Abschaffung des Solidaritätszuschlags
Liebe Leserin, lieber Leser,
an die Einführung des Solidaritätszuschlags im Jahr 1991 kann ich mich noch genau erinnern. Auch an die im Zusammenhang mit der Einführung geführten Diskussionen. Der damalige Bundesfinanzminister Waigel versuchte die Bürger davon zu überzeugen, dass diese, für ein Jahr befristete, Solidarabgabe zur Finanzierung verschiedener „Mehrbelastungen“ wie z. B. die Kosten für den ersten Golfkrieg und die Kosten der Vereinigung zwischen West- und Ostdeutschland – heute würde man sagen – alternativlos sei. Im Kollegenkreis glaubte damals keiner an eine baldige Abschaffung. Für den Bund seien die neuen hohen Einnahmequellen viel zu verlockend. Sie sollten in gewisser Weise Recht behalten. Zwar lief der Solidaritätszuschlag tatsächlich nach einem Jahr aus, dafür folgte kurz darauf die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf 19% und ab 1995 an war er wieder da. Und, er war gekommen um zu bleiben.
Stand heute soll der zur Vollendung der deutschen Einheit aufgelegte sog. Solidarpakt II Ende 2019 auslaufen. Daraus schlussfolgert die FDP, dass auch die Legitimation des Solidaritätszuschlaggesetzes spätestens zu diesem Zeitpunkt wegfalle. Das Problem dabei sei, dass das Solidaritätszuschlaggesetz nicht zeitlich befristet worden ist. Insofern bedürfe es zur Aufhebung eines gesonderten gesetzgeberischen Akts.
Um diesen Prozess in Gang zu bringen hat die FDP am 10.10.2018 erneut den Antrag gestellt, den Solidaritätszuschlag zum 01.01.2020 ersatzlos abzuschaffen1. Dabei ist über einen aus dem März 2018 formulierten Gesetzentwurf der FDP zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags noch nicht abschließend beraten worden.
In diesem Punkt noch weiter ging ein Antrag der AfD. Die AfD forderte am selben Tag wegen unterstellter Verfassungswidrigkeit die unverzügliche und uneingeschränkte Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
Zutreffend ist, dass vor dem Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 2 BvL 6/14 die Rechtsfrage anhängig ist, ob das Solidaritätszuschlaggesetz 19952 bezogen auf den Veranlagungszeitraum 2007, verfassungswidrig ist. Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts in seinem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 21.08.20133. Allerdings steht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (immer) noch aus.
Eine Abschaffung befürwortete unlängst auch der Bund der Steuerzahler, der sich aufgrund der positiven Haushaltslage für eine Entlastung der Betriebe und Bürger aussprach. Dazu sei die komplette Soli-Abschaffung ein sehr guter Anfang4.
Die Bundesregierung hingegen favorisiert nach „außen hin“ nach wie vor eine schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Auch wenn eine vom Bundeswirtschaftsminister jüngst ins Spiel gebrachte komplette Abschaffung etwas anderes vermuten lässt, erteilte der Bundesfinanzminister dieser Forderung mit Hinweis auf den Koalitionsvertrag eine deutliche Absage5. Geplant sei wie vereinbart, dass der Solidaritätszuschlag ab 2021 in einem ersten Schritt für ca. 90% der den Soli zahlenden Bürger abgeschafft werde. Erreicht werden soll das Vorhaben durch Einführung einer nicht näher beschriebenen Freigrenze mit eingebauter Gleitzone. Im Ergebnis soll dies für die von der Abschaffung profitierenden Bürger zu einer Steuerentlastung von ca. zehn Milliarden Euro führen6.
Stand heute sind die erneuten Anträge der FDP und der AfD zur weiteren Beratung an den Finanzausschuss verwiesen worden. Wie es danach weitergeht wird man sehen. Klein beigeben will zumindest die FDP in diesem Punkt nicht. Sie kündigte jedenfalls an, die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags durchsetzen – notfalls vor Gericht7.
Nur was das bedeutet wissen wir alle, eine solche Entscheidung kann dauern. Ich persönlich hoffe auf eine vorherige parlamentarische Entscheidung, die in erster Linie der gesamten Bevölkerung zugutekommt. Denn, in Deutschland zahlen beileibe nicht alle diesen Zuschlag. Der Bundeshaushalt plant im Jahr 2020 mit Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag in Höhe von 20 Mrd. Euro und im Jahr 2021 in Höhe von 20,9 Mrd. Euro8. Mit diesem Geld ließe sich eine verstärkte Investition in die Infrastruktur (Nahverkehr, Straßen- und Brückensanierung), die Bildung und eine flächendeckende Kinderbetreuung sinnvoll gestalten. Dies käme dann auch allen Bürgern zugute. Aber, das ist nur meine persönliche Meinung.
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
1 BT-Drs. 19/4854
2 Zuletzt geändert durch Art. 10 und 11 Gesetz zur Umsetzung der Änderung der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20.12.2016 (BGBl. I S. 3000)
3 FG Niedersachsen vom 21.08.2013, 7 K 143/08
4 www.handelsblatt.com Artikel vom 26.10.2018
5 www.faz.net Artikel vom 12.10.2018
6 Zeilen 421 – 423 des Koalitionsvertrags vom 12.03.2018
7 www.handelsblatt.com Artikel vom 26.10.2018
8 BT-Drs. 19/1038

