Schwestern von gestern (6) – Bertha von Suttner
Liebe Leserin, lieber Leser,
Bertha von Suttner war keine Frauenrechtlerin im Sinne der Frauen, die ich bisher porträtiert habe (s. Blogbeiträge vom 17.6.2013 - Frauen und ihre Zeitungen; 13.5.2013 - Alice Paul; 29.10.2012 – Hedwig Dohm; 10.9.2012 – Mary Wollstonecraft; 13.2.2012 – Elisabeth Selbert; 26.9.2011 – Olympe de Gouges). Mit ihrem Engagement für den Frieden beeinflusste sie jedoch stark auch die Frauenbewegung um Wortführerinnen wie Anita Augsburg und Lida Gustava Heymann, die sich unter dem Eindruck des Wettrüstens und der zahllosen kriegerischen Auseinandersetzungen Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts bis hin zum Zweiten Weltkrieg stark in einer Frauenfriedensbewegung engagierten und diese bestimmten.
Bertha von Suttner arbeitete, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, zunächst als Gouvernante und Übersetzerin. 1877 begann sie zu schreiben und veröffentlichte in österreichischen Zeitungen erfolgreich Kurzgeschichten und Aufsätze. Ab 1885 lebte sie in Wien und wandte sich verstärkt dem Pazifismus zu.
1889 erschien der Roman "Die Waffen nieder!", der sie fast über Nacht berühmt machte. Für ihre Antikriegsbotschaft ließ sie eine Frau ihre Erlebnisse, den Verlust nahestehender Menschen und die schrecklichen Folgen von Kriegen erzählen. Damit rückte sie auch die Situation von Frauen in den Mittelpunkt einer Gesellschaft, in der Männer ganz selbstverständlich immer wieder zu den Waffen griffen, um politische Konflikte zu lösen. Das befeuerte die ohnehin schon heftigen Diskussionen über Kolonialismus, Militarismus und Krieg.
Das Buch wurde ihr größter literarischer Erfolg und in seinen Auswirkungen mit „Onkel Toms Hütte“ von Harriet Beecher-Stowe verglichen, das der Abschaffung der Sklaverei vorangegangen war. „Die Waffen nieder!“ erschien allein in deutscher Sprache in 37 Auflagen und wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Bertha von Suttner wurde zum Inbegriff von „Auflehnung gegen die alte Ordnung, die den Krieg als eine unvermeidbare Erscheinung in der Geschichte der Völker ansah“*.
Bertha von Suttners zunächst literarische Auseinandersetzung mit dem Pazifismus wurde in der Folgezeit ein intensives politisches Engagement. Sie wurde zur Leitfigur der pazifistischen Bewegung und trat auf vielen Friedens- und Frauenrechtsveranstaltungen im In- und Ausland als Rednerin und Ehrengast auf. Zudem gründete sie 1891 die „Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde“, deren Präsidentin sie bis zu ihrem Tode blieb, und ein Jahr später die „Deutsche Friedensgesellschaft“. Sie wurde Herausgeberin der Monatszeitschrift, „Die Waffen nieder!“ und warb viele bekannte Schriftsteller wie Leo Tolstoi und Peter Rosegger als Autoren.
1876 hatte Bertha von Suttner in Paris Alfred Nobel kennengelernt. Zehn Jahre später traf sie ihn wieder und es entwickelt sich zwischen beiden eine tiefe Freundschaft. Sie führten einen intensiven Briefwechsel und Nobel beschrieb ihr 1892 seinen Plan, einen Preis zu stiften für „denjenigen oder diejenige, der/die am meisten für die Befriedung Europas getan hat.“ Bei der Abfassung seines Testaments 1895 hatte er bereits konkret an Bertha von Suttner als Friedenspreisträgerin gedacht. Aber es dauerte noch fünf Jahre, bis sie den Preis am 10. Dezember 1905 – dem Todestag Alfred Nobels – als erste Frau tatsächlich erhielt.
Ihr Engagement blieb auch danach ungebrochen. Ihren inneren Antrieb formulierte sie mit dem Satz: „Der nächste Krieg wird von einer Furchtbarkeit sein wie noch keiner seiner Vorgänger“. Damit behielt sie leider Recht und war ihrer Zeit in diesem Punkt ebenso weit voraus wie in ihren Vorstellungen zur „Neuregelung der Staatenbeziehungen“, d.h. zur gewaltfreien Lösung von Konflikten zwischen Staaten. Sie wollte internationale Schiedsgerichtsverträge, eine Friedensunion – wie sie später mit dem Völkerbund und der UNO geschaffen wurde – und einen internationalen Gerichtshof.
Sie argumentierte sehr hellsichtig: „Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden.“
Bertha von Suttner musste den Beginn des Ersten Weltkriegs nicht mehr miterleben; sie starb wenige Wochen vorher, am 21. Juni 1914. Ihre letzten Worte sollen gewesen sein: „Die Waffen nieder! Sag’s vielen, vielen.“
In den kommenden beiden Jahren werden wir noch einige Gelegenheiten haben, uns an die große, in ihrer Zeit leider auch als „Friedens-Bertha“ verspottete Pazifistin zu erinnern: 2014 jährt sich ihr Todestag zum 100., 2015 die Verleihung des Friedensnobelpreises an sie zum 110. Mal.
In Bonn soll am 21. September, dem Internationalen Friedenstag der Vereinten Nationen, auf Initiative des Frauennetzwerks für Frieden eine Skulptur mit den Konturen Bertha von Suttners aufgestellt werden.
Damit verabschiede ich mich in eine kurze Sommerpause und bin am 12. August hier wieder zurück. Ich wünsche Ihnen schöne Ferien und gute Erholung.
Mit herzlichen Grüßen
Kristin Rose-Möhring
* Beatrix Kempf: „Bertha von Suttner – eine Frau kämpft für den Frieden“, Freiburg i.Br., 1979, S. 35, Generalanzeiger Bonn vom 3.6.2013 sowie www.artcoon.com
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