Wann ist der Lohn zugeflossen?

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Die Frage klingt eigentlich einfach. Allerdings ist die Welt der Lohnsteuer „bunt“. Das heißt, die Vergütung der Arbeitskraft kann auf vielfältige Art und Weise erfolgen und erschöpft sich eben nicht in der Überweisung von Barlohn auf das Konto des Arbeitnehmers. Gutscheine, Versicherungsschutz, PKW-Gestellung, Tantiemen, Aktienoptionen, Wertguthabenkonten, man könnte Seiten füllen mit Zuwendungen des Arbeitgebers, die als Arbeitslohn zu erfassen sind und bei denen es immer auch um die Frage geht, wann dieser Arbeitslohn beim Arbeitnehmer zugeflossen ist. Denn erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Lohnzuflusses entsteht die Lohnsteuer1, die der Arbeitgeber einzubehalten und bei seinem Finanzamt anzumelden und abzuführen hat2. Die sich dann daran anschließende Frage ist die nach der Höhe des zugeflossenen Arbeitslohns. Können noch Freibeträge berücksichtigt werden, sind Freigrenzen zu beachten, gibt es eventuell sogar eine Steuerbefreiungsvorschrift die beachtet werden muss und welche individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmale gelten. Insofern verwundert es nicht, dass die Frage nach dem tatsächlichen Zeitpunkt des Lohnzuflusses immer mal wieder durch die Gerichte geklärt werden muss. Über die Frage des Lohnzuflusses von Beiträgen des Arbeitgebers zu einer Gruppenkrankenversicherung hatte jüngst jetzt das FG Baden-Württemberg zu entscheiden3.

Liebe Leserin, lieber Leser

ich erinnere mich immer noch an den Spruch meines Vaters: „Man kann nur das Geld ausgeben, was man auch hat. Damit man Geld hat, muss man arbeiten, denn dann fließt Geld auf dein Konto!“ Als Kind habe ich dann immer die Augen verdreht und bin gegangen. Aber er hat ja nicht ganz unrecht mit dem Zufluss auf dem Konto, denn in dem Moment tritt beim Arbeitnehmer ja eine Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein. Sein Vermögen wird durch die Lohnzahlung auf seinem Konto mehr. Ab dem Zeitpunkt ist er auch wirtschaftlich gesehen dazu in der Lage über das Geld zu verfügen, es auszugeben.  Und so urteilen auch die Gerichte. Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung fließt Arbeitslohn mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu, wobei Zuflusszeitpunkt der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers ist. Dies ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber sein Leistungsversprechen gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt.

Geldbeträge fließen dem Arbeitnehmer also grundsätzlich dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Beim Barlohn ist der Zuflusszeitpunkt also insoweit unkritisch.

Anders sieht es dann schon bei Sachleistungen des Arbeitgebers aus. Zu den Sachleistungen gehört in aller Regel auch die Gewährung von Versicherungsschutz, es sei denn, der Arbeitnehmer kann anstelle des Versicherungsschutzes auch eine Geldzahlung verlangen (Wahlrecht = Barlohn)4. Gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Versicherungsschutz, muss also zuerst die Frage nach dem Zuflusszeitpunkt geklärt werden und erst wenn dieser Zeitpunkt klar ist, geht es um die Frage der Höhe des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns.

In dem Fall, der vor dem FG Baden-Württemberg (FG) verhandelt wurde ging es konkret um die Frage, ob jährlich bezahlte Beiträge zu einer vom Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer abgeschlossenen Gruppenkrankenversicherung den Arbeitnehmern im Kalendermonat der Beitragszahlung als Arbeitslohn zugeflossen sind und ob die Sachbezugsfreigrenze (bis 2021:44 €, ab 2022: 50 €) hierdurch überschritten wurde. Der Versicherungsschutz des einzelnen Arbeitnehmers hing zudem vom Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses ab.

Das Problem war, dass nach den Versicherungsbedingungen, der Arbeitgeber die Beiträge für die Versicherung grundsätzlich laufend monatlich leisten musste. Der Arbeitgeber nutzte jedoch einen Passus in den Vertragsbedingungen zu seinem wirtschaftlichen Nutzen aus und zahlte die gesamten monatlich festgelegten Beiträge jährlich als Einmalzahlung. Denn hinsichtlich der Fälligkeit der Beiträge bestand für den Arbeitgeber die Möglichkeit, mehrere Monatsbeiträge im Voraus zu leisten, um so einen 4%-igen Nachlass zu erhalten.

