Die Rechtsprechung will keine konsequente Frauenförderung
Liebe Leserinnen und Leser,
gut gedacht, aber Bruch gemacht! Was gleiche Qualifikation ist, wussten im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes eigentlich alle. Je nach dem angewandten Bewertungs- oder Benotungssystem kamen mehrere gleich bewertete und damit im Prinzip gleich qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten in Frage. Über sogenannte Hilfskriterien und ausgeübtes Ermessen wurde dann entschieden. Die Gerichte haben gegebenenfalls noch die Richtigkeit und die Nachvollziehbarkeit überprüft. Hier setzte das Bundesgleichstellungsgesetz an und bestimmte: Sind Frauen auf der Zielebene unterrepräsentiert, muss aus dem Pool der Qualifizierten eine Frau ausgewählt werden.
Das passte nicht jedeM. Schon bald wussten Personalentscheider: Willst du deinen Mann befördern, beurteile ihn gut genug. So flossen dann auch (rechtswidrig) sachfremde Kriterien wie aus familiären Gründen fehlende Arbeitszeitflexibilität qualifikationsmindernd in die Beurteilungen von Frauen ein, ohne ausdrücklich genannt zu werden.
Auch die Gerichte halfen da nicht; so z.B. jüngst das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30.06.2011, BVerwG 2 C 19.10. Es drängt auf eine weitest gehende Ausdifferenzierung der Beurteilungen und nennt das „Ausschöpfen der Beurteilung“. Ansonsten spricht es vom vorschnellen Rückgriff auf das Hilfskriterium „weibliches Geschlecht“. Damit stellen die Gerichte sich im Prinzip gegen den Gesetzgeber, der „Frau sein“ eben nicht als Hilfskriterium sieht, sondern als eigenes gesetzliches Kriterium ausgestaltet hat, das dann natürlich auch vor allen Hilfskriterien und Ermessensentscheidungen zu prüfen ist.
Auch das Bundesverwaltungsgericht, und damit wohl auch die unteren Instanzen, sehen, dass Art. 3 Abs. 2 GG, das EU-Recht und das Bundesgleichstellungsgesetz für die Frau sprechen. Aber wo kämen wir denn hin, wenn allein deshalb althergebrachte Rechtsprechungsgrundsätze neu überdacht werden müssten und liebgewordene Textbausteine für die Urteile zu Makulatur würden.
Seit 60 Jahren spricht das Bundesverwaltungsgericht nun schon aufgrund Art. 3 Abs. 2 GG Recht. Eine Gleichstellung von Frauen mit Männern wurde seither nicht annähernd erreicht. Es wird Zeit, überkommene Rechtsauffassung abzulegen und den neuen Ideen im Bundesgleichstellungsgesetz und im EU-Recht Gelegenheit zur Entfaltung zu geben. Alles andere ist Gleichstellungsverhinderung.
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
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