunfähig, erweist sich dann vor dem Hintergrund der objektiven Zweifel als „aus der Luft gegriffen bzw. offensichtlich rechtswidrig“.

Ein solches Verhalten des Dienstherrn ist – so der BayVGH – im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht gegenüber einem Beamten (vgl. § 78 BBG, § 45 BeamtStG) treuwidrig.

Folge:
Sowohl die Ruhestandsversetzung als auch insbesondere die Einbehaltung der Bezüge sind in diesem Fall rechtswidrig und werden im Verwaltungsrechtsstreit aufgehoben.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger


§ 47 BBG lautet:

Verfahren bei Dienstunfähigkeit

(1) Hält die oder der Dienstvorgesetzte die Beamtin oder den Beamten aufgrund eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand für dienstunfähig und ist eine anderweitige Verwendung nicht möglich oder liegen die Voraussetzungen für die begrenzte Dienstfähigkeit nicht vor, teilt sie oder er der Beamtin oder dem Beamten mit, dass die Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt ist. Dabei sind die Gründe für die Versetzung in den Ruhestand anzugeben.

(2) Die Beamtin oder der Beamte kann innerhalb eines Monats Einwendungen erhe-ben. Danach entscheidet die für die Ernennung zuständige Behörde über die Versetzung in den Ruhestand im Einvernehmen mit der obersten Dienstbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

(3) Die Versetzungsverfügung ist der Beamtin oder dem Beamten schriftlich zuzustellen. Sie kann bis zum Beginn des Ruhestands zurückgenommen werden.

(4) Der Ruhestand beginnt mit dem Ende des Monats, in dem die Versetzung in den Ruhestand der Beamtin oder dem Beamten bekannt gegeben worden ist. Zu diesem Zeitpunkt wird die Besoldung einbehalten, die das Ruhegehalt übersteigt.

__________________________________

1 BayVGH vom 17.4.2013, Az.: 1 B 1282 / 12.
2 Z.B. Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BayBG.
3 Vgl. dazu auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 2 M 203/02 -, DÖD 2004, 137 = juris, Rn. 4; VG Frankfurt, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 9 L 3763/09.F -, juris, Rn. 10 ("offensichtlich rechtswidrig"); OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Oktober 2012 - 1 B 790/12 -, juris, Rn. 10 = NRWE, und vom 29. Mai 2007 - 6 B 602/07 -, juris, Rn. 11 ); VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8. Februar 2007 - 4 S 45/07 -, NVwZ-RR 2007, 542 = juris, Rn. 6.


Zur Einbehaltung der Bezüge siehe:

  • Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 66 BayBG, Rn. 13.

  • v. Roetteken in v. Roetteken/Rothländer, HBR IV, § 53 HBG, Rn. 74.

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3 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 27.05.2015 um 21:25:
Interessanter Artikel, mal sehen ob er für morgen relevant ist. :-)
kommentiert am 08.02.2015 um 16:33:
Hallo Herr Dr. Baßlsperger auch ich schließe mich Verena und Nicole an und habe das feiern ausfallen lassen und hier noch ein bisschen durchestöbert :)
kommentiert am 06.02.2015 um 14:21:
Hallo Herr Dr. Baßlsberger, eigentlich sollten wir laut Ihnen ja nicht lernen, aber wir haben uns entschieden doch lieber Rehmnetzbeiträge zu lesen.
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