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Sozialversicherung bei dualen Studiengängen

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Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 01.12.2009 - B 12 R 4/08 R entschieden, dass der Charakter des dualen Studiums über die Sozialversicherungspflicht ent-scheidet. Dazu haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung im Juli 2010 ein Gemein-sames Rundschreiben veröffentlicht. Es sollte im Hinblick auf die sozialversicherungs-rechtliche Beurteilung verschiedener Arten dualer Studiengänge in der betrieblichen Praxis rechtliche Klarheit schaffen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 01.12.2009 - B 12 R 4/08 R entschie-den, dass der Charakter des dualen Studiums über die Sozialversicherungspflicht ent-scheidet.
Dazu haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung im Juli 2010 ein Gemein-sames Rundschreiben veröffentlicht. Es sollte im Hinblick auf die sozialversicherungs-rechtliche Beurteilung verschiedener Arten dualer Studiengänge in der betrieblichen Praxis rechtliche Klarheit schaffen.

Im Wesentlichen sind vier unterschiedliche Ausprägungen dualer Studiengänge zu unterscheiden:
Praxisintegrierte duale Studiengänge
Ausbildungsintegrierte duale Studiengänge
Berufsintegrierte und -begleitende duale Studiengänge

1. Praxisintegrierte duale Studiengänge „Studium plus Praxis“

Bei praxisintegrierten dualen Studiengängen ist die Tätigkeit im Betrieb zeitlich und inhaltlich eng mit dem Studium verzahnt. Die Teilnehmer sind aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht  "echte" Studenten, wobei die Praxisphasen Bestandteil der Hochschulausbildung darstellen.
Studium und berufspraktische Phasen bilden dabei im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ein einheitliches Rechtsverhältnis. Sozialversicherungsbeiträge werden bei solchen Studenten nicht fällig.
Die versicherungsrechtliche Beurteilung dieser „Mitarbeiter“ im Betrieb war spätestens ab Beginn (01.10.2010) des Wintersemesters 2010/2011 dahingehend umzustellen, dass ab diesem Zeitpunkt keine Sozialversicherungsbeiträge mehr einzubehalten waren.
Praxisintegrierte duale Studiengänge sind dadurch gekennzeichnet, dass
• es sich um ein Studium mit langen Praxisphasen in einem Partnerbetrieb handelt,
• kein Abschluss nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) erlangt wird,
• i.d.R. für die gesamte Dauer der Ausbildung durch den Betrieb eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird.
    
Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung
• steht das Studium im Vordergrund,
• besteht kein Beschäftigungsverhältnis und damit keine Versicherungspflicht. 

2. Ausbildungsintegrierte duale Studiengänge "Ausbildung plus Studium"

Ausbildungsintegrierte duale Studiengänge kombinieren die Berufsausbildung (Ziel: Ab-schluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf) mit einem Studium. Das Studium ist integraler Bestandteil des Ausbildungsverhältnisses und die Praxisphasen werden überwiegend betrieblich gelenkt.
Somit sind die Teilnehmer an entsprechenden Studiengängen aus sozialversicherungs-rechtlicher Sicht keine Studenten, sondern zur Berufsausbildung Beschäftigte. Für sie müssen Sozialbeiträge abgeführt werden.
Endet die Berufsausbildung vor dem Ende des Studiums und wird weiterhin eine Ausbil-dungsvergütung oder ein Arbeitsentgelt gezahlt, ist dieses weiterhin versicherungspflich-tig.
Ausbildungsintegrierte duale Studiengänge sind dadurch gekennzeichnet, dass
• sie zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf i.S.d. BBiG führen,
• sie einen zusätzlichen Studienabschluss (z.B. Bachelor) beinhalten,
• Ausbildung und Studium eng verzahnt und zeitlich gerafft sind,
• i.d.R. durch den Ausbildungsbetrieb durchgehend eine Ausbildungsvergütung ge-zahlt wird.

Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung
• steht die Ausbildung im Vordergrund,
• besteht Versicherungspflicht in allen SV-Zweigen (KV, RV, ALV, PV).

