Die Lohnsteuer-Bescheinigung ohne eTIN – noch nicht ganz zu Ende gedacht
Liebe Leserin, lieber Leser,
zum inzwischen unmittelbar bevorstehenden Jahreswechsel beschäftigen wir uns in der Regel bereits mit den Neuerungen, die das neue Jahr mit sich bringt. Einholen könnte einen diesmal aber auch noch eine Verpflichtung, die am „alten“ Jahr hängt, nun aber erstmals gar unlösbar werden könnte. Arbeitgeber sind regelmäßig dazu verpflichtet, spätestens am Ende des Kalenderjahres das Lohnkonto abzuschließen und der Finanzverwaltung die erforderlichen Daten mittels Lohnsteuer-Bescheinigung elektronisch zu übermitteln. Um die Daten dem richtigen Arbeitnehmer zuordnen zu können, konnte knapp 20 Jahre lang die sog. eTIN verwendet werden, die sich aus den persönlichen Daten des Arbeitnehmers (Name, Vorname und Geburtsdatum)zusammensetzt. Vorteilhaft war daran durchaus, dass der Arbeitgeber dieses Merkmal selbst bilden konnte. Hingegen hinkte das Verfahren an der eindeutigen Zuordenbarkeit, weil Doppelungen nicht ausgeschlossen werden konnten. Um auch insoweit eine reibungslose Verarbeitung der von Dritten elektronisch übermittelten Daten zu gewährleisten, ist nun mit Ablauf diesen Jahres das Ende dieser Übergangslösung gekommen1. Erstmals für den Veranlagungszeitraum 2023 werden die Daten dem Arbeitnehmer ausschließlich über dessen Steuer-Identifikationsnummer (IdNr.) zugeordnet, das bedeutet, der Arbeitgeber ist auf diese Information des Arbeitnehmers angewiesen, um seiner Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung nachkommen zu können.
Nun ist die IdNr. grundsätzlich nichts Neues für den Arbeitgeber. Vielmehr ist er auf diese Angabe ohnehin angewiesen, weil auch die elektronischen LSt-Abzugsmerkmale, die der Arbeitgeber für den LSt-Abzug abzurufen hat, an die IdNr. knüpfen. Bei Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses muss ihm der Arbeitnehmer diese daher ohnehinmitteilen. Kam der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung dazu bislang nicht nach, so hatte das in erster Linie aber negative Konsequenzen für ihn selbst: Mangels Abrufmöglichkeit der familiengerechten Steuerklasse muss der Steuerabzug nach Steuerklasse VI erfolgen.
Nach den Rückmeldungen aus der Praxis heißt das aber nicht, dass es sich daher nur um Ausnahmefälle handelt. Gerade bei Arbeitnehmern, die nur kurze Zeit beim Arbeitgeber beschäftigt sind, ist es nicht unüblich, dass die IdNr. letztlich gar nicht zum Arbeitgeber gelangt. Noch schwieriger wird es, wenn die Arbeitnehmer unmittelbar im Anschluss an die Tätigkeit wieder ins Heimatland zurückkehren oder auch Versorgungsempfänger, dieinzwischen gänzlich im Ausland ansässig sind. Diese müssten ggfs. die IdNr. erstmalig beantragen bzw. den Arbeitgeber hierzu bevollmächtigen. Und nicht zu vergessen wären da auch noch diejenigen, die sich schlichtweg weigern, dem Arbeitgeber ihre IdNr. mitzuteilen.
Alle diese Fälle stellen die Arbeitgebenden nun vor eine Herausforderung. Nicht nur, dass sie ihrerVerpflichtung zur elektronischen Übermittlungtatsächlich nicht nachkommen können. Vielmehr ziehen diese fehlenden elektronischen Daten noch eine Reihe weiterer Folgeprobleme nach sich, denn die Verwaltung rechnet grds. fest mit ihnen und baut darauf auf. Differenzen sind vorprogrammiert beim Abgleich der angemeldeten Daten einerseits mit den bescheinigten Daten andererseits. Dessen Aufklärung ist nur mithilfe des Arbeitgebers möglich. Zu weiteren Systembrüchen kommt es dann im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers. Der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse VI ist bei Ehegatten oder auch bei ledigen Arbeitnehmern, die nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn bezogen haben,ein Pflichtveranlagungstatbestand. Dieser ist für die Finanzämter allerdings nicht erkennbar, wenn die Übermittlung der LSt-Bescheinigung unterbleibt. Aber auch bei Abgabe einer Steuererklärung wird dies voraussichtlich ohne die Lohndaten erfolgen. Denn die Anleitung zur Einkommensteuererklärung beginnt bereits mit dem Hinweis darauf, dass der Finanzverwaltung bereits zahlreiche, elektronisch übermittelte Daten vorliegen, zu denen grundsätzlich keine Angaben mehr gemacht werden müssen. Und als solche werden die Lohndaten ausdrücklich gekennzeichnet. In der Regel wird der Arbeitnehmer daher von entsprechenden Eintragungen absehen und mangels Kenntnis seitens des Finanzamts die Veranlagung auch ohne diese Einkünfte, natürlich aber auch ohne die anzurechnende Lohnsteuer, durchgeführt. Sollten die Lohneinkünfte hingegen doch erklärt werden, bedarf es wohl weiteren Rückfragen beim Arbeitgeber jedenfalls dann, wenn Lohnsteuerabzugsbeträge angerechnet werden sollen.
