TOP-Thema: BFH-Rechtsprechung zur ersten Tätigkeitsstätte
Abzugsbeschränkungen bestehen allerdings für den Weg zwischen der Wohnung und dem seit 1.1.2014 geltenden Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ (zuvor: regelmäßige Arbeitsstätte). Werbungskosten liegen hier nur in Höhe der Entfernungspauschale von 0,30 € je Entfernungskilometer vor. Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte ist anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber vorzunehmen, die dauerhaft, das heißt unbefristet, für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen längeren Zeitraum als 48 Monate sein muss. Auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers kommt es seit 1.1.2014 nicht mehr an. Vgl. zum Begriff der ersten Tätigkeitsstätte auch die umfangreichen Ausführungen und zahlreichen Beispiele in Anhang 4 unter Nr. 3 des Lexikons für das Lohnbüro, Ausgabe 2019.
Der Bundesfinanzhof hat in insgesamt sechs Urteilen zur seit 2014 geltenden Rechtslage Folgendes entschieden:
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Auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) komme als großräumige erste Tätigkeitsstätte in Betracht. Fliegendes Personal – wie Piloten oder Flugbegleiter –, das von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsrechtlich geschuldet werden (wie z.B. Flugvor- und Flugnachbereitung), hat dort seine erste Tätigkeitsstätte. Entsprechendes gilt für das Bodenpersonal, wie z.B. eine auf dem gesamten Flughafengelände an wechselnden Kotrollpunkten eingesetzten Luftsicherheitskontrollkraft.
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Ein Polizeibeamter im Einsatz- und Streifendienst verfügt an seinem ihm zugeordneten Dienstsitz, den er arbeitstäglich aufsucht, um dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen, die er dienstrechtlich schuldet und zu dem Berufsbild eines Polizeivollzugsbeamten gehören, über eine erste Tätigkeitsstätte. Auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit kommt es nicht an. Eine Zuordnung zum Dienstsitz ist unbefristet, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.
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Bei befristeten Arbeitsverhältnissen liegt schließlich eine erste Tätigkeitsstätte vor, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll; eine unbefristete Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte komme bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht in Betracht. Erfolgt während der Befristung die Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte, stellt letztere keine erste Tätigkeitsstätte mehr dar, weshalb ab diesem Zeitpunkt Reisekostengrundsätze anzuwenden sind.
Der Bundesfinanzhof hat gegen die gesetzlichen Neuregelungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, denn der Gesetzgeber habe sein Regelungsermessen nicht überschritten, da Arbeitnehmer sich in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken können.
(BFH-Urteile vom 4.4.2019 VI R 27/17, vom 10.4.2019 VI R 6/17, vom 10.4.2019 VI R 17/17, vom 11.4.2019 VI R 36/16, vom 11.4.2019 VI R 40/16 und vom 11.4.2019 VI R 12/17)



