Kindergeld für alle verheirateten Kinder; keine Mangelfallprüfung mehr
Ab 2012 keine typische Unterhaltssituation mehr
Nach langjähriger Rechtsprechung des BFH erlosch der Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind grundsätzlich mit dessen Eheschließung. Dies beruhte auf der Annahme, dass der Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag eine typische Unterhaltssituation voraussetze, die infolge der Heirat wegen der zivilrechtlich vorrangigen Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten regelmäßig entfalle. Der Kindergeldanspruch blieb nach dieser Rechtsprechung nur dann erhalten, wenn die Einkünfte des Ehepartners für den vollständigen Unterhalt des Kindes nicht ausreichten und das Kind auch nicht über ausreichende eigene Mittel verfügte (sogenannter Mangelfall). Gleiches galt für Kinder mit einem Unterhaltsanspruch gem. § 1615l BGB.
Diese Rechtsprechung hat der BFH nun mit Urteil vom 17.10.2013 (Az. III R 22/13) aufgegeben.
Mangelfallrechtsprechung Grundlage entzogen
Seit der ab 2012 geltenden neuen Gesetzeslage hängt der Kindergeldanspruch nunmehr nicht mehr davon ab, dass das verfügbare Nettoeinkommen (Einkünfte und steuerfreie Einnahmen, Kapitalerträge (§ 32d Abs. 1 EStG) und Erstattungen von Steuern vom Einkommen abzüglich unvermeidbarer Vorsorgeaufwendungen und tatsächlich gezahlter Steuern vom Einkommen) des Kindes den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG von 8.004 Euro (in 2012, 8.130 Euro in 2013, 8.354 Euro in 2014) jährlich nicht übersteigt. Damit, so der BFH, ist der sogenannten Mangelfallrechtsprechung seit 2012 die Grundlage entzogen.
Der BFH hat insofern gegen die in der Dienstanweisung für die Familienkassen (DA-FamEStG) niedergelegte Verwaltungsauffassung entschieden. Das bedeutet für Familienkassen, dass sie Einspruchsverfahren in gleichgelagerten Fällen bis zur Veröffentlichung des Urteils im Bundesteuerblatt Teil II gem. § 363 AO (weiterhin) ruhend stellen sollten.
Es sei denn, das BMF oder die Fachaufsicht für den Familienleistungsausgleich beim BZSt erteilt den Familienkassen vorher eine Weisung, wie mit den Fällen von verheirateten Kindern und den Kindern mit einem Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB zu verfahren ist.
Für die Berechtigten bedeutet die Entscheidung, dass dann wenn die übrigen Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Kindes erfüllt sind, sie seit Januar 2012 das Kindergeld auch dann beanspruchen können, wenn ihr Kind z. B. mit einem gut verdienenden Partner verheiratet ist.
Sollten in den bereits bei den Familienkassen anhängigen Fällen Berechtigte mit Hinweis auf das Urteil des BFH die Zahlung des Kindergeldes anmahnen, sind sie darauf hinzuweisen, dass die Familienkasse verfahrensrechtlich auf die Veröffentlichung des Urteils im BStBl Teil II (oder zumindest auf die Ankündigung der Veröffentlichung auf der Internetseite des BMF) oder eine entsprechende Weisung der fachvorgesetzten Behörde warten muss.
rwh

