Liebe Leserin, lieber Leser,
das Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) stand insbesondere wegen Änderungen bei der Bewertung von Immobilien, die wiederum Einfluss auf die Erbschaftssteuer haben stark in der Kritik2. Vor dem Hintergrund galt die Zustimmung des JStG 2022 im Bundesrat lange Zeit nicht als sicher. Insbesondere einige unionsgeführte Bundesländer tendierten im Vorfeld für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Letztendlich kam es Anfang Dezember zu einer Probeabstimmung im Finanzausschuss des Bundesrats mit dem Ergebnis, dass 15 Ländervertreter sich gegen den Antrag Bayerns stellten, zur Abstimmung über das Jahressteuergesetz 2022 den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das wiederum hätte zur Folge gehabt, dass sich das Inkrafttreten des gesamten Gesetzes verzögert hätte. So konnte das JStG 2022 pünktlich vor dem Jahreswechsel noch im Bundesgesetzblatt verkündet werden und dadurch zahlreiche Einzelregelungen quer durch das Steuerrecht ab 2023 in Kraft treten.
Im Zusammenhang mit der Lohnsteuer sind das folgende Regelungen:
Beim häuslichen Arbeitszimmer bleibt Voraussetzung für die Abzugsmöglichkeit weiterhin ein Raum, der dem Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers entspricht. Bildet das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung3, können die Steuerpflichtigen zwischen dem Abzug der tatsächlichen Kosten und der Jahrespauschale in Höhe von 1.260 € wählen4.
Statt der weiterhin bestehenden Möglichkeit des Nachweises und Abzugs der tatsächlich entstandenen Kosten in voller Höhe kann ab 2023 pauschal ein Betrag von 1.260 € für das Kalenderjahr abgezogen werden. Ziel dieser Regelung ist das Besteuerungsverfahren zu vereinfachen und Bürokratie abzubauen, weil die individuellen Aufwendungen nicht mehr ermittelt und überprüft werden müssen.
Die Jahrespauschale mindert sich für jeden vollen Kalendermonat, in dem das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung darstellt. Üben Steuerpflichtige verschiedene betriebliche oder berufliche Tätigkeiten aus und sind die Voraussetzungen für den Abzug der Jahrespauschale jeweils erfüllt, ist die Jahrespauschale von 1.260 € auf die verschiedenen Tätigkeiten aufzuteilen. Der Betrag wird nicht tätigkeitsbezogen vervielfacht, sondern insgesamt nur einmal gewährt. Der Abzug der Jahrespauschale, die für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung gewährt wird, gilt insoweit auch die Aufwendungen für weitere betriebliche oder berufliche Tätigkeiten ab.
Gesetzlich festgeschrieben ist nunmehr auch, dass ein Abzug der Tagespauschale5 (bisher: Homeoffice-Pauschale) neben dem Abzug den Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer für eine andere Tätigkeit unzulässig ist.
Stellt die Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer hingegen nicht den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung dar, kommt ein Abzug der Aufwendungen ab 2023 nur über die Tagespauschale in Betracht.
Ob die gesetzliche Neuregelung zu einer Schlechterstellung für Personengruppen führt, die bislang zwar nicht den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer hatten, denen jedoch kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, für die nun kein Abzug mehr als häusliches Arbeitszimmer möglich ist, wird die Praxis zeigen. Denn als Alternative kommt für diese Personengruppe nur ein Abzug der Tagespauschale in Betracht, wenn denn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Aufwendungen für eine in der häuslichen Wohnung ausgeübte betriebliche oder berufliche Tätigkeit können nach wie vor auch ohne häusliches Arbeitszimmer über die aus Anlass der Corona-Pandemie in 2020 eingeführte sog. Homeoffice-Pauschale als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Aus Vereinfachungsgründen ist ab 2023 für alle Fälle der betrieblichen und beruflichen Betätigung in der häuslichen Wohnung ein pauschaler Abzug in Form einer Tagespauschale i.H.v. 6 € (maximal 1.260 €/Jahr) vorgesehen. Der Höchstbetrag wird erreicht, wenn die betriebliche oder berufliche Tätigkeit an 210 Tagen im Jahr am häuslichen Arbeitsplatz ausgeübt wird. Geht eine Person verschiedenen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeiten nach, sind sowohl die Tagespauschale von 6 € als auch der Höchstbetrag von 1.260 € auf die verschiedenen Betätigungen aufzuteilen. Eine tätigkeitsbezogene Vervielfältigung ist unzulässig.
