„Ziegenficker“, „Scheiß Türke“, „Drecks Türke“
Liebe Leserin, lieber Leser,
Sachverhalt
Der Beamte war mit seiner Ernennung zum Beamten auf Widerruf mit Wirkung zum 1. März 2019 in die Ausbildung zum mittleren Polizeivollzugsdienst als Polizeimeisteranwärter in die Bundespolizei eingetreten. Mit Bescheid vom 24. September 2020 wurde dem Antragsteller gemäß § 66 BBG bis auf Weiteres die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Der Beamte erhob hiergegen Widerspruch. Mit weiterem Bescheid vom 15. März 2021 wurde er nach § 37 Abs. 1 BBG wegen mangelnder persönlicher (charakterlicher) Eignung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen. Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
Fehlende „persönliche Eignung“ ist ein sachlicher Grund für die Entlassung, wobei die „charakterliche Eignung“ einen Unterfall dieser persönlichen Eignung bildet. Die Entlassungsbehörde hat eine prognostische Einschätzung vorzunehmen, inwieweit ein Beamter der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit, Dienstauffassung in seinem späteren Beruf gerecht werden wird.
Wie bei der gesundheitlichen Qualifikation (siehe hierzu die Beiträge: Gesundheitliche Eignung – neue Maßstäbe des BVerwG und Fehlende gesundheitliche Eignung während des Vorbereitungsdienstes) genügen auch bei der fehlenden charakterlichen Eignung bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte auf Widerruf die persönliche Eignung für sein späteres Amt besitzt. Die Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf ist dabei nach einhelliger Rechtsprechung nicht von dem Nachweis eines konkreten Dienstvergehens oder des Vorliegens bzw. der Verurteilung zu einer Straftat abhängig.
Die Entlassungsbehörde hatte im vorliegenden Fall durch die Vernehmung mehrerer Zeugen festgestellt, dass der Beamte über einen monatelangen Zeitraum mehrfach Kollegen mit Migrationshintergrund beleidigt hat. Dabei verwendete er Ausdrücke wie „Scheiß Türke“, „Drecks Türke“, „Ziegenficker“ oder „Eselficker“. Der Beamte verteidigte sich damit, dass seine Äußerungen als „derben Umgangston“ und „spaßhafte, wechselseitige Neckereien“ gemeint waren. Das ändert aber nach dem BayVGH nichts daran, dass diese Beleidigungen von Respektlosigkeit und mangelnder Teamfähigkeit gegenüber Kollegen mit Migrationshintergrund zeugen würden. In der Gesamtschau ergaben sich – wie bereits das erstinstanzliche Verwaltungsgericht festgestellt hatte – berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Beamten, die seine Entlassung rechtfertigten.
Die Entscheidung ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass ein grundsätzliches und legitimes Interesse der Allgemeinheit besteht, bereits den Anschein rassistischer oder ausländerfeindlicher Tendenzen in der Polizei zu vermeiden und so einer Schädigung des Ansehens in der Öffentlichkeit vorzubeugen. Deshalb waren nach dem BayVGH sowohl die Entlassungsverfügung als auch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG rechtmäßig.
Die Entscheidung ist u.a. auch deshalb zu begrüßen, weil in der Vergangenheit bereits mehrfach über rechtsradikale Tendenzen bei verschiedenen Polizeidienststellen berichtet wurde (siehe dazu: Polizistin postet: „Brauner Dreck in der Polizei!“), denen es schon grundsätzlich entgegenzuwirken gilt.
Die Verwendung solcher Verbalinjurien war im Übrigen bereits mehrfach Gegenstand von Gerichtsentscheidungen, siehe etwa BVerwG v. 28.2.2020, Az.: 2 WDB 7/21. Das oberste deutsche Verwaltungsgericht entschied hier, dass eine Verletzung der Pflicht zum Eintreten für die demokratische Grundordnung nach dem Soldatenrecht (§ 8 SG) vorliegt, wenn bestimmte Ausdrücke („Ziegenficker“) oder ähnliche Redewendungen verwendet werden. Auch das VG München (Beschluss v. 16.1.2020, Az.: M 19L DA 19.6408) und verschiedene Arbeitsgerichte (ArbG Stuttgart v. 14.3.2019, Az.: 11 Ca 3737/18; LAG BW v. 19.12.2019; Az.: 3 Sa 30/19) hatten sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen.
Zur Erinnerung:
Der – nur selten lustige – „Satiriker“ Jan Böhmermann hatte ein Gedicht Ende März 2016 in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragen. Darin hieß es unter anderem, dass Erdoğan „Ziegen fickt“ und „Kinderpornos schaut“. In der Rahmenhandlung behauptete Böhmermann, dass er mit diesem Gedicht Erdoğan die Grenzen der Meinungsfreiheit erklären wolle. Das OLG Hamburg entschied hierzu: „Satire kann Kunst sein, muss es aber nicht! Das Aussprechen von Beleidigungen mit dem erkennbaren Zweck, die von ihnen betroffene Person verächtlich zu machen, ist auch dann rechtswidrig, wenn ihr die Ankündigung vorausgeht, jetzt werde lediglich ein Beispiel für solche Arten von Äußerungen gegeben, die rechtlich nicht zulässig seien.“
Fazit:
Primitivste Beleidigungen haben noch nicht einmal in einer Satire etwas verloren – und im öffentlichen Dienst schon gleich gar nicht. Nach meiner Auffassung müssen sich hinter solchen Verbalinjurien noch nicht einmal rechtsradikale und staatfeindliche Tendenzen verbergen, damit eine Beendigung des Beamtenverhältnisses vorgenommen werden kann. „Anstand“ mag vielleicht für den einen oder anderen nicht mehr gefragt sein, aber jeder Beamte ist und bleibt verpflichtet, das Ansehen des öffentlichen Dienstes nicht zu beschädigen!
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie hierzu auch den Literaturhinweis:
Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 137ff. und Rn. 207ff. zu § 23 BeamtStG (Entlassung wegen mangelnder charakterlicher Eignung)

