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Nikolaus, Weihnachten und das weibliche Element

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Heute am 6.Dezember ist Nikolaus. Er und der Weihnachtsmann sehen sich meist zum Verwechseln ähnlich und dann gibt es auch noch das Christkind, das oft als blondgelockter Engel dargestellt wird und entschieden weibliche Züge trägt. Versuch eines frühen „Genderns“ und ein Grund, warum es allmählich verdrängt wird?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

hier lohnt sich eine Spurensuche, denn Feiertage scheinen fest in männlicher Hand, obwohl nach meiner früheren Recherche eigentlich schon der Osterhase weiblich sein müsste (siehe den Blog-Beitrag Wer ist der Osterhase? vom 30.3.2010).

Der Hl. Nikolaus wird – zumindest in katholischen Gegenden – als Bischof mit rotem Messgewand und Hirtenstab dargestellt, vielerorts aber auch als freundlicher alter Mann mit weißem Bart und weiß-bepelztem roten Mantel. Spätestens da verschwimmen die Grenzen zum Weihnachtsmann, der seinerseits das Christkind auf der Strecke gelassen hat.

Zu Herkunft und Bedeutung dieser drei Weihnachtsgestalten gibt es die unterschiedlichsten Geschichten. So geht der Weihnachtsmann wohl auf den niederländischen "Sinterklaas" zurück, der am 5. oder 6. Dezember braven Kindern Geschenke und Süßigkeiten bringt. Waren sie nicht brav, kommt der „Zwarte Piet“ mit der Rute.

Aus Europa Ausgewanderte brachten den Sankt-Nikolaus-Brauch mit in die Vereinigten Staaten. So war Sankt Nikolaus auch der Patron der ursprünglich niederländischen Kolonie Neu Amsterdam, dem heutigen New York. Aus Sinterklaas wurde Saint Claus und schließlich Santa Claus.

Berühmt wurde Santa Claus durch die Werbung, die Coca Cola in den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts mit einem „Santa“ in seinen Firmenfarben rot und weiß im ganzen Land und schließlich in der ganzen Welt schaltete. Dabei orientierte sich Coca Cola möglicherweise auch an einer Beschreibung in dem Gedicht von William Gilley aus New York von 1821, die der heutigen Form des Weihnachtsmannes ähnelt: Ganz in Fell gekleidet fuhr er auf einem Schlitten, der von Rentieren gezogen wurde.

Eine andere Version spricht als Quelle von dem 1823 veröffentlichten Gedicht „The Night before Christmas“, in dem erstmalig Santas Rentiere benannt werden: Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donner und Blitzen. Rudolph kam erst 1939 durch ein Gedicht von Robert L. May dazu und lieferte die Vorlage für das bekannte Weihnachtslied Rudolph, the Red-Nosed Reindeer von Johnny Marks.

Die russische Variante der Wintergeschichten ist übrigens „Väterchen Frost“ in blau-weißem Kostüm, das für Schnee und Kälte steht. Auch er kommt auf einem von Rentieren gezogenen Schlitten und bringt zu Silvester Geschenke. Und auch er hat eine traditionell weibliche Figur, das Schneemädchen oder Schneeflöckchen „Snegurotschka“ etwas verdrängt. Heute begleitet sie vielerorts Väterchen Frost.

Damit sind wir wieder bei den weiblichen Wesen der Weihnachtszeit, genauer dem Christkind, dessen Wechselbeziehungen zum Nikolaus historisch nicht ganz klar sind.

Vermutlich ersetzte Martin Luther im 16. Jahrhundert die katholische Form der Verehrung von Heiligen, so auch des Hl. Nikolaus, durch den „Heiligen Christ“ und verlegte das Beschenken auf den 25. Dezember. Über die Jahre entwickelte sich die Bezeichnung „Christkind“ und die Vorstellung als engelsgleiche Erscheinung, weil in den weihnachtlichen Umzugsbräuchen und Krippenspielen häufig eine Engelsschar von einem „Christkind“ angeführt wurde. So verselbständigte sich das Christkind zusehends, und der Bezug zu Christus ging verloren.

Also sind wir auch hier bei einem männlichen Ursprung der Weihnachtstradition. Zur „Feminisierung“ der festlichen Bräuche müssen wir uns woanders umsehen, brauchen aber auch nicht lange zu suchen: Italien liefert, was das feministische Herz begehrt.

Die Hexe Befana reitet auf einem Besen in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar auf der Suche nach dem Jesuskind von Haus zu Haus und bringt Geschenke oder straft auch mal. Heute gilt Befana jedoch in erster Linie als gute Fee.

Der Legende nach soll sie von den Hirten die Frohe Botschaft gehört haben und sollte vom Weihnachtsstern zur Krippe geführt werden. Da sie jedoch zu spät aufbrach (ein männliches Klischee oder die Analogie zu den ortsunkundigen Hl. Drei Königen?), verpasste sie den Stern. Aber auch diese Geschichte ist typisch: Eine einzelne Frau macht den Job von drei Männern, noch dazu Königen – wir Gleichstellungsbeauftragte kennen das.

Der Name Befana ist wohl abgeleitet von „Epiphanias“, dem Fest der Erscheinung der Weisen aus dem Morgenland Kaspar, Melchior und Balthasar. Und so stoßen wir ein weiteres Mal auf männlich geprägte Traditionen. Eigentlich kein Wunder, denn Kirche – egal in welcher Ausrichtung – ist ebenso wie Militär und Verwaltung, und die kennen wir schließlich alle, männlich geprägt.

Also bleibt uns am Ende nur unsere eigene Deutungshoheit.

Für die männliche Weihnachtstradition spricht, dass der Weihnachtsmann unrasiert auf den letzten Drücker kommt, d.h. in der Nacht, wenn die Kinder schon schlafen, dass er nicht nach dem Weg fragt, um sich dann umständlich durch den Schornstein zu zwängen statt gemütlich durch die Tür zu kommen, und vor allem, dass er fürs Ego ein Schlittengeschoss mit 8-9 RS = Rentierstärken fährt.

Für eine weibliche Weihnachtstradition spricht, dass eine Hexe Befana sich bescheiden mit einem Besen begnügt, dass die Geschenke schön verpackt sind und die Kinder die Geschenke bekommen, die sie sich gewünscht haben, d.h. jemand hat ihnen ZUGEHÖRT!

Ist das im Endeffekt nun voll gegendert? Wie auch immer: Ich für meinen Teil freue mich auf eine Begegnung mit einer Weihnachtsfrau, dem Schneemädchen oder mit Hexe Befana. Sie wissen ja: Wir Frauen sind alle Engel, aber wenn „mann“ uns die Flügel stutzt, reiten wir auf einem Besen weiter – da sind wir sehr flexibel.

In diesem Sinne eine fröhliche und gleichstellungsgenüssliche Advents- und Weihnachtszeit!

Herzlich, 

Ihre Kristin Rose-Möhring

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