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Schmerzgriffe: Polizei hilflos gegenüber der Justiz

Bei der Auflösung von Demonstrationen muss die Polizei häufig Schmerz- und Nervendruckgriffe anwenden um überhaupt effektiv zu sein. Bei der Frage, wann solche Techniken eingesetzt werden dürfen, hat das VG Berlin am 23.3.2025 (Az.: 1 K 281/23) eine äußerst zweifelhafte Entscheidung getroffen.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

der Kläger war Teilnehmer einer Spontanversammlung der sog. „Letzten Generation“, die am 20. April 2024 auf der Fahrbahn der Straße des 17. Juni mit einer Gruppe von 35 Teilnehmenden stattfand. Dazu setzten sich die Teilnehmenden auf die Fahrbahn und blockierten so den Berufsverkehr.

Lesen Sie dazu den Beitrag: Die Straftaten der Klimakleber

Nachdem die Demonstranten der Aufforderung, die Fahrbahn zu verlassen, sowie zwei wiederholenden Durchsagen nicht nachgekommen waren, löste die Polizei die Versammlung auf und drohte unmittelbaren Zwang an. Die Teilnehmenden – einschließlich des Klägers – blieben dennoch auf der Fahrbahn sitzen. Die am Einsatz beteiligten Polizisten forderten den Kläger jetzt mehrmals auf, die Fahrbahn zu verlassen und erläuterten ihm, dass er evtl. Schmerzen haben werde, wenn der der Anordnung nicht nachkomme. Der Kläger verblieb gleichwohl im Schneidersitz mit den Armen am Körper. Daraufhin begannen die Einsatzkräfte mit Erfolg den Kläger gemeinsam unter Anwendung von Schmerzgriffen bzw. Nervendrucktechniken von der Fahrbahn zu bewegen.

Der Demonstrant erhob daraufhin Klage mit dem Antrag festzustellen, dass die Anwendung der Techniken ihm gegenüber rechtswidrig war – und bekam Recht!

Nach einer seitenlangen Darstellung von Selbstverständlichkeiten zur Zulässigkeit der Klage entschied das Gericht letztendlich, die Anwendung dieser Art des unmittelbaren Zwanges sei ermessensfehlerhaft weil unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gewesen, weil der Einsatz von drei Polizeikräfte ausreichend gewesen sei, um den Kläger ohne den Einsatz von Schmerzgriffen bzw. Nervendrucktechniken von der Fahrbahn wegzutragen (Juris, Rn. 53 der Entscheidung).

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Da drängen sich dem unvoreingenommenen Leser des Urteils aber gleich mehrere Fragen auf:

  1. Wie sollten die Richter im Nachhinein die Erforderlichkeit der Maßnahmen im konkreten Fall überhaupt noch angemessen beurteilen können?

  2. War denn nicht Eile geboten um die Demonstration zu beenden um damit rechtmäßige Zustände wiederherzustellen?

Das Urteil zeigt jedenfalls wieder einmal, wie wenig Vertrauen unsere Justiz in die Arbeit unserer Polizisten besitzt. Richtig wäre es deshalb wohl eher gewesen, die Klage abzuweisen, um damit die so überaus wichtige – tägliche – Arbeit der Polizeikräfte zu unterstützen.

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Die Meinung eines befreundeten Kollegen zu dieser Entscheidung möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

Durch solche Urteile – wie das des VG Berlin – werden Polizisten, die nichts anderes beabsichtigen, als unseren Rechtsstaat zu schützen, als Straftäter (Hinweis des Verfassers: im Raum steht eine vorsätzliche Körperverletzung) diffamiert, denen ggf. auch noch disziplinäre Maßnahmen drohen. Aber nicht sie sind die Täter, sondern die Klimakleber, die der mehrfachen Aufforderung zum Unterlassen ihrer Taten nicht nachgekommen sind!“

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Beste Antworten.

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Lesen Sie hierzu den Beitrag: Die Straftaten der Klimakleber

Fazit:
Arme Polizei!

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger

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3 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 30.06.2025 um 08:00

Liebe(r) Herr /Frau MB: Nur kurz zur Info: Das VG Berlin ging davon aus, dass es sich hier nicht um eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I Satz 4 VwGO (analog), sondern um eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 I VwGO handelte. Das ist möglich, wenn man mehr auf den (nicht vorliegenden) Verwaltungsakt abstellt, als auf die Erledigung. Dies hat aber weder für das Rechtsschutzinteresse, noch auf den materiellen Teil der Entscheidung eine weitere Bedeutung. Wichtig erscheint mir aber, dass - wie K.H. in seinem Kommentar bemerkt - der Kläger ja genau wusste, was auf ihn zukommen könnte und man der Polizei bei der Frage nach dem Erfolg der anzuwendenden Zwangsmaßnahmen einen Handlungsspielraum zubilligen sollte, weil sie vor Ort eine schnelle Entscheidung treffen muss um rechtswidrige Zustände zu beseitigen.
kommentiert am 26.06.2025 um 19:43

"Wasch mich, aber mach mich nicht nass." - bei Zwangsmaßnahmen muss immer das mildeste Mittel zur Zweckerreichung gewählt werden, und vielleicht kämen einsatztaktische und biomechanische Gutachten auch zu dem Ergebnis, dass einfaches Wegtragen ohne Schmerzgriffe gereicht hätte. Das kann das Gericht nicht ignorieren, wenn es sich mit der Sache befasst. Für die Polizeibeamten natürlich heikel, weil sofort eine Körperverletzung, Dienstpflichtverletzungen und Schmerzensgeldforderungen im Raum stehen. Man sollte allerdings über die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage nachdenken und anhand welcher Kriterien man das "berechtigte Interesse" auslegt. Ein solches sehe ich bei einer Bagatelle, wo ein Straftäter von einschreitenden Beamten vielleicht ein bisschen gezwickt wurde, einfach nicht als gegeben an! Ein gewisser Graubereich tut dem Rechtsfrieden gut, vgl. § 153 StPO.
kommentiert am 23.06.2025 um 16:48

Der Mann wusste doch genau, was er zu erwarten hatte.
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