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Die (noch) nebulöse Welt der Nettolohnoptimierung

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Nimmt man die Fülle der in der Regel inhaltsgleichen bzw. inhaltsähnlichen Anträge von Beratungskanzleien auf Erteilung einer Anrufungsauskunft, die in den letzten Jahren in den Finanzämtern eingegangen sind, als Maßstab, erfreuen sich Gehaltsumwandlungs- bzw. Nettolohnoptimierungsmodelle in der Praxis großer Beliebtheit. Bekanntes Ziel dieser Modelle ist die Ersparnis von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch eine als Ergänzung/Änderung zum bestehenden Arbeitsvertrag vorgenommene Reduzierung des Bruttoarbeitslohns unter gleichzeitiger Gewährung steuerfreier bzw. pauschal zu besteuernder Vergütungsbestandteilen. Inwieweit diese Modelle – zumindest in Teilen – einer gerichtlichen Überprüfung standhalten, hatte kürzlich das FG Rheinland-Pfalz (2 K 1180/16) zu entscheiden.

Liebe Leserin, lieber Leser,

unterhält man sich mit Leuten, die mit dem Thema Gehaltsumwandlung bzw. Nettolohnoptimierung konfrontiert sind, bekommt man – wie häufig im Leben – unterschiedliche Meinungen gespiegelt. Die einen heben den Mehrwert über ein aktuell höheres Nettogehalt als positiven Aspekt hervor, andere geben die möglichen Auswirkungen des niedrigeren Brutto- und Nettogehalts auf Renten- und Lohnersatzleistungsansprüchen zu bedenken. Wieder andere monieren die damit einhergehenden Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten.

Welche Meinung man nun persönlich auch favorisiert- Fakt ist, dass die beabsichtigte Wirkung solcher Modelle (Mehr Netto vom Brutto) von der Einhaltung bestimmter Regeln abhängig ist. So setzt bei arbeitsvertraglich vereinbartem Arbeitslohn die Umwandlung von Barlohn in Sachlohn voraus, dass der Arbeitnehmer unter Änderung des Arbeitsvertrages auf einen Teil seines Barlohns verzichtet und ihm der Arbeitgeber stattdessen (steuerbegünstigten) Sachlohn gewährt (Gehaltsumwandlung). Das Problem ist, dass die Steuerbegünstigung bestimmter, zum Teil in diesen Modellen eingebauten Steuerbefreiungs- und Pauschalierungsvorschriften (z.B. Kindergartenzuschüsse, Zuschüsse zu Fahrtkosten für Wege zwischen Wohnung- Erste Tätigkeitsstätte oder betrieblich veranlasste Sachzuwendungen i.S.d. § 37b EStG) davon abhängt, dass diese „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt werden.

Die Frage ist, ob die Ausgestaltung dieser Modelle mit dem Zusätzlichkeitserfordernis kompatibel ist, wie es die Finanzverwaltung fordert. Die Finanzverwaltung vertritt hierzu eine klare Auffassung. Sie erkennt Gehaltsumwandlungsmodelle hinsichtlich Leistungen, für die das Zusätzlichkeitserfordernis gilt, schlicht nicht an. Um dem Zusätzlichkeitserfordernis zu genügen, muss eine neue und zweckgebundene Leistung zu dem vor der Gehaltsumwandlung (ohnehin) vereinbarten Arbeitslohn hinzukommen.

Würde man nur auf die Situation nach der Gehaltsumwandlung blicken, käme man zu einem anderen Ergebnis. Dann wäre der herabgesetzte verwendungsfreie Barlohn als ohnehin geschuldet zu verstehen, während die zweckgebundene Leistung diesem gegenüber dann zusätzlich geleistet wird. Wirtschaftlich betrachtet hängt jedoch der erste Schritt („Verzicht“ des Arbeitnehmers auf Bruttoarbeitslohns) und der zweite Schritt (Vereinbarung künftiger, zusätzlicher Leistungen) voneinander ab. Unterm Strich verzichtet der Arbeitnehmer - wenn überhaupt - nur in Erwartung der angebotenen Leistungen auf Teile des bestehenden Bruttogehalts.

