(Frauen-)Gedenktage 2015 (II)
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Zukunft braucht Herkunft“ oder wie Alice Schwarzer es vor Jahren formulierte: „Menschen brauchen Vorbilder. Frauen brauchen weibliche Vorbilder. Die scheinbare Geschichtslosigkeit von Frauen ist einer ihrer schwersten Hypotheken bei ihrem aufrechten Gang in die Zukunft“. Als historisch interessierte Feministin ist es mir daher wichtig, immer wieder an unsere Vorkämpferinnen und „Schwestern von gestern“ zu erinnern1. Wir wären nicht, wo wir sind, wenn es sie alle nicht gegeben hätte. Daher einige Beispiele von ganz besonderen Frauen des Jahres 2015:
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Vor 35 Jahren, 1980, wurde in Island als weltweit erste Frau Vigdís Finnbogadóttir in demokratischen Wahlen direkt zur Staatspräsidentin gewählt. Sirimavo Bandaranaike, die frühere Premierministerin von Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, war 1960 die erste Frau der Welt als Regierungschefin, sie war jedoch (wie auch Margret Thatcher oder Angela Merkel) nicht direkt vom Volk gewählt. Aber auch Bandaranaikes Wahl vor 55 Jahren war eine Sensation ebenso wie für Großbritannien 1975 Margret Thatcher als erste weibliche Parteivorsitzende und dann auch Premierministerin oder für Deutschland 2005 – vor 10 Jahren – die erste Bundeskanzlerin.
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Vor 100 Jahren starb Clara Immerwahr. Die promovierte Chemikerin und Pazifistin erschoss sich mitten im Ersten Weltkrieg aus Protest – wie Luise F. Pusch bei fembio schreibt – gegen die von ihrem Mann, dem Chemiker und späteren Nobelpreisträger Fritz Haber, „geleitete erste chemische Massenvernichtung und deren unabsehbare Folgen. Zwei Wochen vor ihrem Freitod waren bei Ypern auf französischer Seite über 18.000 Mann elend durch Chlorgas verreckt. Vor ihrem letzten, wohlüberlegten Schritt – ... – hatte Clara wieder und wieder vergeblich gegen die Gaskriegs-Vorbereitungen ihres Mannes protestiert. Er war als Jude vielfältigen beruflichen Diskriminierungen ausgesetzt ... Nun warf er ihr vor, mit ihrer Kritik ihm und dem heldenhaft kämpfenden Vaterlande in den Rücken zu fallen2“.
Der beeindruckende Fernsehfilm über Clara Immerwahrs Leben von 2014 zeigt, wie enthusiastisch sie zusammen mit ihrem Mann am Anfang ihrer gemeinsamen Karriere für den Einsatz von Kunstdüngern in der Landwirtschaft forschte, um die Erzeugung dringend erforderlicher Lebensmittel voranzubringen.
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Der 500. Geburtstag der Heiligen Teresa von Ávila ist in diesem Jahr bisher mein Lieblingsgedenktag. Nicht aus religiösen Gründen, denn Frauen und Religion – das ist ja immer so eine Sache3, sondern weil sie so etwas war wie eine frühe Emanze. Die spanische Nonne reiste im Dienste ihres Glaubens rastlos kreuz und quer durchs Land und gründete Klöster fast am Fließband (was die französische Karikaturistin Claire Bretécher zu einem Comic mit dem herrlichen Titel „Die eilige Heilige“ inspirierte).
Heute ist die Mystikerin von der katholischen Kirche offiziell als Kirchenlehrerin anerkannt und selbst die anglikanische und die evangelische Kirche erinnern an sie mit Gedenktagen4. Trotz all dieser Anerkennung ihrer Leistung wird um sie in ihrem 500. Geburtsjahr bei weitem nicht so ein Buhei gemacht wie jetzt schon zwei Jahre vor dem eigentlichen Reformationsjahr 2017 um Luther.
Vergnügen machen mir manche Sprüche der „eiligen Heiligen“ wie z.B. „Ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt“. Das hört sich an wie bei einer Gleichstellungsbeauftragten, die z.B. in einer Sitzung eine tolle Idee hat, die jedoch ungehört verhallt, bis sie zehn Minuten später von einem Mann wiederholt wird und dann auf größte Anerkennung stößt.
Ein gutes Motto für Gleichstellungsbeauftragte ist z.B. auch der Satz: „Lass nichts dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Alles geht vorüber“ (z.B. auch der „Liebesentzug“ bei GB-Klagen!5). Oder: „Es ist eine große Kunst, jede Seele zu ertragen“. Selbst einen Satz wie „Liebt die Tugenden eurer Schwestern und denkt nicht an ihre Fehler“ muss frau hin und wieder als richtig anerkennen, so weh das oft auch tut.
Bei „Bete nicht um leichtere Last, sondern um einen stärkeren Rücken“ habe ich dann allerdings doch Schwierigkeiten. Als Gleichstellungsbeauftragte müssen wir schon genug Rückgrat an den Tag legen, da könnte die (Be-)Last(-ung) durch die Gleichstellungs-Uninteressierten, -Unkundigen oder gar -Unwilligen schon mal etwas leichter sein.
Zu Herzen nehmen und für unsere Resilienz nutzen, sollten wir den Satz „Tu deinem Leib des Öfteren etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen“. Ganz offensichtlich war Teresa eine emanzipierte und kluge Frau!
Mit sommerlichen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
1 Siehe Blogs vom 26.9.11, 10.9.12, 29.10.12, 13.5.13, 17.6.13, 22.7.13, 14.10.13, 17.3.14, 2.6.14, 2.2.15, 4.5.15
2 http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/clara-immerwahr/
3 Siehe Blogs „Frauen und Religion“ vom 1.10.2012 sowie „Luther und die Frauen“ vom 15.6.2015
4 https://www.heiligenlexikon.de/BiographienT/Teresa_von_Avila.htm
5 Siehe Blogs „Gleichstellung ist - manchmal – Sisyphosarbeit“ vom 29.6.2015 und „Beklagenswert klaglos“ vom 8.10.2012
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