Vor 33 Jahren: Polizist fälschte Schulzeugnis
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
nach einem Bericht des „Münchner Merkur“ vom 17. Oktober 20122 wurde der 51-jährige Polizeibeamte „entlassen und verlor seinen Beamtenstatus“. Das Verwaltungsgericht München gab allerdings – so die Zeitung – der Klage „des entlassenen Polizisten“ gegen den Freistaat Bayern statt.
Der des Beamtenrechts nicht ganz unkundige Leser wird sofort der Frage nachgehen, ob es sich bei der Maßnahme tatsächlich um eine „Entlassung“ handelte. Er wird jedoch keinen Entlassungstatbestand in dem für den Beamten maßgeblichen Beamtenstatusgesetz finden.
Richtig ist: Bei Handlungen, die vor der Einstellung in das Beamtenverhältnis (auf Widerruf) begangen wurden, kommt eine Entlassung nicht in Frage. Richtigerweise wurde die ursprüngliche Ernennung vielmehr nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG zurückgenommen.3
§ 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG lautet:
„Die Ernennung ist mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde.“
Eine arglistige Täuschung durch den Beamten liegt hier ohne jeden Zweifel vor. Man könnte nun aber der Meinung sein, dass die Rücknahme wegen einer arglistigen Täuschung „verjährt“ sein könnte, weil sie in dem klagegegenständlichen Fall bereits 33 Jahre zurücklag. Hierzu bestimmt jedoch Art. 21 Abs. 2 Satz 2 BayBG:
„Die Ernennung kann in den Fällen des § 12 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BeamtStG nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten … zurückgenommen werden, nachdem die oberste Dienstbehörde … von der Ernennung und dem Rücknahmegrund Kenntnis erlangt hat.“
Die Kenntnisnahme erfolgte aber erst jetzt nach Zugang des anonymen Briefes.
Man könnte weiterhin der Meinung sein, dass ja nach der ersten Ernennung des Beamten mittlerweile mehrere andere Ernennungen erfolgt sind, wodurch die Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Widerruf ja mittlerweile überholt sei. Weit gefehlt:
Die Rücknahme der Ernennung erfolgt nach § 12 Abs. 1 BeamtStG „mit Wirkung für die Vergangenheit“ und hat die Unwirksamkeit der Ernennung „von Anfang an“ zur Folge. Dazu bestimmt § 43 Abs. 2 VwVfG (in Bayern: Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG):
„Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.“
Hier ist die Ernennung zurückgenommen worden. Die Unwirksamkeit der ersten Ernennung hat dann aber automatisch die Unwirksamkeit der darauf aufbauenden Ernennungen zur Folge.4
Das Verwaltungsgericht ließ bei der Urteilsverkündung erkennen, dass es die Rücknahme für „unverhältnismäßig“ hält. Staatliches Eingriffshandeln muss stets auch verhältnismäßig (= zumutbar bzw. angemessen) sein. Es muss also die Zweck-Mittel-Relation zwischen dem staatlichen Eingriff und dem damit erzielten und beabsichtigten Erfolg gegeben sein. Dort, wo das Gesetz der Verwaltung zwingend ein bestimmtes Handeln vorschreibt (gebundene Verwaltung), darf sich allerdings die Verwaltung dieser Bindung nicht unter Berufung auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip entledigen, denn die „Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht“ nach Art. 20 Abs. 3 GG geht insoweit vor.
Im Falle einer arglistigen Täuschung bei einer Ernennung liegt ein solches „gebundenes Verwaltungshandeln“ vor, weil § 12 Abs. 1 BeamtStG bestimmt: „Die Ernennung ist zurückzunehmen“.
Fazit: Das Polizeipräsidium hat sich bei seiner Entscheidung an die Vorgaben der Gesetze gehalten.
Man darf gespannt sein, wie das Verwaltungsgericht seine Aufhebung der Rücknahmentscheidung des Polizeipräsidiums begründen wird.
Herzlich,
Ihr Dr. Maximilian Baßlsperger
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1 http://www.sueddeutsche.de/muenchen/polizeihauptmeister-faelschte-zeugnis-die-sechs-in-latein-1.1497872
2 http://www.merkur-online.de/nachrichten/muenchen/polizisten-erfolgreiche-klagen-gegen-entlassung-2552227.html
3 http://www.sueddeutsche.de/muenchen/beamter-faelschte-zeugnis-schummelnde-polizisten-duerfen-im-dienst-bleiben-1.1498577
4 Baßlsperger, Einführung in das neue Beamtenrecht, Kapitel 8, Rn. 42.
Zur Rücknahme von Entlassungen wird empfohlen:
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Baßlsperger, Einführung in das neue Beamtenrecht, Kapitel 8, Rn. 24 ff.
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Summer in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, § 12 BeamtStG, Rn. 1 ff.
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v. Roetteken in v. Roetteken/Rothländer, HBR, § 12 BeamtStG, Rn. 1 ff.