Dies widerspricht jedoch dem gesetzgeberischen Willen an der Wirkungsweise des Zusätzlichkeitserfordernis. Das Zusätzlichkeitserfordernis wurde nur deshalb eingeführt, um eine (Gehalts-)Umwandlung von regulär besteuertem Barlohn in begünstigte Zusatzleistungen zu verhindern. Ob die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung arbeits- bzw. tarifrechtlich zulässig ist oder nicht, spielt bei dieser Vorgabe keine Rolle.

Ganz plakativ kann man die unterschiedlichen Sichtweisen an folgendem Beispiel festmachen: Ein Kind bekommt von seinen Eltern fünf Euro Taschengeld. Ab dem nächsten Monat bekommt es zusätzlich zwei Euro, damit es sich davon die leckere Schokolade kaufen kann. Bei Kindern, die gerne Schokolade essen wird die Freude über diese „zusätzliche“, obgleich „zweckgebundene“ Leistung groß sein. Stellen die Eltern das Kind aber vor die Wahl, entweder weiterhin fünf Euro Taschengeld oder, Verzicht auf zwei Euro und dafür zusätzlich eine Tafel Schokolade für 2,20 Euro, wird es entweder nicht auf den Deal eingehen, oder ihn vor dem Hintergrund akzeptieren, dass es sich um 20 Cent besser stellt als vorher. Jedoch von einer dem Wortsinn nach „zusätzlichen“ Leistung zu der bisherigen Situation des Kindes kann man hier wohl kaum sprechen.     

Bestätigung findet die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung in einem kürzlich veröffentlichten Urteil des FG Rheinland-Pfalz. Akzeptiert ein Arbeitnehmer die Reduzierung des Barlohns und damit den ohne betriebsbedingte Gründe erfolgten teilweisen Verzicht auf seine Rechte aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag nur deshalb, weil ihm im Gegenzug Zusatzleistungen durch den Arbeitgeber in entsprechender Höhe zugesagt werden, liegt das für bestimmte Steuerbefreiungs- und Pauschalierungsvorschriften erforderliche Zusätzlichkeitserfordernis nicht vor. In dem konkreten Streitfall versagte das Gericht die Pauschalierungsmöglichkeit für die Zahlung einer monatlichen Internetpauschale sowie für einen monatlichen Zuschuss für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte.

Darüber hinaus hatte das Gericht aber auch Gelegenheit, die weitere Ausgestaltung des konkreten Nettolohnoptimierungsmodells lohnsteuerlich zu beurteilen. Die Arbeitnehmer erhielten neben der Internetpauschale und dem Fahrkostenzuschuss, einen steuerfreien, monatlichen „Werbekostenzuschuss“ für das Anbringen eines „Werbeflächenaufklebers“ (Format 15 cm x 10 cm) auf dem privaten Kfz der Arbeitnehmer und eine pauschalversteuerte monatliche Erholungsbeihilfe.

In dem „Werbekostenzuschuss“ sah das Gericht einen Lohnbestandteil, welcher der Regelbesteuerung unterliegt und keine sonstige Leistung, die steuerfrei bleibt, wenn  sie weniger als 256 Euro/Jahr beträgt. Es sah die Vereinbarung über den Werbekostenzuschuss nicht als Sonderrechtsbeziehung an, die neben dem Arbeitsverhältnis bestehen kann. Das verwendete Logo könne zudem aufgrund der Größe und der Art keine inhaltlich relevante Werbewirkung entfalten.  

Bei den Erholungsbeihilfen bemängelte das Gericht die fehlende monatliche Überprüfung des Arbeitgebers über die zweckgebundene Verwendung der Mittel. Eine bloße Bestätigung des Arbeitnehmers reiche hierzu nicht aus. Die Erholungsbeihilfen unterlägen somit nicht der Pauschal-, sondern ebenfalls der Regelbesteuerung.

Aus alldem kann man erkennen, dass bei der Implementierung von Nettolohnoptimierungsmodellen im Vergütungssystem des Arbeitgebers Vorsicht geboten ist. Die Erwartungshaltungen an diese Modelle sind groß, jedoch scheint die Sonne noch nicht uneingeschränkt, wie der Urteilsfall eindrücklich zeigt. Es bleibt spannend, denn jetzt bekommen die obersten Finanzrichter die Möglichkeit (Revisionsverfahren VI R 21/17), die in diesem Bereich noch bestehenden grauen Nebelfelder zu lichten.

Es grüßt Sie 

Ihr Matthias Janitzky

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