Flutkatastrophe – Hilfe für Betroffene aus lohnsteuerlicher Sicht
Liebe Leserin, lieber Leser,
bevor ich mich an meinen Schreibtisch gesetzt habe um diesen Beitrag zu schreiben, habe ich einen Blick in die App „ZEITONLINE“ geworfen. Auf der Startseite kein Wort mehr über die Unwetterkatastrophe Mitte Juli. Stattdessen kann man die aktuellen Meldungen so zusammenfassen: „Kabul ergibt sich; Gerd Müller ist tot; Liveblog Corona; Unwetter in Haiti; Leben im Schrebergarten“! Erst ganz weit unten kommt ein allgemeiner Artikel zum Schutz vor Wetterextremen, in dem ein Ingenieur einen Stresstest für Talsperren fordert. Das aktuelle Geschehen auf der Welt geht weiter, klar, aber die Wetterextreme werden auf Dauer bleiben, wenn nicht weltweit endlich konsequent etwas für den Klimaschutz unternommen wird. Die Menschheit muss verstehen, dass die Klimakatastrophe vor „ihrer Haustüre“ angekommen ist. Eine regelmäßige Berichterstattung in den Medien hilft, das dahingehende Bewusstsein der Menschen zu sensibilisieren.
Für die Menschen in den vom Unwetter heimgesuchten Gebieten, kommt ein Umdenken der Weltbevölkerung im eigenen Handeln zu spät. Ihnen bleibt nur die (finanzielle) Hilfe von außen, die tatkräftige Unterstützung freiwilliger (ehrenamtlicher) Helfer, der feste Glaube daran, ihre Heimat wieder aufbauen zu können und die Kraft das, sowohl physisch als auch psychisch, durchzustehen. Dass das gelingt, das wünsche ich jedem Einzelnen von ganzem Herzen.
An direkter finanzieller Unterstützung sollen in erster Linie Hilfen über den vom Bund und den Ländern beschlossenen nationalen Wiederaufbaufonds erfolgen2. Indirekte Hilfe kann den Geschädigten zudem durch steuerliche Maßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten über den Katastrophenerlass zugutekommen. Schaut man nur auf die Lohnsteuer, gibt der Erlass privaten Arbeitgeber einen großen Raum um persönlich von den Hochwasserschäden betroffen Beschäftigten, finanziell zur Seite zu stehen ohne dass diese Zuwendungen eine Steuerbelastung nach sich ziehen.
Aus Gesprächen mit Steuerberatern ist mir bekannt, dass Arbeitgeber die unterschiedlichsten Maßnahmen planen. Diese reichen von finanziellen Zuwendungen oder zinsfreien Arbeitgeberdarlehen, Kinderbetreuung, Sonderkonditionen für die übergangsweise Anmietung von Unterkünften und Fahrzeugen über großzügig bemessenen Sonderurlaub bis hin zu finanziellen Hilfen aufgrund von Folgewirkungen im Zusammenhang mit dem Durchlebten. Das betrifft insbesondere die finanzielle Hilfe in Form von professioneller psychologischer Unterstützung persönlich Betroffener. Keiner mag sich ausmalen, was eine solche Katastrophe für Auswirkungen auf die Psyche der Betroffenen hat. Umso wichtiger und erwähnenswerter ist es, dass Arbeitgeber auch solche Maßnahmen bei der Unterstützung ihrer von der Flutkatastrophe betroffenen Beschäftigten mit einbeziehen.
Für Arbeitgeber stellt sich dann auch die Frage, welche Hilfen und Unterstützungsleistungen denn nun genau mit dem sog. Katastrophenerlass im Einklang stehen und ob es eine Deckelung in der Höhe der steuerlichen Begünstigung gibt.
Aus lohnsteuerlicher Sicht fußt der Katastrophenerlass im Wesentlichen auf den Regelungen zu § 3 Nr. 11 EStG und hier insbesondere auf den dazu ergangenen Verwaltungsanweisungen zu Unterstützungsleistungen an Arbeitnehmer im privaten Dienst3. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass über den Katastrophenerlass die in dieser Anweisung genannten formalen Voraussetzungen ausgesetzt sind4.
Unterstützungen privater Arbeitgeber an Katastrophengeschädigte bleiben grundsätzlich bis zu 600 € steuerfrei; höhere Unterstützungsleistungen bleiben steuerfrei, wenn man aufgrund einer Einkommens- und Familienstandsprüfung des Arbeitnehmers zu dem Ergebnis kommt, dass ein besonderer Notfall vorliegt. Allerdings unterstellt der Katastrophenerlass als ausdrückliche Sonderregelung im Allgemeinen eine besondere Notlage auch ohne Einkommens- und Familienstandsprüfung bei vom Unwetter/Hochwasser betroffenen Arbeitnehmern. Dementsprechend bleiben auch höhere Zuwendungen als 600 € privater Arbeitgeber bei diesen Arbeitnehmern bis zu einem Betrag in Höhe des Schadens steuerfrei.
Neben der allgemeinen Aussage, dass Unterstützungsleistungen steuerfrei bleiben, weist der Katastrophenerlass gesondert auch Zinszuschüsse und Zinsvorteile bei Darlehen, die zur Beseitigung von Hochwasserschäden aufgenommen worden sind, als steuerfrei aus. Ebenfalls gesondert aufgeführt werden in einer abschließenden Aufzählung, Vorteile aus einer erstmalig nach Eintritt des Schadensereignisses erfolgten
- Nutzungsüberlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer, deren privates Kraftfahrzeug durch das Schadensereignis zerstört wurde,
- Nutzungsüberlassung von Wohnungen oder von Unterkünften,
- Gewährung von unentgeltlicher Verpflegung an Arbeitnehmer und deren Angehörige, oder
- anderen Sachzuwendung aus Nutzungsüberlassung
die, wenn sie bis zum 31.10.2021 geleistet werden, ebenfalls steuerfrei bleiben5.