Für die Berücksichtigung der Homeoffice-Pauschale war es bis Ende 2022 erforderlich, dass die betriebliche oder berufliche Tätigkeit an dem jeweiligen Tag ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausgeübt wurde. Für die Berücksichtigung der neuen Tagespauschale (ab 2023) ist es jedoch lediglich notwendig, dass die betriebliche oder berufliche Tätigkeit an dem jeweiligen Tag (zeitlich) überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegende erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird. Grundsätzlich ausgeschlossen bleibt damit der Abzug der Tagespauschale für die Kalendertage, an denen die Voraussetzungen für den Abzug der Entfernungspauschale6 erfüllt sind, d. h. neben der Ausübung der Tätigkeit in der häuslichen Wohnung die erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wurde7. Der Abzug von Reisekosten als Betriebsausgaben oder als Werbungskosten schließt – anders als bei der bisherigen sog. Homeoffice-Pauschale – den Abzug der Tagespauschale nicht mehr grundsätzlich aus. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Arbeit an diesem Tag überwiegend im Homeoffice ausgeübt wird8.
Als Ausnahme von diesem Grundsatz, wird in den Fällen, in denen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft (bis auf weiteres, unbefristet) kein anderer Arbeitsplatz9 zur Verfügung steht, ein Abzug der Tagespauschale zudem zugelassen, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird10. D. h. nach meinem Dafürhalten, in diesen Fällen besteht neben der Möglichkeit Reisekosten und/oder die Entfernungspauschale als Betriebsausgaben oder als Werbungskosten in Abzug zu bringen, auch die Abzugsmöglichkeit der Tagespauschale11. In dieser Ausnahmeregelung kommt es zudem nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige seine Arbeitszeit überwiegend in der häuslichen Wohnung verbracht hat. Denn die Tatbestandsvoraussetzung „überwiegend“ ist in der Ausnahmeregelung des Satzes 2 nicht enthalten.
In den Fällen einer steuerbegünstigten doppelten Haushaltsführung (Werbungskosten- Betriebsausgabenabzug oder steuerfreie Erstattung für die Mehraufwendungen für die Wohnung durch den Arbeitgeber) bleibt jedoch ein zusätzlicher Abzug der Tagespauschale ausgeschlossen. Das Gleiche gilt, soweit ein Abzug der tatsächlichen Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer vorgenommen wird.
Gespannt sein darf man auf die Vorgaben der FinVerw in Bezug auf die Dokumentation der „überwiegenden Arbeitszeit“ am häuslichen Arbeitsplatz. Denn „nimmt man das Gesetz beim Wort“, müssen künftig gegenüber der FinVerw die berücksichtigungsfähigen häuslichen Arbeitstage und die überwiegende häusliche Arbeit zumindest glaubhaft dokumentiert werden. Auf der anderen Seite verweist man zur Anspruchsvoraussetzung für die Tagespauschale darauf, dass die Tätigkeit in der häuslichen Wohnung (zeitlich) überwiegt. Wie das mit dem Ziel des Bürokratieabbaus in Einklang gebracht wird, darauf bin ich gespannt.
Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wird ab 2023 um 30 € auf dann 1.230 € angehoben.
Auch der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird ab 2023 von 4.008 € um 252 € auf 4.260 € angehoben. Keine Änderung erfolgt beim Erhöhungsbetrag für das zweite und jedes weitere Kind i.H.v. jeweils 240 €.
