Weibliche Beamte in NRW: Ungerechtfertigte Besserstellung?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Beförderungen sind gemäß § 19 Abs. 6 LBG NRW zwar nach den Grundsätzen des § 9 BeamtStG vorzunehmen, Frauen sind danach aber bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ist dabei kraft Gesetzes in der Regel auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist. Dies gilt, solange im Bereich der für die Beförderung zuständigen Behörde innerhalb einer Laufbahn der Frauenanteil von 50 Prozent noch nicht erreicht wurde. Nach dem Gesetzeswortlaut findet diese Bevorzugung auch bei der Vergabe von Beförderungsdienstposten statt.1
Diese seit dem 1. Juli 2016 im nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetz enthaltene Vorschrift zur Frauenförderung war nach dem Kommentar Schrapper/Günther (Rn. 30 ff.) von Anfang an nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies hat nunmehr auch das OVG Münster (Urt. v. 21.02.2017, Az. 6 B 1109/16) in sechs Musterverfahren so entschieden. Beförderungsentscheidungen können damit nicht auf die Neufassung des § 19 Abs. 6 LBG NRW gestützt werden, weil diese Norm den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) verletzt.
Die vom OVG und von Schrapper/Günther vertretene Rechtsmeinung überzeugt: Die Frage, ob Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden dürfen, richtet sich nach § 9 BeamtStG, insbesondere i. V. m. Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. § 9 BeamtStG und Art. 33 Abs. 2 GG schließen dabei eine generelle Berücksichtigung des Geschlechts als Auslesekriterium sowohl zu Gunsten als auch zum Nachteil von Bewerbern schlechthin aus. Im Grunde genommen muss es sich bei den in die Abwägung im Einzelfall einzubeziehenden Hilfskriterien – und nur darum kann es hier gehen – ausschließlich um persönliche oder soziale Gründe und nicht um leistungsbezogene Kriterien handeln, da die leistungsbezogenen Aspekte (vgl. dazu: Das Leistungsprinzip im Beamtenrecht) bereits bei der Ermittlung der Qualifikation der einzelnen Bewerber/innen zu würdigen sind und ihnen damit ohnehin Vorrang vor dem Hilfskriterium der Frauenförderung zukommt (so auch Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, § 9 BeamtStG, Rn. 81). Es müssen deshalb bei der Auswahl zunächst die Inhalte der aktuellen Beurteilungen und bei dann noch gegebenem Qualifikationsgleichstand ältere dienstliche Beurteilungen berücksichtigt werden.
Fazit:
Eine generelle, gesetzlich normierte Bevorzugung von Frauen würde nicht nur zu einer Diskriminierung der nicht berücksichtigten Männer, sondern auch zu einer Diskriminierung der Frauen selbst führen: „Das Ziel emanzipatorischen Bestrebens ist ein Zugewinn an Freiheit und Gleichheit. Gleichheit bedeutet, dass alle Bewerber die gleichen Chancen auf einen Arbeitsplatz haben. Gleichheit bedeutet aber nicht, dass Menschen auf Grund ihres Geschlechts Vor- oder Nachteile haben sollen.“2 Die Regelung des § 17 Abs. 6 LBG NRW ist also schon deshalb prinzipiell falsch, weil der Gesetzgeber dadurch das unverzichtbare Leistungsprinzip gegen ein untaugliches Proporzprinzip eintauschen will.3
Folge: Den Eilanträgen von im Beförderungsverfahren unterlegenen Männern nach § 123 Abs. 1 VwGO ist stattgegeben und dem Dienstherrn damit (vorläufig) zu untersagen, die ausgewählten Frauen zu befördern.4
Letztendlich wird wie immer das Verfassungsgericht darüber zu entscheiden haben, ob eine solche Besserstellung von Beamtinnen gerechtfertigt ist oder nicht. Die Landesregierung leitete jedenfalls aufgrund der Entscheidungen des OVG ein Normbestätigungsverfahren ein.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
§ 19 Abs. 6 LBG NRW lautet:
…….
6) Beförderungen sind nach den Grundsätzen des § 9 des Beamtenstatusgesetzes vorzunehmen. Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Sinne von Satz 2 ist in der Regel auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist. Satz 2 und 3 finden Anwendung, solange im Bereich der für die Beförderung zuständigen Behörde innerhalb einer Laufbahn der Frauenanteil in dem jeweiligen Beförderungsamt entweder den Frauenanteil im Einstiegsamt oder den Frauenanteil in einem der unter dem zu besetzenden Beförderungsamt liegenden Beförderungsämter unterschreitet und der Frauenanteil in dem jeweiligen Beförderungsamt 50 Prozent noch nicht erreicht hat. Ist mit der Beförderung die Vergabe eines Dienstpostens mit Vorgesetzten- oder Leitungsfunktion verbunden, gilt Satz 4 bezogen auf die angestrebte Funktion. Abweichend von Satz 4 ist maßgeblich der Geschäftsbereich der obersten Landesbehörde, die den Beförderungsvorschlag macht, wenn die Landesregierung die für die Beförderung zuständige Behörde ist. Weitere Abweichungen von dem gemäß Satz 4 maßgeblichen Bezugsbereich oder in Bezug auf die Vergleichsgruppenbildung regelt die oberste Dienstbehörde durch Rechtsverordnung.
1 Lesen Sie dazu den im Anschluss abgedruckten vollständigen Gesetzestext.
2 Kartharina Posch, Frauenquote: der perfekte Rahmen zur Diskriminierung, http://www.think-ordo.de/2015/03/frauenquote-diskriminierung/
3 Selbstverständlich können dazu andere Auffassungen vertreten werden.
4 Siehe dazu insbesondere auch Schrapper/Günther, NWVBl. 2017, 10 ff.
Lesen Sie dazu:
Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern. § 9 BeamtStG, Rn. 80 ff.
Lesen Sie auch den Beitrag:
Das Leistungsprinzip im Beamtenrecht