Wenngleich eine konkrete Fallzahl im Moment noch nicht abschätzbar ist, so bedeutet das doch zunächst sicher einen Rückschritt auf dem Weg zur Digitalisierung. Selbst die umfangreiche Vorlaufzeit - schließlich wurdedies bereits im Jahr 2019mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2023 gesetzlich verankert - konnte keine Abhilfe schaffen.Zwar wurde in letzter Zeit an vielerlei Stelle diskutiert und überlegt, wie man der „Neuregelung“ in den o. g. Fällen nun am besten begegnet. Zu einer umfänglichen Lösung kam es bis jetzt allerdings nicht – und der Jahreswechsel samt seiner Übermittlungsverpflichtung steht nun unmittelbar bevor. Ein Ausweg zumindest für gewisse „Bestandsfälle“ soll nun kurzfristig auf Gesuch des Bundesrats mit dem Wachstumschancengesetz geschaffen werden.2 Durch eine Ergänzung des § 39 EStG soll den Finanzämtern die Möglichkeit eingeräumt werden, dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die IdNr. des Arbeitnehmers mitteilen zu dürfen. Betroffen hiervon werden aber ausschließlich Bestandsfälle sein, d. h. nur dann, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer bereits eine LSt-Bescheinigung für das Jahr 2022 (mittels eTIN) übermittelt hat. Versichert der Arbeitgeber in diesem Fall, dass das Dienstverhältnis über den 31.12.2022 hinaus fortbestand und der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung, ihm die IdNr. mitzuteilentrotz Aufforderung nicht nachgekommen ist, darf das Finanzamt dem Arbeitgeber die IdNr. auch ohne Bevollmächtigung oder Zustimmung des Arbeitnehmers mitteilen, sogar wenn sie dem Arbeitnehmer erstmals zuzuteilen ist. Das wäre ohne diese Regelung nur unter ausdrücklicher Vollmacht des Arbeitgebers möglich.
Mit dieser bürokratiearmen Übergangslösung könnten Bestandsfälle gehandhabt werden. Allerdings ist aktuell noch Vorsicht geboten: zum einen ist zunächst der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens abzuwarten. Dabei hat der Bundesrat jüngst beschlossen, den Vermittlungsausschuss einzuberufen, um dem aus seiner Sicht grundlegenden Überarbeitungsbedarf am Wachstumschancengesetz nachzukommen.Zwar sollte die vorstehende Änderung nicht unter diesen „grundlegenden Überarbeitungsbedarf“ fallen, da sich der Bundestag insoweit dem Vorschlag des Bundesratsangeschlossen und beschlossen hat. Allerdings tickt doch die Uhr, denn der Zeitpunkt zur Übermittlung der LSt-Bescheinigung rückt immer näher. Zum anderen verbleiben noch die jüngeren Dienstverhältnisse, die erst im Laufe des Jahres 2023 aufgenommen wurden. Es bleibt zu hoffen, dass auch hier eine Lösung gefunden wird.
Aus meiner persönlichen Sicht sind Arbeitgeber gut beraten, dem Betriebsstätten-Finanzamt eine Papierfassung der LSt-Bescheinigung zu übersenden. Wenngleich das als Rückschritt gesehen werden kann, so erhält das Finanzamt im Ergebnis dennoch die erforderlichen Informationen und Rückfragen erübrigen sich. Nur eben auf dem für alle Beteiligten weniger komfortableren Weg…
Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,
Ihre Ramona Dietmair
1 vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur weiteren stl. Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 23.09.2019, BT-Drs. 19/13436
2 vgl. Stellungnahme des Bundesrats zum Wachstumschancengesetz vom 20.10.2023, BR-Drs. 433/23

