Nettolohnoptimierung die Zweite
Liebe Leserin, lieber Leser
ein Ausspruch besagt: Fragt man zwei Juristen nach ihrer Meinung bekommt man drei verschiedene Aussagen! Entsprechend konträr stehen sich die Aussagen der FG‘e Rheinland-Pfalz und Münster zu der Frage gegenüber, wann eine zweckbestimmte Leistung des Arbeitgebers zu dem Arbeitslohn hinzukommt, den der Arbeitgeber arbeitsrechtlich schuldet. Nachdem ich in meinem Blog-Beitrag Die (noch) nebulöse Welt der Nettolohnoptimierung vom 14.08.2017 auf die Auslegung der FinVerw und die, diese Auslegung tragende Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz eingegangen bin, soll die gegenläufige Auslegung des FG Münster Thema dieses Blog-Beitrags sein.
Die Kernaussage des FG Münster lautet: Trifft ein Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern die Vereinbarung, dass er künftig Zuschüsse zu Aufwendungen der Arbeitnehmer zahlt und wird zusätzlich eine Barlohnverzichtsvereinbarung getroffen, liegt darin regelmäßig keine schädliche Gehaltsumwandlung. Ob lohnsteuerrechtlich eine Leistung zusätzlich zum ohnehin bereits geschuldeten Arbeitslohn vorliegt, ist lediglich daran zu bestimmen, ob im Zeitpunkt der Zahlung der Zuschüsse ein verbindlicher Rechtsanspruch auf diese besteht oder diese freiwillig gezahlt werden.
In einer ergänzenden Vereinbarung zum Arbeitsvertrag hat der Arbeitnehmer im Vorhinein und endgültig auf einen individuell festgelegten Teil seines Bruttobarlohns verzichtet und erhält ab demselben Tag bestimmte, zum Teil vom Zusätzlichkeitserfordernis abhängige Leistungen, auf die er auch bei mehrfacher Gewährung keinen Rechtsanspruch hat. Diese Leistungen sind entweder steuerfrei oder unterliegen einer pauschalen Versteuerung, die vom Arbeitgeber getragen wird.
In seiner Urteilsbegründung führt das FG Münster aus, dass aus seiner Sicht das Zusätzlichkeitserfordernis der strittigen Gehaltsbestandteile gegeben sei. Maßgeblich sei auf die individual vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abzustellen. In den ergänzenden Änderungsverträgen sei ausdrücklich geregelt worden, dass vertragliche Leistungen gewährt werden, die auch bei mehrfacher Gewährung keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers begründen. Eine sog. Rückfallklausel bestehe eindeutig nicht. Das bedeute, dass der Arbeitnehmer keinen durchsetzbaren Anspruch auf diese Leistungen habe und der Arbeitgeber sich zukünftig auch entscheiden könne, diese Zuschüsse nicht länger zu zahlen. Stellt der Arbeitgeber seine Zahlungen ein, bleibt es bei dem einvernehmlich verminderten Bruttobarlohn. Der zwischen den Parteien vereinbarte Barverzicht stelle somit einen bedingungslosen Gehaltsverzicht dar. Somit läge auch keine Gehaltsumwandlung vor. Die Voraussetzungen, die der Gesetzeswortlaut an das Zusätzlichkeitserfordernis stelle, seien erfüllt. Die strittigen Gehaltsbestandteile würden „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt, sodass die Rechtsfolge, Steuerfreiheit oder Pauschalierungsmöglichkeit eintritt.
Diese Sichtweise ist denkbar und aus arbeitsrechtlicher Sicht – zumindest in Fällen ohne Tarifbindung – auch darstellbar.
Die Frage ist aber, ob die einvernehmliche Herabsetzung des Bruttobarlohns ohne Rückkehrmöglichkeit unter gleichzeitiger Gewährung von unter dem Zusätzlichkeitsvorbehalt stehender steuerfreier oder pauschal besteuerbarer Arbeitgeberleistungen ohne Rechtsanspruch, gerade in den Fällen der Nettolohnoptimierung - wirtschaftlich gesehen – nicht doch eine steuerschädliche Gehaltsumwandlung darstellt? Kann man von einem bedingungslosen Gehaltsverzicht sprechen, wenn auch hier, der erste Schritt („Verzicht“ des Arbeitnehmers auf Bruttoarbeitslohns) den zweiten Schritt (Vereinbarung künftiger, zusätzlicher Leistungen) bedingt? Und muss dieser Geschehensablauf nicht aufgrund der Gesamtumstände (Gesamtplans der Beteiligten) einheitlich gewürdigt werden? Das FG Münster lehnte eine wirtschaftliche Betrachtungsweise jedenfalls ab.
Würde man der Sichtweise uneingeschränkt folgen, liefen die das Tatbestandsmerkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ verwendenden Normen, in solchen Fällen ins Leere. Dies könnte dem gesetzgeberischen Willen bzgl. der Wirkungsweise des Zusätzlichkeitserfordernisses widersprechen. Jedenfalls wurde das Zusätzlichkeitserfordernis seinerzeit eingeführt, um eine (Gehalts-)Umwandlung von regulär besteuertem Barlohn in begünstigte Zusatzleistungen insgesamt zu verhindern. Dazu folgender Gedanke: im Urteilsfall betraf ein neuer Gehaltsbestandteil die Zahlung von Kindergartenkosten. Diese Zahlungen sind bis zum Beginn der Schulpflicht des Kindes steuerfrei, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Kommt ein Kind z.B. mit drei Jahren in den Kindergarten, sind die Zahlungen drei Jahre steuerfrei. Auch wenn der Arbeitgeber im Urteilsfall mangels Rechtsanspruch des Arbeitnehmers jederzeit die Möglichkeit hat, die Zahlungen einzustellen, müsste er sie nach der bestehenden Vereinbarung spätestens mit dem Eintritt der Schulpflicht des Kindes – also dem Entfallen der Zweckbindung – einstellen. Ich frage mich, warum soll nun ein Arbeitnehmer bedingungslos auf z. B. 50 Euro/Monat verzichten, um dafür lediglich drei Jahre lang 50 Euro/Monat steuerfrei zu erhalten? Ganz ehrlich, als Arbeitnehmer spielt man das Spiel doch nur dann mit, wenn man sich sicher sein kann, dass die 50 Euro/Monat nach Entfallen der Zweckbindung auf Basis einer dann neuen Vereinbarung (direkte Gehaltserhöhung?) weiter fließen, man also später nicht finanziell schlechter dasteht als vorher. Alles Spekulation und juristisch unhaltbar, sicher, aber denkbar! Die Zulässigkeit einer solchen Gestaltungsmöglichkeit bei der Einführung der vom Zusätzlichkeitserfordernis abhängigen Steuerbefreiungs- bzw. Pauschalierungsnormen kann jedenfalls nicht Sinne des Gesetzgebers gewesen sein.
Insofern spricht aus meiner Sicht einiges dafür, den unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen „Ursache und Wirkung“ auch in solchen Fällen nicht auszublenden um dem gesetzgeberischen Willen bzgl. der Wirkungsweise des Zusätzlichkeitserfordernisses im Auge zu behalten. Auch und damit solchen gedanklichen Gestaltungsmöglichkeiten kein Raum gegeben ist.
Die, die sich alltäglich (auch) mit dieser Thematik befassen dürfen, bleibt erstmal nur abzuwarten, wie der BFH in den gegen die Entscheidungen der FG’e Rheinland-Pfalz und Münster eingelegten Revisionen entscheidet.
Es grüßt Sie
Ihr Matthias Janitzky

