Gesetzgebungsdschungel zum Jahreswechsel
Wie so oft dauern die steuerlichen Gesetzgebungsverfahren auch in diesem Jahr wieder bis zum Jahresende an, bis sich Bundestag und Bundesrat einigen können. Obwohl der Referentenentwurf für das Zukunftsfinanzierungsgesetz bereits im April 2023 vorlag, wurde das Gesetz erst am 24.11.2023 abschließend beschlossen, indem der Bundesrat dem zuvor vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zustimmte1. In der Zwischenzeit wurden zahlreiche Änderungen am Entwurf vorgenommen, die es der Praxis nicht unbedingt leichter gemacht haben, sich auf die Neuregelung einzustellen. Mit dem Gesetz sollen Mitarbeiterbeteiligungen weiter gefördert werden, wozu die Vorschriften des §§ 3 Nr. 39 und 19a EStG überarbeitet wurden. Anzuwenden nun mit der nicht unüblich knappen Frist ab 01.01.2024, teilweise sogar rückwirkend.2 Immerhin wurde das Zukunftsfinanzierungsgesetz damit aber noch im aktuellen Jahr beschlossen. Anders sieht es da aus mit dem Wachstumschancengesetz (WC-Gesetz). Auch hier gab es bereits Mitte des Jahres einen Referentenentwurf. Eine Einigung zwischen Bundestag und -rat ist aber selbst Mitte Dezember noch nicht in Sicht. Vielmehr steht das Gesetz nun gänzlich auf der Kippe. Wenngleich die lohnsteuerlichen Änderungen nur einen Teil des Gesetzes ausmachen, so wurde auch hierzu abwechselnd Änderungsbedarf hervorgebracht. Zuletzt hatte der Bundesrat den Vermittlungsausschuss einberufen, um den aus seiner Sicht grundlegenden Überarbeitungsbedarf am Gesetz in die Wege zu leiten. Nun aber sind auch die Gespräche im Vermittlungsausschuss gescheitert – und damit der gesamte Fortgang des WC-Gesetzes ungewiss. Die Unsicherheiten der Arbeitgeber sind damit vollkommen nachvollziehbar. Die beabsichtigten Änderungen wurden im Vorfeld bereits thematisiert und diskutiert, nun hängen aber diejenigen, die sich auf die geplanten Änderungen eingerichtet haben, erst recht in der Luft. Zumindest die geplante Anwendung ab 01.01.2024 ist nun für den Großteil der Maßnahmen Geschichte.
Klar war, dass der Programmablaufplan (PAP) 2024 die möglichen Änderungen durch das WC-Gesetz nicht zum 01.01. berücksichtigen kann. Dieser wurde im November veröffentlicht und bereits mit Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass Anfang 2024 nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ein geänderter PAP für die maschinelle Lohnsteuerberechnung mit weiteren Einzelheiten zur Korrektur des Lohnsteuerabzugs bekannt gemacht werde.3 Damals konnte jedoch noch davon ausgegangen werden, dass die Regelungen dem Grunde nach ab Januar gelten, selbst wenn der PAP sie erst später berücksichtigt. Rückwirkende Änderungen des PAP sind unterjährig keine Seltenheit. So wurde auch im Jahr 2023 aufgrund des Pflegeunterstützungs- und –entlastungsgesetzes (PUEG) unterjährig ein geänderter PAP erforderlich.4 Mit dem PUEG wurde unter anderem der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung angehoben, wodurch sich Auswirkungen auf den Teilbetrag der Vorsorgepauschale für die soziale Pflegeversicherung ergaben. Um zu vermeiden, dass Arbeitnehmer nur über die Steuererklärung in den Genuss des höheren Sonderausgabenabzugs kommen, wurde die Steuerminderung durch höhere Versicherungsbeiträge bereits in das Lohnsteuerabzugsverfahren integriert. Wie in diesem Fall hat der Arbeitgeber dann die Möglichkeit und Pflicht, vorangegangene Monate des laufenden Jahres nach den Grundsätzen des § 41c EStG zu korrigieren, wenn ihm dies ‑ was die Regel ist ‑ wirtschaftlich zumutbar ist. Die Art und Weise der Korrektur bleibt dabei grds. dem Arbeitgeber überlassen. In Betracht kommt die Neuberechnung zurückliegender Lohnzahlungszeiträume, eine Differenzberechnung für diese Lohnzahlungszeiträume oder die Erstattung im Rahmen der Berechnung der Lohnsteuer für einen demnächst fälligen sonstigen Bezug. Eine Korrektur kann aber dann unterbleiben, wenn z. B. das Dienstverhältnis inzwischen nicht mehr besteht und der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keinen Arbeitslohn mehr bezieht oder die LSt-Bescheinigung bereits übermittelt wurde.
Nun ist aber selbst die geltende Rechtslage zum 01.01.2024 ungewiss. Lediglich zwei der beabsichtigten lohnsteuerlichen Änderungen durch das WC-Gesetz wurden kurzfristig in ein anderes Gesetz, das Kreditzweitmarktförderungsgesetz, ausgelagert, um deren rechtzeitige Verabschiedung sicherzustellen. Dabei geht es einerseits um die Verschiebung der Einführung des elektronischen Übermittlungsverfahrens zwischen den privaten Krankenversicherungsunternehmen, den Arbeitgebern und der Finanzverwaltung um zwei Jahre nach hinten auf den 01.01.2026, sowie andererseits die seit dem PUEG noch ausstehende restliche Anpassung der Vorsorgepauschale. Beides also Regelungen eher technischer Natur. Das Kreditzweitmarktförderungsgesetz wurde dann zumindest auch zeitnah beschlossen, so dass diese beiden Änderungen pünktlich ab 01.01.2024 in Kraft treten.5
Alle übrigen geplanten lohnsteuerlichen Änderungen durch das WC-Gesetz bleiben aber unklar, sowohl hinsichtlich der Frage, ob sie überhaupt kommen werden, als auch – falls dies zu bejahen ist – zu welchem Zeitpunkt. Dispositionen der Arbeitgeber werden damit nicht nur erschwert, sondern beinahe unmöglich.
So viel leichter wäre es doch, könnte man sich schon im Laufe des Jahres auf Neuregelungen einigen und der Praxis die Gelegenheit geben, sich darauf einzustellen. Ich würde sagen: neues Jahr, neues Glück – vielleicht wird es 2024 ja anders!
Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,
Ihre Ramona Dietmair

