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Akzeptieren Bewerbende den Einsatz von KI?

Die Studie von Charlotte Lange gibt Einblick in die Gedankenwelt von Nachwuchskräften des öffentlichen Sektors und zeigt Maßnahmen zur Akzeptanzförderung auf.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

angesichts des Fachkräftemangels setzen Unternehmen im Recruiting zunehmend auf innovative Technologien, um im „War of Talents“ konkurrenzfähig zu bleiben (Petry & Jäger, 2021). Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt dabei an Bedeutung: von der automatisierten Sichtung von Bewerbungsunterlagen über Chatbots im Erstkontakt bis hin zu KI-gestützten Auswahlgesprächen (Lederer et al., 2021). KI-gestützte Technologien versprechen Effizienz, Objektivität und niedrigere Kosten. Gleichzeitig bestehen jedoch auch berechtigte Bedenken, etwa in Bezug auf Datenschutz, Transparenz und Fairness. Bei all diesen Chancen und Risiken gilt grundsätzlich, dass selbst eine technisch ausgereifte Lösung ihr volles Potenzial nur entfalten kann, wenn sie von den Nutzenden akzeptiert wird (Diers, 2020). Wie stehen also die Bewerbenden selbst zum Einsatz von KI im Recruiting-Prozess? Akzeptieren sie die neuen Recruiting-Instrumente oder überwiegen Skepsis und Misstrauen?

Diesen Fragen widmete sich Charlotte Lange, Absolventin des Studiengangs Bachelor of Laws, in ihrer Abschlussarbeit. In einer empirischen Studie untersuchte sie die Akzeptanz von KI im Recruiting-Prozess, und zwar aus Sicht derjenigen, die davon künftig besonders betroffen sein werden: Nachwuchskräfte.

Methodik der Studie

Wie lässt sich so etwas Abstraktes wie die Akzeptanz einer Technologie eigentlich messen? Zur theoretischen Fundierung griff Frau Lange zunächst auf psychologische Ansätze und Modelle zurück, wie z. B.  das Modell der sozialen Validität (Schuler, 2014), das Technologie-Akzeptanz-Modell (TAM) nach Davis(1986) und das erweiterte Technologie-Akzeptanz-Modell von Huijts et al. (2012). Aus diesen Modellen leitete sie die Fragen für einen Online-Fragebogen ab. Die Befragung richtete sich an Studierende der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPV NRW). Diese Studierenden haben alle bereits zumindest einen Auswahlprozess als Bewerbende erlebt, zum anderen hat diese Zielgruppe während des Studiums theoretische Kenntnisse zum Recruiting aber auch zur KI erworben. Die Verbreitung des Online-Fragebogens erfolgte nach einem Pretest über Soziale Medien. Insgesamt konnten die Daten von 89 Nachwuchskräften ausgewertet werden. Von den Befragten identifizierten sich 70,8 % als weiblich und 29,2 % als männlich. Die Befragten waren überwiegend zwischen 18 und 30 Jahre alt (86,4 %).

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Überwiegend positive Einstellung zur KI, überwiegend keine Diskriminierungserfahrungen

Rund 66 % der befragten Nachwuchskräfte haben eine positive oder sehr positive Einstellung zur KI. Ihre KI-Kenntnisse schätzen 45 % als hoch oder sehr hoch ein. Die große Mehrheit der Befragten (85,4 %) hat während der bisher erlebten Bewerbungsverfahren nicht das Gefühl gehabt, aufgrund des Geschlechts, der Herkunft oder des Alters diskriminiert zu werden. Die Studie gibt keine Auskunft darüber, ob die Minderheit das Diskriminierungsgefühl während eines Bewerbungsverfahrens innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Sektors erlebt hat.

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Vorzüge der KI im Bewerbungsprozess

In Abbildung 1 ist angegeben, welche Vorzüge die Nachwuchskräfte in Bezug auf den Einsatz von KI im Recruiting wahrnehmen.

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Abbildung 1: Vorzüge des Einsatzes von KI im Bewerbungsprozess aus Sicht von Nachwuchskräften (aus: Lange, 2025, S. 33)

In der Tendenz erkennen die befragten Nachwuchskräfte vielfältige Vorzüge.

Einschätzung der Einsatzbereiche der KI

Den Einsatz von KI können sich die Befragten vor allem in der Vorauswahl (94,4 %), weniger jedoch in der Endauswahl vorstellen (29,2 %). Im Bewerbungsgespräch wird der Einsatz von KI weit überwiegend ablehnt (91 %).

Weitere Einschätzungen zu möglichen Einsatzbereichen der KI enthält Abbildung 2.

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Abbildung 2: Sinnvolle Einsatzbereiche von KI im Bewerbungsprozess aus Sicht von Studierenden der HSPV NRW.

