Der letzte Wagen ist immer ein Kombi...
Liebe Leserin, lieber Leser,
vor kurzem war wieder so ein Tag, den man in seinem Leben nicht wirklich braucht. Der Vater meines Freundes war verstorben und nun stand die Beerdigung an. Der Friedhof war voller Menschen und nach der Trauerandacht trugen sechs Männer den guten Ernst von der Kapelle zu seiner letzten Ruhestätte. Eigentlich übernehmen diesen Job in unserer Gegend Personen aus dem näheren Umfeld bzw. der Nachbarschaft des Verstorbenen. Diese hier kannte ich jedoch nicht. Insofern – so schlussfolgerte ich in Kenntnis des vorgenannten Urteils – stand zu vermuten, dass sie zu einer Sargträgergruppe gehören, die die Stadt für solche Anlässe den Hinterbliebenen zur Verfügung stellt.
In dem Fall, den das FG Niedersachsen (FG) zu entscheiden hatte, war es jedenfalls so. Bei Bestattungen und Überführungen wurde im örtlichen Einzugsbereich der Stadt eine Trägergruppe (sog. Sargträgercorps), bestehend aus insgesamt neun Personen (jeweils Rentner im Alter von über 65 Jahren), für die jeweiligen Auftraggeber tätig, sofern die Hinterbliebenen keine eigenen Sargträger zur Verfügung stellten. Die Stadt erhob nach der Friedhofsgebührensatzung für eine Bestattung im Einzelnen durch die Satzung festgelegte Gebühren. In den jeweiligen Gebührenbescheiden heißt es zudem: „Durch die bei einer Erdbestattung eingesetzten Träger entstehen Kosten i. H. v. ... €. Dieser Betrag wird von dem Trägercorps in Rechnung gestellt und von der Stadt nur zur Weiterleitung an die bei der Bestattung eingesetzten Träger erhoben“.
Die einzelnen Personen der Trägergruppe waren frei in der Entscheidung, einen Auftrag abzulehnen. Wenn sie ihn annahmen, hatten sie sich rechtzeitig vor Ort einzufinden und bei Ausübung ihrer Tätigkeit einheitliche und selbst zu beschaffende Kleidung zu tragen, die dem Anlass angemessen war. Für diese Tätigkeit erhielten sie eine pauschale Vergütung von 30 Euro je Beerdigung. Ein Musterformular der Stadt sah zudem vor, dass die Sargträger jeweils durch die Hinterbliebenen zur Durchführung ihrer Tätigkeit beauftragt werden sollten.
Aus dem heraus ging die Stadt auch nicht davon aus, dass die im Rahmen von Beerdigungen tätigen Sargträger zu ihr in einem Arbeitsverhältnis standen und die pauschale Vergütung Arbeitslohn darstellt. Die die Stadt prüfende Lohnsteuer-Außenprüfung sah das anders und erlies mangels bisher nicht durchgeführter Lohnversteuerung einen Nachforderungsbescheid gegen die Stadt mit einem Pauschsteuersatz von 25%. Offensichtlich war man der Auffassung, dass es sich bei den einzelnen Personen der Trägergruppe um kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer handelt.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren, legte die Stadt Klage gegen die Einspruchsentscheidung beim FG ein. Das FG gab der Klage statt. Es entschied, dass ein Arbeitsverhältnis der jeweiligen Sargträger mit der Stadt nicht vorgelegen habe, weil eine Vertragsbeziehung des jeweiligen Sargträgers mit der Stadt nicht bestanden habe. Die Sargträger wurden vielmehr selbständig tätig, da sie weder weisungsabhängig tätig waren, noch in einen fremden betrieblichen Organismus eingegliedert waren. Sie trugen zudem ein Unternehmerrisiko, da sie die Höhe ihrer Einnahmen durch Annahme bzw. Ablehnung eines Auftrags selbst beeinflussen konnten.
Unabhängig davon, ob man persönlich nachvollziehen kann, dass man über die Frage der Rechtsstellung von Sargträgern überhaupt Überlegungen anstellen muss, hat das FG aus meiner Sicht eine zutreffende Abgrenzungsentscheidung getroffen.
Im Lohnsteuerrecht sind wegen der Frage der Lohnsteuerabzugsverpflichtung und der zutreffenden Einstufung der Einkunftsart häufig Fallgestaltungen anzutreffen, in denen eine Abgrenzung hinsichtlich der Frage vorzunehmen ist, ob jemand eine unselbständige oder eine selbständige Tätigkeit ausübt. In solchen Fällen heißt es dann so schön: „die Abgrenzung der unselbständigen von der selbständigen Tätigkeit ist abhängig vom jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände vorzunehmen“.
Der hier entschiedene Fall der Sargträger zeigt dabei in schlüssiger Art und Weise, wie man anhand der stärksten Abgrenzungskriterien eine zutreffende Unterscheidung einer unselbständigen von einer selbständigen Tätigkeit vornimmt. Maßgebend für das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft sind insbesondere die Kriterien der persönlichen Abhängigkeit, Weisungsabhängigkeit, feste Bezüge, die Fortzahlung dieser im Krankheitsfall und die Eingliederung in den betrieblichen Organismus. Für die Selbständigkeit sprechen dagegen eine gewisse Selbständigkeit in der Organisation und bei der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerrisiko, Unternehmerinitiative, und die eigene geschäftliche Beziehungen zu Vertragspartnern.
Als grobe Richtschnur kann man festhalten, dass eine Tätigkeit in der Regel selbständig durchgeführt wird, wenn man selbst Verträge mit anderen Personen abschließt und hieraus einen eigenen Zahlungsanspruch erlangt, ein eigenes Vergütungsrisiko trägt (keine Arbeit = kein Geld) und die Höhe der Einnahmen weitgehend von seinem eigenen Arbeitseinsatz abhängt (z.B. keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall; kein Mindestverdienst)
Mir persönlich war es an dem Tag der Beerdigung gleichgültig, ob die sechs Männer ihren Dienst selbständig oder unselbständig erledigen. Hauptsache der gute Ernst wurde anständig beigesetzt. Ruhe in Frieden, Ernst.
Es grüßt Sie
Ihr Matthias Janitzky


