Praktiker‘1 und Forschende treffen sich in Gelsenkirchen, um den Einsatz sozialer Roboter im öffentlichen Sektor voranzutreiben.
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Personalnot im öffentlichen Sektor verschärft sich. Gefordert sind innovative Lösungs- und Handlungsstrategien, um die Leistungsfähigkeit öffentlicher Verwaltungen auch künftig gewährleisten zu können. Künstliche Intelligenz (KI) und Roboter mit sozial-interaktiven Fähigkeiten bergen großes Potenzial zur Abmilderung der Personalnot – so sie sind z. B. in der Lage, Beschäftigte von Routinetätigkeiten zu entlasten. Mit diesen Systemen ist es zudem besser möglich, mit den Dienstleistungen öffentlicher Verwaltungen den Anforderungen einer diversifizierten Gesellschaft gerecht zu werden. Beispielsweise können Dienstleistungen passgenauer für Bürger‘ unterschiedlicher ethnischer Herkunft erstellt werden, indem sich die KI während der Interaktion an ihre Sprache anpasst. Die Entwicklung und der Einsatz sozialer Roboter ist allerdings mit großen technischen, rechtlichen und ethischen Herausforderungen verbunden.
Tagung in Gelsenkirchen
Aus diesem Grund fand am 15. April 2024 in der Zentralverwaltung der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW in Gelsenkirchen ein Erfahrungs- und Erkenntnisaustausch über den Einsatz sozialer Roboter im öffentlichen Sektor statt. Ziel war es, sich über Erfahrungen bezüglich technischer, ethischer und rechtlicher Fragestellungen auszutauschen und gemeinsam über Maßnahmen zur Förderung der Akzeptanz und erfolgreichen Integration sozialer Roboter in den Arbeitsalltag von Verwaltungen zu diskutieren. Dazu wurden Forschende aus dem Bereich soziale Robotik sowie Praktiker‘ aus dem öffentlichen Sektor, die bereits Erfahrungen mit dem Einsatz sozialer Roboter gemacht haben, eingeladen. Während eines World Cafés konnten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen und Erkenntnisse austauschen.

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Einsatz von Robotern aus Sicht der Beschäftigten
Beispielsweise tauschten sich die Teilnehmenden darüber aus, mit welchen Hoffnungen, Befürchtungen, Sorgen und Widerständen bei den Beschäftigten im Hinblick auf den Einsatz sozialer Roboter zu rechnen ist und wie man damit umgehen kann. Große Hoffnung bei den Beschäftigten erzeugt die Vorstellung, dass KI und Roboter sie von repetitiven Tätigkeiten entlasten könnten. Demgegenüber gibt es Sorgen, dass die eigene Arbeit entwertet und man ggf. nur noch Zuarbeiter des Roboters wird. Als Lösungsansätze wurde von den Teilnehmenden u. a. eine zielgerichtete Kommunikation zum Einsatzzweck von Robotern bei gleichzeitiger Herausstellung des Nutzens der Roboter sowie die aktive Beteiligung der Beschäftigten bei der Entwicklung und Einführung dieser innovativen Technologie vorgeschlagen.

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Technische Hürden
Besprochen wurden auch technische Probleme beim Einsatz sozialer Roboter. Kritisch diskutiert wurde dabei vor allem die „Black-Box“-Problematik der KI-Systeme – niemand kann genau erklären, wie die KI zu Entscheidungen, Empfehlungen u. ä. m. kommt. Als eine Einschränkung der Einsatzmöglichkeiten von sozialen Robotern wiesen die Teilnehmenden darauf hin, dass aktuelle Modelle geringe motorische Fähigkeiten aufweisen. Zudem sind sie durchaus reparaturanfällig und wenig robust.
Rechtliche Perspektive
Diskutiert wurde weiterhin, wie ein rechtskonformer Einsatz von Robotern z. B. im Hinblick auf Datenschutz und Personalvertretungsrecht gelingen kann. Als notwendig für den Robotereinsatz stellte sich eine Einwilligungserklärung zur Datenverarbeitung seitens der Nutzenden heraus. Die Teilnehmenden schlugen vor, dass der Roboter lediglich innerhalb eines festgelegten räumlichen Radius agiert, um die Risiken bei der Datenverarbeitung zu minimieren. Datenschutzrechtlich höchst problematisch ist es, wenn der Roboter Nutzende wiedererkennen sollte – die Lösung kann jedoch nicht darin liegen, technische Möglichkeiten ungenutzt zu lassen und quasi „demente“ Roboter einzusetzen. Unerlässlich sei weiterhin, die Rechte der Beschäftigten zu wahren und z. B. eine „Überwachung“ ihrer Tätigkeiten durch die Roboter zu verhindern. Eine Empfehlung der Diskutanten lautete, sich bei der Frage nach Rechtskonformität beim Robotereinsatz an Lösungsansätzen bereits eingesetzter Systeme zu orientieren (z. B. Videoüberwachung).
Ethik
Es wurde auch darüber gesprochen, welche Anwendungsmöglichkeiten und Funktionalitäten von sozialen Robotern ethisch vertretbar sind. Als geeignete Einsatzorte wurden Bereiche mit hohen Kundenkontakt, wie z. B. am Empfang einer Verwaltung vorgeschlagen. Es wurde angeregt zu hinterfragen, welche Rolle den Robotern zugeschrieben wird – in welchen Kontexten sollten sie z. B. nur Sachinformationen liefern und wo ist es vertretbar (ggf. auch erforderlich), dass Roboter auch auf der sozio-emotionalen Ebene mit Nutzenden kommunizieren. Ein genereller Einsatz von Robotern sei nicht empfehlenswert, stets müsse deren Einsatz im Einzelfall geprüft werden. Dabei müssten auch Diskriminierungsrisiken durch die KI berücksichtigt werden.
Brückenschlag in die Wirtschaft
Schließlich gaben die Kolleginnen Prof. Dr. Simone Roth, Medina Klicic und Matheea Beder einen Einblick, wie relevante Erkenntnisse zum Einsatz sozialer Roboter wirtschaftlich verwertet werden können. Dafür stellten sie ihre Forschungsarbeiten im Rahmen des Drittmittelprojekts „RuhrBots“ (gefördert vom BMBF) zum Aufbau eines digitalen Ökosystems für soziale Roboter als Netzwerk für Stadtverwaltungen vor. Ziel des Ökosystems ist der Aufbau und die Erweiterung einer Wissensbasis zur Gewinnung bzw. den Transfer von Forschungserkenntnissen zum Einsatz sozialer Roboter. Zu diesem Zweck wird von Prof. Roth und ihren Mitarbeiterinnen eine digitale Plattform pilotiert, die den Wissenstransfer und die direkte Kollaboration von Anbietern und Nachfragern sozialer Roboter ermöglicht.
Fazit
Erfahrungsaustausch und Networking über die Grenzen von Wissenschaft und Praxis hinweg tragen dazu bei, den Einsatz von KI und sozialen Robotern im öffentlichen Sektor voranzutreiben sowie die Innovationsfähigkeit von Verwaltungen zu fördern.

Foto: Einige Teilnehmende der Tagung in Gelsenkirchen.
Herzlichst
Andreas Gourmelon und Esther Herfurth
1 Das generische Maskulinum wird mit Apostroph gekennzeichnet.
