Vom Irrsinn des Bundesgesetzgebers
Liebe Leserin, lieber Leser,
der neue § 21a SUrlV lautet:
„(1) Sonderurlaub ist einer Beamtin oder einem Beamten zu gewähren,
- wenn es aus medizinischen Gründen notwendig ist, dass sie oder er bei einer stationären Krankenhausbehandlung eines Menschen, bei dem die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vorliegen, zur Begleitung mitaufgenommen wird
a) als nahe Angehörige oder naher Angehöriger im Sinne des § 7 Absatz 3 des Pflegezeitgesetzes oder
b) als eine Person aus dem engsten persönlichen Umfeld und - wenn die Voraussetzungen des § 44b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c und d und Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorliegen.
(2) Der Anspruch auf den Sonderurlaub besteht für die Dauer der notwendigen Mitaufnahme.
(3) Unterschreiten die Dienstbezüge oder Anwärterbezüge der Beamtin oder des Beamten die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder sind sie gleich hoch, so erfolgt die Gewährung des Sonderurlaubs für 80 Prozent der Dauer der notwendigen Mitaufnahme unter Fortzahlung der Besoldung. Für die verbleibenden 20 Prozent erfolgt die Gewährung des Sonderurlaubs unter Wegfall der Besoldung.
(4) Überschreiten die Dienstbezüge oder die Anwärterbezüge einer Beamtin oder eines Beamten die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, so erfolgt die Gewährung des Sonderurlaubs für die Dauer der notwendigen Mitaufnahme unter Wegfall der Besoldung.
(5) Der Mitaufnahme steht die ganztägige Begleitung gleich.
Wenn man nun mit der Vorschrift arbeiten will, so muss man gleich mehrere andere Gesetze kennen.
- Zunächst verweist § 21a SUrlV auf § 2 Abs. 1 SGB IX. Dieser lautet:
Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
Nun, das wäre auf den ersten Blick noch kein Problem. Behindert ist nach § 2 Abs. 2 SGB IX bekanntlich, wem eine GdB von mindestens 50 vom zuständigen Versorgungsamt bescheinigt wurde und wer seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches hat.
§ 156 SGB IX wiederum lautet:
(1) Arbeitsplätze im Sinne dieses Teils sind alle Stellen, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden.
(2) Als Arbeitsplätze gelten nicht die Stellen, auf denen beschäftigt werden:
1. behinderte Menschen, die an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 Absatz 3 Nummer 4 in Betrieben oder Dienststellen teilnehmen,
2. Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften,
3. Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung erfolgt,
4. Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen,
5. Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden,
6. Personen, deren Arbeits-, Dienst- oder sonstiges Beschäftigungsverhältnis wegen Wehr- oder Zivildienst, Elternzeit, unbezahlten Urlaubs, wegen Bezuges einer Rente auf Zeit oder bei Altersteilzeitarbeit in der Freistellungsphase (Verblockungsmodell) ruht, solange für sie eine Vertretung eingestellt ist.
(3) Als Arbeitsplätze gelten ferner nicht Stellen, die nach der Natur der Arbeit oder nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nur auf die Dauer von höchstens acht Wochen besetzt sind, sowie Stellen, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden.
Lieber Leser, liebe Leserin: Lesen Sie noch mit, oder haben Sie sich bereits „ausgeklinkt“?
Aber das Entscheidende kommt doch erst noch!
Die Angehörigeneigenschaft wird durch einen Verweis auf § 7 Absatz 3 des Pflegezeitgesetzes definiert.
Nahe Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind danach:
-
Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern,
-
Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner,
-
Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.
Warum kann der Angehörigenbegriff nicht einheitlich in der bereits bestehenden – allgemeinen - Vorschrift des § 20 VwVfG geregelt werden? Nein: Deutschland befindet sich offensichtlich nach wie vor im Regulierungswahnsinn!
Auch interessant: Was dagegen eine „Person aus dem engsten Umfeld“ (§ 21a Abs. 1 Nr. 1b SUrlV) ist, das wird noch nicht einmal ansatzweise erwähnt.
Und jetzt kommt es gleich noch „ganz dick“:
Eine Tatbestandsvoraussetzung in § 21a Abs. 1 SUrlV ist, dass jemand „zur Begleitung mitaufgenommen wird“. Nun liest man in Abs. 5, „Die Mitaufnahme steht der Begleitung gleich.“ So mancher Anwender wird sich hier bereits die Frage stellen, wie das jetzt wieder zu verstehen ist??????
Unglaublich, aber wahr: Es gibt sogar noch eine Steigerung:
Nach § 21a Abs. 1 Nr. 1 SUrlV kann Sonderurlaub nur gewährt werden, wenn die Voraussetzungen des § 44b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c und d und Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorliegen.
Hier heißt es dann:
(1) Ab dem 1. November 2022 haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn sie
1. zur Begleitung eines Versicherten bei einer stationären Krankenhausbehandlung nach § 39 mitaufgenommen werden…….
c) der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches, § 35a des Achten Buches oder § 27d Absatz 1 Nummer 3 des Bundesversorgungsgesetzes erhält und
d) der keine Leistungen nach § 113 Absatz 6 des Neunten Buches in Anspruch nimmt-------
3. gegenüber dem begleiteten Versicherten keine Leistungen der Eingliederungshilfe gegen Entgelt nach Teil 2 des Neunten Buches, § 35a des Achten Buches oder § 27d Absatz 1 Nummer 3 des Bundesversorgungsgesetzes erbringen und
Nun wird also erneut auf mehrere Vorschriften in anderen Gesetzen verwiesen und wenn Sie wollen, dann verfolgen Sie das gerne weiter! Für mich ist jedenfalls hier Ende und das hat folgenden Grund:
Das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gebietet:
Gesetze sind so zu erlassen, dass Sie der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit dienen!
– und davon kann bei § 21a SUrlV keinesfalls die Rede sein!
Diese neue Regelung verstößt gegen dieses Gebot und ist damit schlichtweg nichtig!
Fazit:
Man sollte sich nicht wundern, wenn der „normal denkende Durchschnittsbürger“, für den die Gesetze ja erlassen werden, diese Bundesgesetzgebung für einen „blanken Irrsinn“ hält“ – und das ist sie wohl auch…………………
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
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Der nächste Beitrag erscheint nach dem Tag der Deutschen Einheit am 9.10.2023

