Unglaublich aber wahr: Bier gibt´s nur für Autofahrer!
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Party des Regierungsinspektoranwärters Fritz Findig vom ZBFS1(Zentrum Bayern für Familie und Soziales; früher Versorgungsamt) war in vollem Gange, nur leider gingen schon um 21 Uhr die Getränke aus. Wie üblich ging man zur benachbarten Tankstelle, um den Vorrat an alkoholischen Getränken durch den Kauf einer Kiste Bier zu ergänzen. Doch Findig und seine Freunde staunten nicht schlecht. Tankstellenpächter Bruno Brav verwies auf eine seit dem 1. Juni 2012 geltende Neuerung.
In der Bekanntmachung des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums wird bestimmt, dass „Tankstellen ohne Gaststättenerlaubnis nach Ladenschluss kleinere Mengen an Lebens- und Genussmitteln nur noch an Reisende verkaufen dürfen“.
Als Reisende gelten danach aber nur Kraftfahrer und Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs
Fußgänger und Radfahrer sind nach dieser Definition keine Reisenden.
Das bedeutet im Klartext: Wer nach 20 Uhr joggend zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist und nach einer schweißtreibenden körperlichen Ertüchtigung seinen Mineralienmangel an der Tankstelle noch schnell durch den Kauf und den Genuss einer Flasche Mineralwasser ausgleichen möchte, der geht leer aus. Autofahrer hingegen bekommen sogar noch alle beliebigen alkoholischen Getränke – allerdings nur in der durch die Bekanntmachung vorgegebenen Menge.
Nur Auto- und Motorradfahrer und deren Beifahrer können danach legal bei Bedarf
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zwei Liter Bier,
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eine Literflasche Wein oder
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0,1 Liter Whisky oder Wodka
erwerben.
Was kann nun der Grund für diese Unterscheidung sein? Vielleicht geht die Regelung ja auf eine Aussage des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günter Beckstein zurück. Dieser hatte bekanntlich festgestellt, dass man in Bayern mit zwei Maß (= 2 Liter) Bier immer noch unbeschwert und einwandfrei sein Auto fahren könne.2
Auffällig ist: Exakt diese Menge (zwei Liter) darf jetzt von einem Tankstellenpächter auch noch nach 20 Uhr an Autofahrer ausgegeben werden. Es ist also nach den Vorgaben der bayerischen Staatsregierung nur logisch und konsequent, dass Autofahrer nachts noch Bier und andere alkoholische Getränke an den Tankstellen kaufen dürfen.
Wer dagegen quasi im Öko-Terroristenstil3 und unter Vorgaukelung bzw. dem offensichtlichen Vorschieben von Umweltschonung das Rad nimmt oder wie Findig gar zu Fuß unterwegs ist, der bekommt – nichts!
Findig und seine Freunde gingen also zurück zur Party und berieten ihr weiteres Vorgehen und man fand auch schnell eine pragmatische Lösung des anstehenden Problems: Findigs Kollegin Sigi Süß war mit dem VW- Bus ihres Vaters zur Party erschienen. Der hatte neun Sitze. Man fuhr also vollbesetzt zur Tankstelle und erwarb jetzt ganz legal 9 x 4 = 36 Flaschen Bier statt der ursprünglich geplanten 20 Flaschen. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen konnte später in Erfahrung gebracht werden, dass sich dann die beste und lustigste Party seit langem entwickelt hatte. Dem Ministerium sei Dank! (Sigi Süß übernachtete übrigens anschließend in ihrem Bus.)
Ob die „Generalin“ und Arbeits- und Sozialministerin Haderthauer4 bei der Bekanntmachung ihres Ministeriums wohl auch an diese Lösung dachte? Zumindest sollte ihr der Einfallsreichtum ihrer jungen Mitarbeiter ein großes Lob wert sein.
Übrigens: Wem als Autofahrer kein VW-Bus zur Verfügung steht und wem zwei Liter Bier nicht reichen sollten, der kann ja auch gleich mehrere Tankstellen anfahren und bei jeder Tankstelle die jeweils zulässige Menge an Alkohol erwerben.