Mit der gesetzlichen Vorsorgepauschale werden im Lohnsteuerabzugsverfahren in pauschalierter Form die Rentenversicherungsbeiträge eines Arbeitnehmers berücksichtigt. Das Gesetz enthielt hier bisher eine Übergangsregelung zum Ansatz der Rentenversicherungsbeiträge in den Kalenderjahren bis 2024. Erst ab dem Jahr 2025, sollte ein vollständiger Abzug der Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers möglich sein. Diese Übergangsregelung ist nunmehr bereits ab 2023 nicht mehr anzuwenden.
Der Arbeitgeber kann bei Arbeitnehmern, die nur kurzfristig beschäftigt werden, die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % des Arbeitslohns erheben12. Voraussetzung für das Vorliegen einer kurzfristigen Beschäftigung ist bis einschließlich 2022 unter anderem, dass der Arbeitslohn während der Beschäftigungsdauer 120 € durchschnittlich je Arbeitstag nicht übersteigt. Die Arbeitslohngrenze orientierte sich bisher an der Höhe des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, lag aber stets über diesem. Dadurch wird ermöglicht, auch über dem Mindestlohn liegende Stundenlöhne für qualifizierte Tätigkeiten in die Lohnsteuer-Pauschalierung einzubeziehen.
Zum 01.10.2022 ist der Mindestlohn auf 12 € je Stunde angehoben worden. Bei einem Achtstundentag beläuft sich der Mindestlohn danach auf 8 x 12 € = 96 € täglich. Als Folgeänderung hierzu ist ab 2023 die Arbeitslohngrenze bei kurzfristiger Beschäftigung von 120 auf 150 € je Arbeitstag angehoben worden.
Pauschalierungen der Lohnsteuer für kurzfristig Beschäftigte bzw. für Aushilfskräfte in der Land- und Forstwirtschaft haben u.a. bis einschließlich 2022 zur Voraussetzung, dass der Arbeitslohn während der Beschäftigungsdauer durchschnittlich 15 € je Arbeitsstunde nicht übersteigt. Die Erhöhung des pauschalierungsfähigen durchschnittlichen Stundenlohns von 15 € auf 19 € ab 2023 folgt der Anhebung der bereits erwähnten Anhebung der Tageslohngrenze auf 150 €.
Zur Abgeltung eines Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes, für das Anspruch auf einen Kinderfreibetrag13 oder Kindergeld besteht, können die Eltern einen Freibetrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen14. Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, wird der Freibetrag von 924 € auf 1.200 € je Kalenderjahr angehoben. Die Anhebung ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2023 anzuwenden.
Liebe Leserinnen und Leser, damit endet der letzte Blog-Beitrag für das Jahr 2022. Ein ganzes Jahr ist geschafft und auch steuerlich ist sehr viel passiert. Für die kommenden Tage wünsche ich Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, schöne, besinnliche und entspannte Feiertage sowie einen tollen Übergang in ein hoffentlich friedvolleres Jahr 2023.
In dem Sinne, bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
1 BGBl I, 2294
2 zum Beispiel: https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-jahressteuergesetz-markus-soeder-csu-erbschaftssteuer-1.5700239
3 Definition „Mittelpunkt“ s. Rdnr. 9ff BMF-Schreiben vom 06.10.2017, BStBl I S. 1320
4 § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG
5 § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c EStG
6 § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG
7 § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c Satz 1 EStG
8 BT-Drs. 20/4729 Seite 147, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c Satz 1 EStG
9 Definition „kein anderer Arbeitsplatz“ s. Rdnr. 14ff BMF-Schreiben vom 06.10.2017, BStBl I S. 1320
10 § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c Satz 2 EStG
11 BT-Drs. 20/4729 Seite 147, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c Satz 2 EStG
12 Pauschalversteuerungsoption, § 40a Abs. 1 EStG
13 § 32 Abs. 6 EStG
14 § 33a Abs. 2 EStG
Gerne können Sie auch unser Kontaktformular benutzen und wir melden uns bei Ihnen.
Kontaktformular