3. Berufsintegrierte duale Studiengänge „Weiterbildungsstudium in Abstimmung mit dem Arbeitgeber“ bzw. -begleitende duale Studiengänge „Weiterbildungsstudium neben voller Berufstätigkeit“

Berufsintegrierte bzw. -begleitende duale Studiengänge werden parallel zur beruflichen Tätigkeit ausgeübt. Sie bezwecken eine berufliche Fort- oder Weiterbildung. Insofern gibt es einen inhaltlichen Bezug zur beruflichen Tätigkeit.
Jedoch besteht hier regelmäßig lediglich eine zeitliche, aber keine enge inhaltliche Ver-zahnung von theoretischer und praktischer Ausbildung. Die Tätigkeit im Betrieb wird den Erfordernissen seines dualen Studiengangs angepasst und es erfolgt eine vertragliche Absprache zwischen dem Arbeitgeber und dem studierenden Arbeitnehmer. Der Beschäftigte wird zum Beispiel während der Studienzeiten von der Arbeit freigestellt und erhält ein gekürztes Gehalt. Er bleibt aber weiterhin Mitarbeiter seines Unternehmens und ist somit sozialversicherungspflichtig.

Berufsintegrierte duale Studiengänge sind dadurch gekennzeichnet, dass
• der "Auszubildende" im Berufsleben steht,
• neben der Berufstätigkeit ein Studium absolviert wird,
• individuell eine Arbeitszeitreduzierung bzw.  Freistellung für Vorlesung etc. erfolgt,
• eine zeitliche Verzahnung und ein inhaltlicher Bezug zwischen ausgeübter Erwerbstätigkeit und Ausbildung vorliegt,
• der Arbeitgeber die Ausbildung durch verschiedene Maßnahmen unterstützt.
    
Berufsbegleitende duale Studiengänge sind dadurch gekennzeichnet, dass
• der "Auszubildende" im Berufsleben steht,
• neben einer Vollzeitberufstätigkeit ein Studium absolviert wird,
• i.d.R. ein inhaltlicher Bezug zwischen Erwerbstätigkeit und Ausbildung besteht,
• der Arbeitgeber durch einzelne Maßnahmen Unterstützung gewährt.
    
Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung
• Arbeitnehmereigenschaft steht im Vordergrund,
• besteht Versicherungspflicht in allen SV-Zweigen (KV, RV, ALV, PV)

4. Kindergeldrechtliche Konsequenzen

Kindergeldrechtlich hat die sozialrechtliche Beurteilung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis vorliegt, keine Auswirkung.
Die steuerrechtliche Beurteilung, ob Arbeitslohn aus einem Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis vorliegt richtet sich ausschließlich nach § 19 Abs. 1 EStG und § 2 LStDV und die hierzu ergangenen Weisungen in R 19.3 und H 19.3 der LStR. 

Die bis zum 30.09.2010 vom Arbeitgeber einbehaltenen Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung sind gem. DA 63.4.3.2 bei der Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist, in voller Höhe bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage von den Einkünften und Bezügen des Kindes abzuziehen.

Danach in die
• studentische Krankenversicherung,
• private Krankenversicherung oder
• als freiwilliges Mitglied in die gesetzlichen Krankenversicherung
gezahlte Beiträge sind ebenfalls nach DA 63.4.3.2 bei der Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten is, zu berücksichtigen.

Auf Antrag des versicherten Kindes oder des Arbeitgebers können die wegen einer Be-schäftigung gezahlten Beiträge im Rahmen der Verjährung und nach Maßgabe des § 26 Abs. 2 und 3 SGB IV sowie § 351 SGB III erstattet werden; in diesem Fall werden die Ver-sicherungsverhältnisse rückwirkend umgestellt.

Werden Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung an das Kind erstattet, ist der Erstattungsbetrag, soweit noch eine Berücksichtigung gem. § 32 Abs. 4 EStG erfolgt, im Jahr des Zuflusses in voller Höhe als Bezug in die Grenzbetragsberechnung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen.

In keinem Fall sind für die Jahre, in denen die jetzt erstatteten Beträge abgeführt wurden, die Einkünfte und Bezüge neu zu berechnen. Hier greift das Zu- und Abfluss-Prinzip des   § 11 EStG. Denn in diesen Jahren standen die abgeführten Beiträge dem Kind nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder der Berufsausbildung zur Verfügung.

Ausblick
Wegen der komplexen und aufwändigen Beurteilung der unterschiedlichsten dualen Studiengänge hat der GKV-Spitzenverband, als zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland, in Abstimmung mit der Renten- und Arbeitslosenversicherung in immer mehr Fallgestaltungen Entscheidungshilfen entwickelt. Es bleibt abzuwarten, ob für die Teilnehmer an dualen Ausbildungen eine gesetzliche Neuregelung mit einer einheitlichen Versicherungspflicht in den verschiedenen Versicherungszweigen erfolgt.

rwh

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