Herzlich,
Ihr Dr. Maximilian Baßlsperger
2 http://www.bier-fibel.de/beckstein-2-liter-bier-und-das-autofahren/
3 http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/protest-gegen-neues-ladenschlussgesetz-fuer-tankstellen-a-852341.html
4 http://www.welt.de/politik/article1868064/Generalin-genervt-vom-Machogehabe-in-der-Partei.html
7157.0-A: Vollzugshinweise zu § 6 Ladenschlussgesetz
(Abgabe von Alkohol als Reisebedarf an Tankstellen)
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums
für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen vom 4. Mai 2012 Az.: II3/6131-1/147
An die Regierungen, die Kreisverwaltungsbehörden, die Gemeinden:
Tankstellen dürfen aufgrund § 6 des Gesetzes über den Ladenschluss (LadSchlG) an allen Tagen während des ganzen Tages geöffnet sein. An Werktagen während der allgemeinen Ladenschlusszeiten und an Sonn- und Feiertagen gilt jedoch eine Sonderregelung. Zu diesen Zeiten ist nur die Abgabe von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge, soweit dies für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Fahrbereitschaft notwendig ist, zulässig. Selbiges gilt für die Abgabe von Betriebsstoffen (Kraft- und Schmierstoffe, Frostschutzmittel, Destillierwasser und Scheibenreinigungsmittel etc.) und Reisebedarf an Reisende und Mitreisende des Kraftfahrzeugverkehrs. Die nachfolgenden klarstellenden Hinweise haben im Wesentlichen die Thematik „Abgabe von Alkohol als Reisebedarf an Tankstellen“ zum Gegenstand. Für die Auslegung des § 6 Abs. 2 LadSchIG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 LadSchIG ist insoweit Folgendes zu beachten:
1. Reisebedarf
Gemäß § 2 Abs. 2 LadSchlG sind unter Reisebedarf Zeitungen, Zeitschriften, Straßenkarten, Stadtpläne, Reiselektüre, Schreibmaterialien, Tabakwaren, Schnittblumen, Reisetoilettenartikel, Filme, Tonträger, Bedarf für Reiseapotheken, Reiseandenken und Spielzeug geringeren Wertes, Lebens- und Genussmittel in kleineren Mengen sowie ausländische Geldsorten zu verstehen.
2. Lebens- und Genussmittel in kleineren Mengen
2.1
Zu den Lebens- und Genussmitteln in kleineren Mengen gehören auch alkoholische Getränke, wie zum Beispiel Bier, Wein und Sekt. Mit Blick auf die dem § 6 Abs. 2 LadSchIG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 LadSchIG zugrundeliegende Intention (Sicherstellung der Versorgung von Reisenden und Mitreisenden des Kraftfahrzeugverkehrs mit bestimmten Waren nach Ladenschluss) ist die Reichweite des Tankstellenverkaufs zweckentsprechend durch eine Orientierung an Bedürfnisaspekten einzugrenzen. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift soll der Bedarf an Genussmitteln gedeckt werden können, der während der Reise mit einem Kraftfahrzeug anfällt. Es kann sich somit nur um eine Menge handeln, die zum Verbrauch des Reisenden oder eines Mitreisenden des Kraftfahrzeugverkehrs bestimmt ist – also eine kleinere Menge (sog. typischer Reisebedarf) oder als Reisemitbringsel verwendet wird.
2.2
Was alkoholische Getränke betrifft, ist jedoch zu beachten, dass eine Blutalkoholkonzentration von 0,5 ‰ (oder eine entsprechende Atemalkoholkonzentration) in der Regel zu einem Fahrverbot führt und bereits unterhalb dieser Grenze deutliche Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit zu erwarten sind. Unabhängig davon erfolgt bereits generell bei 0,3 ‰ und einer Verwicklung in einen Unfall oder bei gefährlicher Fahrweise in der Regel der Entzug der Fahrerlaubnis. Außerdem gilt seit dem 1. August 2007 ein absolutes Alkoholverbot für Fahranfänger in der Probezeit oder vor Vollendung des 21. Lebensjahres. Folglich kommt die Abgabe von Alkohol als Reisebedarf an Tankstellen im Wesentlichen nur als Reisemitbringsel und gegebenenfalls für Mitreisende in Betracht (OLG München, Urteil vom 17. September 1998, Az.: 6 U 1928/98, OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. März 2009, Az.: 6 A 11325/08). Die Beschränkung auf „kleinere Mengen“ gilt in jedem Fall, insbesondere also auch bei der Abgabe alkoholischer Getränke als Reisemitbringsel und für Mitreisende.
