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Gleichstellung ist - manchmal - Sisyphosarbeit

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Um Gleichstellung oder auch nur die Vorgaben des Bundesgleichstellungsgesetzes (BGleiG) in einer Behörde durchzusetzen, braucht es einen langen Atem und eine hohe Frustationstoleranz. Und „durchsetzen“ ist noch optimistisch formuliert. Oft bleibt es nur ein „Vertreten“ oder einfach ein „Die-Fahne-Hochhalten“. Kleine Zwischenerfolge, z.B. ein Kompromiss in einem außergerichtlichen Einigungsverfahren, haben in den Köpfen der Behördenleitung eine Halbwertzeit von nur wenigen Monaten oder gar Wochen. Dazu wechselt in einem Ministerium alle vier Jahre nach einer Wahl die politische Führung und alles beginnt quasi von vorne. Es ist, als würden neue Personen Gleichstellung erst im Amt lernen. Mir zeigt das jedes Mal, wie wenig tief die Prinzipien der Gleichstellung in den Köpfen derer verankert sind, die sie doch politisch und rechtlich vertreten sollen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit es das BGleiG gibt, bin ich als Gleichstellungsbeauftragte des dafür zuständigen Bundesministeriums dabei. Ich weiß also, wovon ich rede. Mir fällt vieles auf, was nicht ganz so offensichtlich entgegen den gesetzlichen Vorschriften läuft. Das spreche ich alles an und leite durchaus auch die entsprechenden Rechtsmittelverfahren ein. Und wenn es nötig ist, scheue ich mich nicht zu klagen. Die lange Amtszeit ist dabei von Vorteil und führt zu einer gewissen Konstanz. Bei einem Wechsel in der Person der Gleichstellungsbeauftragten nach jeder Wahlperiode wäre dies sicher schwieriger, weil langjährige Erfahrungen fehlen.

Nachdem der Gesetzgeber bei der Novellierung des BGleiG die Chance vertan hat, die Gleichstellungsbeauftragte mit erweiterten Klagerechten, z.B. wegen Verstoßes gegen den Gleichstellungsplan, auszustatten, bleibt es hier im Wesentlichen bei der alten Rechtslage. Die Gleichstellungsbeauftragte kämpft weiter für Gleichstellung in allen Bereichen und für alle betroffenen Beschäftigten, kann aber deren Anliegen – und seien sie gleichstellungspolitisch auch noch so berechtigt – nicht auf dem Klagewege durchsetzen. Klagen kann/darf sie nur wegen Verletzung ihrer Beteiligungsrechte auf Feststellung eben dieser Rechtsverletzung. Das Gericht sagt also am Ende des Prozesses der Behörde, sie hätte es anders machen müssen. In der Sache ändert das aber nichts. Das geht dann so weit, dass eine Rechtsvertretung der Behörde mir in einem Verfahren vor Gericht einmal vorhielt, die Klage sei unzulässig, weil damit ja nichts mehr zu ändern sei. Das Gericht äußerte aber dankenswerterweise seine Erwartung dahingehend, dass eine rechtstreue Behörde sein Urteil wenigstens in der Zukunft beachten werde.

Die Gleichstellungsbeauftragte klagt also nicht aus Eigennutz, sondern auf die künftige Beachtung der Gleichstellungsbestimmungen. Ganz so, wie Sisyphos wohl dachte/hoffte, der Stein bleibe irgendwann einmal oben liegen.
Leider klagen die betroffenen Personen, z.B. unterlegenen Konkurrentinnen in Beförderungsangelegenheiten, oft nicht, wenn eine fehlerhafte Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten vorliegt. Dabei wäre dies ein Grund zur Aufhebung der Entscheidung und deren Vollzug könnte im Wege einer einstweiligen Anordnung vom Gericht gestoppt werden. Die Betroffenen scheuen häufig diesen Schritt.
Dabei hätten die Gleichstellungsbeauftragten, die sich unermüdlich einsetzen, diese Unterstützung dringend nötig. Was die Information zur fehlerhaften Beteiligung angeht, ist die Gleichstellungsbeauftragte dann gerne behilflich. So etwas fällt nicht unter ihre Verschwiegenheitspflicht!

Gelegentlich auch einmal eine Klage der Betroffenen bedeutete eine große Anerkennung für unsere Arbeit. Ein bisschen muss jede/r seine Gleichstellungsrechte trotz allen Engagements der Gleichstellungbeauftragten auch selbst wahrnehmen.

Herzlich

Ihre Kristin Rose-Möhring

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