Was sich nicht namentlich im Katastrophenerlass wiederfindet und deshalb auch nicht von diesem umfasst ist, ist der steuerliche Umgang mit der Gewährung von Sonderurlaub, der Übernahme von Kosten für eine psychologische Nachbetreuung und der Übernahme von Kinderbetreuungskosten während die Eltern mit der Widerherstellung des Wohnumfelds beschäftigt sind.
Während die zeitlichen Hilfen, in Form von Sonderurlaub, keine lohnsteuerlichen Folgerungen auslösen, ist es mit der steuerbegünstigten Übernahme von Kinderbetreuungskosten nicht ganz so einfach. Eine Steuerbefreiungsvorschrift lässt sich nur für Kinder herleiten, die noch nicht schulpflichtig sind. Entsprechende zusätzliche Zahlungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen, also z. B. auch bei Tagesmüttern oder Ganztagspflegestellen, sind steuerfrei6. Für die Kostenübernahme des Arbeitgebers von Betreuungsleistungen für schulpflichtige Kinder, gibt es hingegen eine Steuerbefreiung nur aus zwingenden und beruflich veranlassten und eben nicht aus privaten Gründen7.
Bleibt noch die Frage nach dem steuerlichen Umgang mit der Übernahme von Kosten in Form von professioneller psychologischer Unterstützung. Hier zeigt sich, dass der Katastrophenerlass nur auf die Beseitigung materieller Schäden abzielt. Das wird ganz deutlich an dem Satz „Die vorstehend genannten begünstigten Zuschüsse und Sachzuwendungen sind insgesamt nur bis zu einem Betrag in Höhe des Schadens steuerfrei“. Den Schaden, den die Seele durch diese Katastrophe genommen hat, monetär festzulegen, also eine betragliche Grenze zu ziehen, wäre in meinen Augen eine moralische Katastrophe. Insofern kann der Katastrophenerlass für solche Leistungen auch nicht die Lösung bieten.
Aber, warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute, sprich die Lösung, liegt so nahe. Nach den allgemeinen Regelungen bleiben Beihilfen und Unterstützungen von mehr als 600 € auch unabhängig vom Katastrophenerlass steuerfrei, wenn sie aus Anlass eines besonderen Notfalles, wie eben dieser Unwetterkatastrophe, gewährt werden und der Arbeitgeber diese Beihilfen und Unterstützungen selbst nach einheitlichen Grundsätzen zahlt, denen der Betriebsrat oder sonstige Vertreter der Arbeitnehmer zugestimmt haben8. Möchte also der Arbeitgeber entsprechende Unterstützungsleistungen steuerfrei zahlen, sollten diese Zahlungen aus einer einheitlichen betrieblichen Grundlage hervorgehen und zudem der Betriebsrat oder sonstige Vertreter der Arbeitnehmer diesen zugestimmt haben. Hier liegt, wie schon erwähnt, der kleine, aber feine Unterschied. Bei den über den Katastrophenerlass abgedeckten Unterstützungsleistungen, sind diese formalen Vorgaben ausgesetzt9.
Nicht unerwähnt bleiben soll hier aber auch der Hinweis auf die vereinfachten lohnsteuerlichen Regelungen zu sog. „Arbeitslohnspenden“10. Verzichten Arbeitnehmer auf die Auszahlung von Teilen des Arbeitslohns oder auf Teile eines angesammelten Wertguthabens zugunsten einer Beihilfe des Arbeitgebers an vom Schadensereignis betroffene Arbeitnehmer des Unternehmens oder einer Zahlung des Arbeitgebers auf ein Spendenkonto einer hierzu empfangsberechtigten Einrichtung11, bleiben diese Arbeitslohnspenden bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Arbeitslohns außer Ansatz, wenn der Arbeitgeber die Verwendungsauflage dokumentiert und erfüllt.
Die Rheinland-Pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat dazu gesagt: Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung, um mit den Folgen der Katastrophe umgehen zu können. Es ist ein Kraftakt auf lange, lange Zeit. Denbetroffenen Menschen kann man nur wünschen und für sie hoffen, dass auch ihr persönlicher Kraftakt gelingt!
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
1 https://www.finanzverwaltung.nrw.de/sites/default/files/asset/document/2021-07-23_katastrophenerlass_0.pdf
2 https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-08/flutkatastrophe-wiederaufbaufonds-bund-laender-flutschaeden-hochwasser
3 R 3.11 Abs. 2 LStR
4 R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 LStR
5 Tz. 4.4.1 (Unterstützung an Arbeitnehmer)
6 § 3 Nr. 33 EStG
7 § 3 Nr. 34a EStG
8 R 3.11 Abs. 2 LStR
9 Ziffer 4.4.1 Unterstützung an Arbeitnehmer, erster Spiegelstrich: die in R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 LStR genannten Voraussetzungen brauchen nicht vorzuliegen,
10 Tz. 4.4.2 (Arbeitslohnspende) des sog. Katastrophenerlasses vom 23.07.2021
11 i. S. d. § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG

