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Schwestern von gestern (3) – Hedwig Dohm

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Was den Französinnen Olympe de Gouges und den Britinnen Mary Wollstonecraft, das ist den deutschen Frauen Hedwig Dohm: Eine Schriftstellerin, vor allem aber eine Vordenkerin der Frauenbewegung ihres Landes. „Sie war eine der ersten feministischen Theoretikerinnen, die geschlechtsspezifische Verhaltensweisen auf die kulturelle Prägung zurückführte statt auf biologische Determination“.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Hedwig Dohm wird vor gut 180 Jahren, am 20. September 1831 in Berlin in eine Familie mit 18 Kindern hineingeboren. Wie zu der Zeit für Mädchen üblich, wird auch ihr nur eine minimale Schulbildung zugestanden, unter der sie ein Leben lang leidet. Erst mit 18 Jahren trotzt sie ihren Eltern den Besuch eines Lehrerinnenseminars ab. Sie bleibt aber dennoch zunächst auf dem typisch weiblichen Lebensweg: Sie heiratet mit 22 und bekommt in den sechs Jahren zwischen 1854 und 1860 fünf Kinder1. Allerdings ist ihr Mann Ernst Dohm Chefredakteur der satirischen Zeitschrift „Kladderadatsch“2 und sie kommt so in Kontakt zu den Intellektuellen ihrer Zeit in Berlin.

Als eine der ersten in Deutschland forderte sie bereits 1873 das Wahlrecht für Frauen und veröffentlicht ab 1872 ihre ersten feministischen Bücher. Darin fordert sie die völlige rechtliche, soziale und wirtschaftliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern. „Es gibt keine Freiheit der Männer, wenn es nicht eine Freiheit der Frauen gibt“, schreibt sie und weiter: “Die Frauen haben Steuern zu zahlen wie die Männer, sie sind verantwortlich für Gesetze, an deren Beratung sie keinen Anteil gehabt; Sie sind also den Gesetzen unterworfen, die Andere gemacht. Das nennt man in allen Sprachen der Welt Tyrannei, einfache, absolute Tyrannei, sie mag noch so milde gehandhabt werden, sie bleibt Tyrannei."3

Solche und viele andere provokante Sätze machen sie berühmt und berüchtigt. Sie erntet Kritik von allen Seiten, von den Männern wie erwartet, aber auch von den Frauen der bürgerlichen Frauenbewegung unter Helene Lange4, die sich eher als Bildungsreformerinnen für Mädchen verstehen. Erst später, als die deutsche Frauenbewegung sich in den 1890er Jahren spaltet und auch der radikale Flügel unter Minna Cauer5 das Frauenwahlrecht fordert, kommt sie der organisierten Frauenbewegung näher, wird Mitglied in Minna Cauers Verein „Frauenwohl“ und setzt sich vehement für deren Ziele ein.

1883 stirbt ihr Mann und sie beginnt, Romane zu schreiben – auch das hat sie mit Olympe de Gouges und Mary Wollstonecraft gemein – sowie Komödien, die mit großem Erfolg an Berliner Theatern gespielt werden. Gleichzeitig bleibt sie eine aktive Frauenrechtlerin, veröffentlicht zahllose Aufsätze und Essays, in denen sie sich mit den brennenden Fragen ihrer Zeit auseinandersetzt und z.B. gegen den Krieg Position bezieht. Wie Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann gehört sie zu den wenigen organsierten Frauen, die sich während des Ersten Weltkriegs mutig als Pazifistinnen „outen“ und gegen den überzogenen Patriotismus dieser Zeit „zu Felde ziehen“.

Sie erlebt noch die Einführung des Frauenwahlrechts am 30. November 1918 und die erste Wahl zum Deutschen Reichstag am 19. Januar 1919, bei der erstmalig Frauen wählen und gewählt werden dürfen, bevor sie am 1. Juni 1919 im Alter von 88 Jahren stirbt.

Berühmt und immer noch aktuell sind ihre Worte: „Mehr Stolz, ihr Frauen! Wie ist es nur möglich, dass ihr euch nicht aufbäumt gegen die Verachtung, die euch noch immer trifft. - Auch heute noch? Ja, auch heute noch. (...). Mehr Stolz, ihr Frauen! Der Stolze kann missfallen, aber man verachtet ihn nicht. Nur auf den Nacken, der sich beugt, tritt der Fuß des vermeintlichen Herrn." 6

Zum Weiterlesen empfehle ich den hochinteressanten Aufsatz von Chantal Louis „Mehr Stolz Ihr Frauen“, in dem sie Lida Gustava Heymann mit folgender Beschreibung von Hedwig Dohm zitiert: „Zu irgendwelchen Kompromissen war Hedwig Dohm niemals geneigt. Möchten jüngere Generationen ihr nacheifern."

Liebe Kolleginnen, es ist wieder Zeit für Dohm‘sche Wege!

Herzlich,

Ihre Kristin Rose-Möhring


1 Ihre Tochter Hedwig (später verheiratete Pringsheim) wurde die Schwiegermutter von Thomas Mann, der wiederum deren Tochter Katja geheiratet hatte.
2 http://de.wikipedia.org/wiki/Kladderadatsch
3 zitiert nach http://www.hedwigdohm.de
4 Siehe GiP - Gleichstellung in der Praxis, 2008/1, S. 43ff: „Sich nicht ducken, sondern drucken“ – Frauenbewegung, Gleichstellung und Presse in Deutschland
5 Siehe GiP – Gleichstellung in der Praxis, 2006/6, S. 35ff: „Minna Cauer – Vollendet, was wir begonnen“
6 zitiert nach http://www.hedwigdohm.de

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