2.3
Soweit der Verkauf einer „kleineren Menge“ alkoholischer Getränke als Reisebedarf an Reisende nach Nrn. 2.1 und 2.2 zulässig ist, werden zur einheitlichen Auslegung des Begriffs der „kleineren Menge“ in Anlehnung an die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2011 (Az.: 8 C 50/09 und 8 C 51/09) nachfolgende Mengenobergrenzen vorgegeben: Zulässig ist der Verkauf von
-
alkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt bis zu 8 Volumenprozent in einer Menge bis zu zwei Liter pro Person oder
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alkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von über 8 bis 14 Volumenprozent in einer Menge bis zu ein Liter pro Person oder
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alkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von über 14 Volumenprozent in einer Menge bis zu 0,1 Liter pro Person.
2.4
Ferner ist zu berücksichtigen, dass nach § 15 Abs. 4 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) in Tankstellen an Bundesautobahnen alkoholhaltige Getränke in der Zeit von 0:00 Uhr bis 7:00 Uhr weder ausgeschenkt noch verkauft werden dürfen.
3. Eingrenzung des Kundenkreises
3.1
Die Ausnahme des § 6 LadSchlG für Tankstellen dient der Befriedigung des Versorgungsbedürfnisses der Reisenden und Mitreisenden des Kraftfahrzeugverkehrs und dem Erhalt der Mobilität auch während der allgemeinen Ladenschlusszeiten. Daher gilt diese Ausnahme auch nur für die Abgabe des in § 6 Abs. 2 LadSchlG genannten Warensortiments an Reisende und Mitreisende des Kraftfahrzeugverkehrs, d. h. an Kraftfahrer und deren Mitfahrer. Eine Abgabe im Sinn des § 6 Abs. 2 LadSchlG an „Nichtreisende“ ist nicht zulässig. Diese Eingrenzung des Kundenkreises dient u. a. auch der Wettbewerbsneutralität.
3.2
Die gesetzliche Differenzierung zwischen den nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 LadSchlG privilegierten Reisenden und Mitreisenden des Kraftfahrzeugverkehrs einerseits und den nicht privilegierten „Nichtreisenden“ andererseits ist im praktischen Vollzug in der Regel auf einfache und zuverlässige Art und Weise handhabbar. „Nichtreisende“ im vorstehenden Sinn sind insbesondere auch Personengruppen, deren gemeinsamer Treffpunkt das Umfeld einer Tankstelle ist, da deren Motivation erkennbar von der Intention der gesetzlichen Regelung abweicht. Personen, deren regelmäßiger gemeinsamer Treffpunkt das Umfeld einer Tankstelle ist, unterscheiden sich für jedermann ohne weiteres erkennbar von der nach Sinn und Zweck des Tankstellenverkaufs ins Auge gefassten Zielgruppe.
4. Ordnungswidrigkeiten
Die Nichteinhaltung der unter Nr. 2 dieser Bekanntmachung genannten Mengenobergrenzen für die Abgabe von alkoholischen Getränken als Reisebedarf sowie die Abgabe an „Nichtreisende“ nach Maßgabe der Nr. 3 dieser Bekanntmachung stellen als Verstöße gegen § 6 Abs. 2 LadSchlG Ordnungswidrigkeiten gemäß § 24 Abs. 2 Buchst. a LadSchlG dar und sind entsprechend von den zuständigen Behörden zu ahnden.
5. Inkrafttreten
Diese Bekanntmachung tritt am 1. Juni 2012 in Kraft.
Seitz
Ministerialdirektor

