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Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragte bei vorzeitiger Ruhestandsversetzung

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Wird ein schwerbehinderter Beamter vorzeitig in den Ruhestand versetzt, so ist die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 SGB IX und der bzw. die Gleichstellungsbeauftragte zu beteiligen.1 Unterbleibt die Beteiligung, so ist die Maßnahme des Dienstherrn zwar rechtswidrig, eine Anfechtungsklage des Beamten hatte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts2 wegen § 46 VwVfG gleichwohl keinen Erfolg.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der Entscheidung des BVerwG vom 20.12.2010 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der 1945 geborene, schwerbehinderte Kläger war Beamter im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Er wendete sich mit einer Anfechtungsklage gegen seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, weil die Gleichstellungsbeauftragte vor der Versetzung in den Ruhestand nicht angehört worden war. Der Rechtsstreit ging bis zum BVerwG.

Das BVerwG begründete seine ablehnende Entscheidung wie folgt: Die Versetzung in den Ruhestand sei zwar mangels Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten formell rechtswidrig, sie sei jedoch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden, weil nach § 46 VwVfG NRW eine Aufhebung der Ruhestandsversetzung ausgeschlossen sei.

Das Gericht verwies darauf, dass auch die Verletzung des Beteiligungsrechts der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 SGB IX nur zur Rechtswidrigkeit von Ermessensentscheidungen, nicht aber von gebundenen Entscheidungen führen würde.

Worin liegt der Grund für diese Entscheidung?

Die Ruhestandsversetzung erfolgte in dem konkreten Fall nach §§ 45/46 des LBG NRW in der bis zum 1.4.2009 geltenden Fassung. Ein Ermessen war für den Dienstherrn nach Ansicht des BVerwG nicht gegeben.

Seit dem Inkrafttreten des BeamtStG3 ergibt sich die Befugnisnorm für die Ruhestandsversetzung von Landesbeamten aus § 26 BeamtStG. Diese Vorschrift ist zwar ebenfalls als „gebundene“ Vorschrift formuliert, vor dem eigentlichen Verwaltungsakt der Ruhestandsversetzung hat der Dienstherr aber (ähnlich dem früherem LBG NRW) sehr wohl verschiedene Ermessensentscheidungen zu treffen. Ein Ermessen des Dienstherrn besteht dabei insbesondere nach den unten abgedruckten Vorschriften der § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 und § 27 BeamtStG.

Ich denke:
Nach der einheitlichen Regelung der Ruhestandsversetzung durch das BeamtStG führt eine unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung oder des/der Gleichstellungsbeauftragten im Verfahren der Ruhestandsversetzung nicht nur zur Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen, eine Heilung über § 46 VwVfG zugunsten des Dienstherrn ist ausgeschlossen.

Herzlich,

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger


Zur Ruhestandversetzung wegen Dienstunfähigkeit vgl.

  • Baßlsperger, Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) und Beendigung von Arbeits- und Beamtenverhältnissen wegen Krankheit" (E-Book oder Print).

  • Baßlsperger, Einführung in das Beamtenrecht, Kapitel 11

  • Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtenrecht, § 26 BeamtStG, Rn. 1f

  • v. Roetteken in v. Roetteken/Rothländer, HBR IV , § 26 BeamtStG, Rn. 1ff


§ 46 VwVfG lautet:
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

§ 26 BeamtStG lautet:
(1) Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Für Gruppen von Beamtinnen und Beamten können besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden.

(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.

§ 27 BeamtStG lautet:
(1) Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll abgesehen werden, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit).

(2) Die Arbeitszeit ist entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen. Mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist auch eine Verwendung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit möglich.

___________________________

1 Vgl. z.B.: §§ 17 und 18 LGG NRW
2 BVerwG vom 20.12.2010, ZTR 2011, 196
3 Für Bundesbeamte vgl. § 44 BBG

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