Interessant: Rund 39 % der Befragten würden an einem Bewerbungsgespräch teilnehmen, bei dem die KI eine Sprach- oder Gesichtsanalyse zur Beurteilung der Eignung vornehmen würde.

Bedenken der Nachwuchskräfte

Trotz der in der Tendenz mitgeteilten Aufgeschlossenheit gegenüber dem Einsatz von KI in der Personalauswahl, drücken die Befragten auch Befürchtungen aus (Abbildung 3).

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Abbildung 3: Befürchtungen von Nachwuchskräften in Bezug auf den Einsatz von KI im Recruiting.

An erster Stelle der Bedenken steht dabei der fehlende persönliche Kontakt. Dieser ist den Nachwuchskräften weniger in der Vorauswahl als vor allem in der Phase der Endauswahl wichtig (Lange, 2025, S. 37).

Maßnahmen zur Akzeptanzförderung

Schließlich wurden die Studierenden der HSPV NRW befragt, welche Maßnahmen des Personalmanagements zu einer höheren Akzeptanz des Einsatzes von KI im Recruiting-Prozess führen würde. Die Antworten sind in Abbildung 4 enthalten.

 Abbildung 4

Abbildung 4: Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz des Einsatzes von KI im Recruiting.

Vorsicht

Die Ergebnisse der Befragung können nur einen ersten Einblick in die Gedankenwelt der Nachwuchskräfte geben. Die befragte Stichprobe ist sicher nicht repräsentativ für die Studierenden der HSPV NRW. Angesichts der schnellen Entwicklungen im Bereich der KI, neuen, am Markt verfügbaren KI-Produkten und vielen Diskussionen über KI in den Medien, Betrieben und Hochschulen, muss weiterhin davon ausgegangen werden, dass sich auch die Einstellungen von Nachwuchskräften zur KI rasch wandeln können. Schließlich kann die individuelle Reaktion als Bewerberin oder Bewerber auf den akut erlebten Einsatz einer KI im Bewerbungsverfahren erheblich von der in einem Fragebogen dargelegten Einstellung abweichen.

Fazit

Die Ergebnisse verdeutlichen: Nachwuchskräfte stehen dem Einsatz von KI im Recruiting grundsätzlich positiv gegenüber. Ihre Akzeptanz hängt jedoch stark vom konkreten Einsatzkontext ab. Der Wunsch der befragten Nachwuchskräfte ist gerade in der Endauswahl groß, mit Menschen zu kommunizieren und von diesen beurteilt zu werden. Für das Personalmanagement ergibt sich daraus eine klare Handlungsempfehlung: KI sollte die Personalauswählenden nicht ersetzen, sondern bei ihren Tätigkeiten unterstützen. Wer bei Bewerbenden Vertrauen aufbauen möchte, sollte KI behutsam einsetzen, transparent kommunizieren und menschliche Interaktion als festen Bestandteil des Auswahlprozesses beibehalten.

Herzliche Grüße

Andreas Gourmelon und Charlotte Lange

Quellen

Davis, F. D. (1986). A technology acceptance model for empirically testing new end-user information systems: Theory and results. Massachusetts Institute of Technology. S. 12.

Diers, T. (2020). Akzeptanz von Chatbots im Consumer-Marketing: Erfolgsfaktoren zwischen Konsumenten und künstlicher Intelligenz. Springer Fachmedien. Wiesbaden. S. 23.

Hubona, G. S., & Geitz, S. (1997). External variables, beliefs, attitudes and information technology usage behavior. Proceedings of the Thirtieth Hawaii International Conference on System Sciences, S. 21-28.

Huijts, N. M. A., Molin, E. J. E., & Steg, L. (2012). Psychological factors influencing sustainable energy technology acceptance: A review-based comprehensive framework. Renewable and Sustainable Energy Reviews, 16 (1), S. 525-531.

Lange, Charlotte (2025). Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Recruiting. Eine Untersuchung der Akzeptanz von Nachwuchskräften. Unveröffentlichte Bachelor-Arbeit. Gelsenkirchen: Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen.

Lederer, M., Müller-Jungnickel, A. M., & Pirkl, S. (2021). Künstliche Intelligenz in HR-Prozessen: Anwendungsfälle und Akzeptanzstudie für die Personaleinstellung. In U. Lichtenthaler (Hrsg.), Künstliche Intelligenz erfolgreich umsetzen: Praxisbeispiele für integrierte Intelligenz. Springer Fachmedien. Wiesbaden. S. 41-54.

Petry, T., & Jäger, W. (Hrsg.). (2021). Digital HR: Smarte und agile Systeme, Prozesse und Strukturen im Personalmanagement (2. aktualisierte und überarbeitete Auflage). Haufe-Lexware GmbH & Co. KG. Freiburg. S. 205- 206.

Schuler, H. (2014). Psychologische Personalauswahl: Eignungsdiagnostik für Personalentscheidungen und Berufsberatung (4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage). Hogrefe. Göttingen. S. 286.

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