Das Finanzamt vertrat im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung die Auffassung, dass der Lohnzufluss hier nicht laufend monatlich erfolgt, sondern im Zeitpunkt der jährlichen Beitragszahlung. Dies wiederum hätte zur Folge, dass aufgrund der Höhe der jährlichen Vorauszahlung der monatlichen Beiträge in einer Summe, die Sachbezugsfreigrenze beim einzelnen Arbeitnehmer überschritten wurde und deshalb nicht anwendbar sei. Der Arbeitgeber hingegen vertrat die Auffassung, dass aus der kumulierten jährlichen Zahlung der Monatsbeiträge keine Umqualifizierung in einen Jahresbeitrag erfolgen könne. Es läge nach wie vor die Zahlung von monatlichen Beiträgen und damit auch ein monatlicher Lohnzufluss vor. Insofern fände auch die Sachbezugsfreigrenze Anwendung.           

Das FG stimmt in seinem Urteil der Sichtweise des Arbeitgebers zu. Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Vor dem Hintergrund erlangten die Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Sachbezug „Versicherungsschutz“ nicht mit der jährlichen Vorauszahlung der monatlichen Beiträge für das ganze Versicherungsjahr, sondern fortlaufend mit der monatlichen Gewährung des Versicherungsschutzes. Ein unmittelbarer Versicherungsschutz gegen die Versicherungsgesellschaft bestand zwar bereits im Zeitpunkt der Arbeitgeberseitigen Einmalzahlung der monatlichen Beiträge, jedoch eben nicht für das gesamte Versicherungsjahr, sondern fortlaufend monatlich. Denn das Leistungsversprechen des Arbeitgebers auf verbrieften Versicherungsschutz seiner Arbeitnehmer gegen die Versicherungsgesellschaft hing neben der Beitragszahlung auch vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ab. Die fraglichen Zuwendungen flossen den einzelnen Arbeitnehmern damit nicht abweichend von den laufenden (monatlichen) Lohnzahlungszeiträumen zu. Dadurch liegt der monatlich zugeflossene geldwerte Vorteil hier unter der monatlichen Sachbezugsfreigrenze mit der Folge, dass die Beitragsleistungen des Arbeitgebers lohnsteuerfrei bleiben.     

Die Entscheidung des FG liegt so auch auf der Linie der BFH-Entscheidung zum Lohnzufluss bei der Teilnahme an einem sog. Firmenfitness-Programm5. Unternehmen erwerben hier zu einem ermäßigten Preis eine bestimmte Anzahl von Nutzungslizenzen und erlangen damit das Recht über einen vereinbarten Zeitraum, teilnehmenden Arbeitnehmern die Trainingsmöglichkeit bei sämtlichen an das Programm angeschlossenen Fitness-Anlagen einzuräumen.  

In solchen Fällen besteht das Leistungsversprechen des Arbeitgebers in der Einräumung eines (verbilligten) Nutzungsrechts (Sachbezug) in den an das Programm angeschlossenen Fitness-Anlagen. Dieses Versprechen erfüllt der Arbeitgeber nicht bereits dadurch, dass den teilnehmenden Arbeitnehmern bei Laufzeitbeginn eine Bescheinigung über die Trainingsberechtigung in den Fitness-Anlagen oder ein Mitgliedsausweis ausgehändigt wird. Denn diese Unterlagen beinhalten für den teilnehmenden Arbeitnehmer kein verbrieftes Recht auf längerfristige und uneingeschränkte Nutzung der Fitness-Anlagen. Der Arbeitgeber erfüllt sein vertragliches Versprechen, den teilnehmenden Arbeitnehmern die Nutzung bestimmter Fitnesseinrichtungen zu ermöglichen, vielmehr monatlich fortlaufend durch Einräumung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit. Auch hier fließen die Zuwendungen des Arbeitgebers den teilnehmenden Arbeitnehmern nicht abweichend von den laufenden (monatlichen) Lohnzahlungszeiträumen zu.      

Um die Frage nach dem Lohnzufluss beantworten zu können, muss also als erstes klar sein, was das Leistungsversprechen des Arbeitgebers ist. Steht das fest, muss der Zeitpunkt ermittelt werden, an dem dieses Versprechen gegenüber dem Arbeitnehmer eingelöst wird. In dem Zeitpunkt erlangt der Arbeitnehmer auch die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Lohnzuwendung und der Zeitpunkt des tatsächlichen Lohnzuflusses steht fest.   

In dem Sinne, bleiben Sie gesund und zuversichtlich.  

Es grüßt Sie,  

Ihr Matthias Janitzky


1 § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG auf § 38a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG
2 § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG
3 FG Baden-Württemberg vom 21.10.2022, 10 K 262/22
4 BMF-Schreiben vom 15.03.2022 Rdnr. 6 und 7, BStBl I, S. 242
5 BFH-Urteil vom 07.07.2020, VI R 14/18, BStBl II 2021, S. 232

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