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Frauen und Religion

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Religion, Kirchen und Frauen sind Themen, die nicht zu einander zu passen scheinen. In kaum einer der großen Glaubensgemeinschaften spielten oder spielen Frauen eine wesentliche Rolle. Im Gegenteil: Frauen hatten in der Kirche zu schweigen, mussten/müssen sich verhüllen, wurden jahrhundertelang für seelenlos gehalten, als Witwen verbrannt, als Hexen diffamiert, verfolgt und getötet oder und haben/hatten Berufsverbot, d.h. sie dürfen/durften nicht Geistliche werden. Sie galten sogar als unrein, was nieMANden daran hinderte, die Produkte ihrer Unreinheit, d.h. die Kinder, insbesondere die männlichen für die Krone der Schöpfung zu halten.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Bei all diesen Ausgrenzungen ist es für eine Feministin schwierig, ein unbelastetes Verhältnis zu Religion und Kirchen zu haben.

Die aktuelle Debatte um Beschneidungen macht die Sache nicht einfacher. Ich will hier nicht das Urteil des Kölner Landgerichts1 vom Mai dieses Jahres im Einzelnen diskutieren. Jede/R hat sich dazu sicher inzwischen eine eigene Meinung gebildet und die Diskussion wird vermutlich weitergehen, da sich die Bundesregierung des Themas angenommen hat.

Als Feministin fehlt mir jedoch – wie fast schon üblich bei diesem Thema: dem Glauben grundsätzlich und der emotional geführten Diskussion – der Gleichstellungsbezug.

Die Kölner Richter wurden scharf kritisiert und sofort wurde die religiöse Existenzfrage gestellt. Emotionen kochten gefährlich hoch. Hochrangige Befürworter der Beschneidung argumentierten, dass dieses Ritual für den Glauben zwingend sei. Einer meinte sogar, bei einem Beschneidungsverbot sei jüdisches Leben in Deutschland nicht möglich. Denn durch die Beschneidung forme der betroffene Junge sein Band mit Gott; das Ritual sei daher zentral für seine religiöse Identität.

Da frage ich natürlich sofort: Und wo bleiben die Mädchen?

Mädchen werden nicht beschnitten. Dafür kann ich nur auf Knien danken, denn die Beschneidung von Mädchen ist – wo sie geschieht – noch archaischer und furchtbarer als ein aus meiner Sicht medizinisch nicht notwendiger, unumkehrbarer Eingriff bei kleinen Jungen, die sich nicht wehren können. Aber: Haben Mädchen dann keine Glaubensidentität und formen sie kein Band mit ihrem Gott, zumindest kein so intensives?

Spätestens an diesem Punkt müssten die Glaubensführer ins Nach- und Umdenken kommen. Das tun sie aber leider nicht.

Die Europäische Union gibt möglichen Beitrittsländern wie z.B. der Türkei vor, dass sie sich u.a. intensiver um die Gleichstellung von Frauen und Männern bemühen müssen, bevor ein Betritt möglich ist. Richtig so, aber soll dann ein Aspekt außen vor bleiben, der hier eine zentrale Rolle spielt oder aus meiner Sicht spielen müsste?

Ich bin für eine absolute Trennung von Kirche und Staat. Glauben ist für mich Privatsache und alle sollen – gläubig oder nicht gläubig und mit welchem Glauben auch immer – freientschieden leben können, wie sie wollen.

Wenn aber der Staat gesetzliche Vorgaben macht, zum Beispiel zur Gleichberechtigung von Frauen, zur Gleichstellung der Geschlechter, zur Gleichbehandlung von Mädchen und Jungen, dann müssen sich alle, die Teil dieses Staates sein wollen, daran halten.

Und was spricht schließlich gegen eine Änderungen von Ritualen, auch wenn diese Jahrhunderte alt sind. Moderne Zeiten erfordern moderne Zeichen und sei es auch nur, um alle Gläubige – egal welchen Geschlechts – einzubeziehen und keine Person auszugrenzen.

Übrigens: Der interessanteste und m.E. wichtigste Artikel, den ich zum Thema Beschneidung gelesen habe (und es waren einige), war der des Juristen Christoph Schickhardt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 12.8.2012 mit dem Titel „Ein Kompromissvorschlag2.

Allerdings ist bisher kein Autor/keine Autorin auf den Gleichstellungsaspekt eingegangen. Es muss sich beim Thema Kirchen, Religion und Frauen noch viel ändern, bevor auch hier Frauen selbstverständlich mitgedacht und gleichberechtigt einbezogen werden.

Herzlich,

Ihre Kristin Rose-Möhring


1 LG Köln, Urt. v. 07.05.2012, Az. 151 Ns 169/11
2 Er argumentiert u.a.: “Die Beschneidung fällt … nicht in den Kernbereich der positiven Religionsfreiheit, gewissermaßen nach der eigenen Facon glücklich zu werden, da die Eltern nicht sich selbst, sondern eine andere Person, nämlich ihr Kind, beschneiden lassen. … Das Argument, (…,) die Beschneidung sichere das Fortbestehen der religiös (und ethisch) bestimmten Gemeinschaft, orientiert sich überwiegend nicht am individuellen Kindeswohl, sondern am Interesse der jeweiligen Gemeinschaft. Es ist ein liberaler Grundsatz, dass eine Einzelperson nicht ohne ihre Einwilligung den Zwecken und Interessen einer religiösen oder ethnischen Gemeinschaft verpflichtet werden darf.”

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