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Frauen-, Männer-, Geschlechterpolitik

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Das Erbe der vergangenen Legislaturperiode ist der Aufbruch einer Männer-, einer Männerrechtler-1, ja sogar einer für Gleichstellungsinteressierte recht befremdlichen Maskulistenbewegung. In diesen Kreisen wird Männerdiskriminierung intensiv gefühlt, hörbar geäußert und mit dem Ruf verbunden, die jahrzehntelange einseitige Bevorzugung von Frauen nun aber wirklich zu beenden. Unterstützt wird dies von gewissen Medien mit spürbarer Freude oder angeblich großer Besorgnis über die Ungerechtigkeit dieser Welt zugunsten von Frauen!

Liebe Leserin, lieber Leser,

Thomas Gesterkamp nannte dies „die Krise der Kerle“2 und kommt zu dem ironischen Schluss, „so lässt sich prima ignorieren, wer in den Führungsetagen der Wirtschaft nach wie vor das Sagen hat.“ Wer das Sagen hat, bestätigen einschlägige Statistiken: Immer noch haben Frauen eine geringere Teilhabe – nicht nur an Führungspositionen, sondern ganz generell an Wohlstand, an Geld, Macht, Ansehen und Einfluss und am Ende ihres (Berufs-)Lebens: an Sicherheit (siehe Blog „Equal Pay - Equal Pension“ vom 19.3.2012).

Dennoch müssen wir mit diesem „Männer“-Erbe leben und uns damit auseinandersetzen, denn wir sind gut 35 Jahre nach dem Beginn der modernen Frauenbewegung in den 1970er Jahren in einem „Backlash“ angekommen, in einer Art Rolle Rückwärts der Gleichstellungspolitik. Vielfach haben wir schon Mühe, das für Frauen in den letzten Jahrzehnten Erreichte zu verteidigen.

Wir hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten müssen uns fast täglich gegen Vorwürfe einseitiger Frauenbevorzugung wehren. In den meisten Fällen hilft der Verweis auf das Bundesgleichstellungsgesetz und den dort begründeten Auftrag an Dienststellen und Gleichstellungsbeauftragte ebenso wenig wie der nach wie vor bestehende Qualifikationsvorbehalt, d.h. dass nur bei gleicher Qualifikation und Unterrepräsentanz auf der Zielebene Frauen den Vorzug erhalten müssen.

Reden, diskutieren, auseinandersetzen ist oft gar nicht erwünscht. Die gefühlte Diskriminierung hat bei einigen Männern und teilweise in der veröffentlichten Meinung einen derartigen Aufschrei verursacht, dass der mündliche oder schriftliche Austausch von Meinungen gelegentlich in einen regelrechten Geschlechterkampf ausartet.

Karrieremänner fühlen sich abgewertet, familienorientierte Männer nicht gewertschätzt und gefördert. Berufsorientierte Frauen haben den Eindruck, sie sollen zu Erfolgsmännern gecoacht werden, die sich mit den gleichen fiesen Tricks nach oben boxen sollen. Anderen Frauen fehlt die Anerkennung, wenn sie im Beruf nur den zweiten Gang einlegen oder Karriere auf später verschieben wollen. Teilzeit-Frauen kämpfen um Anerkennung auf beiden Seiten – im Beruf und in der Familie.

Das ist hoch unbefriedigend und so werden wir nicht weiterkommen. Eine neue Gleichstellungspolitik braucht das Land! Nötig sind die Auflösung tradierter Geschlechterrollen und die Schaffung von gesellschaftlichem Zusammenhalt. Zudem brauchen wir Rahmenbedingungen, die Frauen und Männern den gewünschten Berufs- und Lebensweg ermöglichen. An der Klippe Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem sollte keine/r mehr scheitern.

Barbara Stiegler formulierte es so: „Geschlechterpolitik besteht aus vielen kleinen Schritten und vielen guten Wegen. Es gibt kurzzeitige Erfolge, längerfristige, positive Veränderungen, aber auch Rückschritte und Stagnation. Je stärker geschlechterpolitische Zielsetzungen und Fragestellungen in der Arbeit von Institutionen verankert sind, umso mehr können die Erfolge verstetigt werden. Zur Durchsetzung geschlechterpolitischer Zielsetzungen braucht es also einerseits engagierte Personen, andererseits aber auch förderliche institutionelle Rahmenbedingungen. Dazu gehören nicht nur Gesetze oder Ministerien, die den Titel „Frauen“ tragen. Weil die Geschlechterverhältnisse durchgängig in allen bestehenden Strukturen eine Rolle spielen, muss es auch überall entsprechende Möglichkeiten geben, diese zu beeinflussen: in der Politik und der Verwaltung, in der Wissenschaft, in der Bildung und im Bereich zivilgesellschaftlicher Organisationen3.

Kann das gelingen? Wir stehen am Anfang einer neuen Legislaturperiode. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Herzlich

Ihre Kristin Rose-Möhring


1 Thomas Gesterkamp: Geschlechterkampf von rechts – Wie Männerrechtler und Familienfundamentalisten sich gegen das Feindbild Feminismus radikalisieren, FES, März 2010 – http://library.fes.de/pdf-files/wiso/07054.pdf
2 Thomas Gesterkamp; Aufsatz in der Zeitschrift „Switchboard“ 2004, S. 162 f.
3 Barbara Stiegler, Hrsg:. Erfolgreiche Geschlechterpolitik – Ansprüche – Entwicklungen – Ergebnisse, FES, Januar 2012 – http://library.fes.de/pdf-files/wiso/08830-20120116.pdf

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