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Schwestern von gestern (9) – Johanna Dohnal

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Vor 35 Jahren, im November 1979 wurde in Österreich Johanna Dohnal als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen eingesetzt. Im Frühjahr dieses Jahres wäre sie 75 Jahre alt geworden. Eine echte Schwester von gestern ist Johanna Dohnal daher nicht, eher eine von heute. Leider starb sie bereits Anfang 2010. Ihre Arbeit aber ist immer noch aktuell spürbar und sie gilt als Legende der österreichischen Frauenpolitik.

Liebe Leserin, lieber Leser,

als uneheliches Kind aus ärmlichen Verhältnissen war Johanna Dohnal eine politische Karriere wahrlich nicht in die Wiege gelegt worden. Großgezogen von ihrer Großmutter lernte sie früh die Liebe zu Büchern und Bildung im Allgemeinen. Bereits Mitte der 1950er Jahre trat sie in die SPÖ ein und engagierte sich auf kommunaler Ebene, bis sie 1972 in die Parteizentrale der SPÖ wechselte, wo sie bis 1979 als Landesfrauensekretärin tätig war.

Damit hatte sie sehr früh ihr politisches Betätigungsfeld abgesteckt. Als Mutter von zwei Kindern kannte sie die Probleme von Frauen, Arbeit zu finden und zu behalten bzw. Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. 1978 entstand auf ihre Initiative hin das erste Frauenhaus in Wien.

Unermüdlich war sie für Frauen, für Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aktiv und wurde aufgrund ihrer großen Erfolge rasch zur Ikone der österreichischen Frauenbewegung - spätestens nachdem Bruno Kreisky sie 1979 als „Staatssekretär“ für Frauenfragen (erst 1988 konnte sie geschlechtergerechte Amtsbezeichnungen durchsetzen) ins Bundeskanzleramt geholt hatte. Zum ersten Mal wurde damit in Österreich die Frauenpolitik getrennt von der Familienpolitik behandelt.

Die auch in unserem Nachbarland sehr aktive Frauenbewegung forderte ab den 1970er Jahren das Recht auf Abtreibung, Schutz vor Gewalt in der Ehe und sexuelle Belästigung, bessere Rechte für unverheiratete Mütter und vieles mehr – genau wie die Frauen in Deutschland, Frankreich und vielen anderen Ländern der Welt. Johanna Dohnal trieb unermüdlich und gegen große Widerstände erfolgreich die entsprechenden Gesetzesinitiativen voran.

Mehr Schlagkraft hatte sie nach ihrer Ernennung zur Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und damit zur ersten österreichischen Frauenministerin, mit der 1990 sowohl ihr Engagement für Frauen-, als auch für Friedens-, Bildungs- und Entwicklungspolitik honoriert wurde.

1993 setzte sie Gleichbehandlungsgesetze für den öffentlichen Dienst sowie eine Frauenquote an Universitäten und in Ministerien durch – früher als in Deutschland, wo erst 1994 das Frauenfördergesetz und 2001 mit dem Bundesgleichstellungsgesetz eine 50%-Quote in den Behörden und Gerichten des Bundes eingeführt wurde.

Herrlich unerbittlich und uncharmant“ nannte Erika Pluhar Johanna Dohnal mit größter Anerkennung in einem TV-Beitrag des ÖRF zum Andenken an Österreichs erste Frauenministerin nach deren viel zu frühem Tod im Jahr 2010. Als „wandelnde Provokation“ bezeichnete sie sogar ihr Förderer Bruno Kreisky, denn Johanna Dohnal polarisierte. Es ging ihr immer um die Sache; parteitaktische Spielchen waren ihr fremd und so legte sie sich ständig nicht nur mit den konservativen politischen Kräften der Opposition, sondern durchaus auch mit ihren weniger fortschrittlich denkenden Parteigenossen an.

Als sich daher Mitte der 1990er Jahre in Österreich eine konservative Wende abzeichnete, waren auch ihre Tage als Ministerin gezählt. 1995 erfuhr sie aus der Zeitung, dass der inzwischen amtierende Bundeskanzler Vranitzky sein Kabinett umbilden wollte und sie zu einem der „Opfer“ dieser Aktion geworden war. Als sie am Morgen in ihr Büro kam, in dem sie seit 16 Jahren für die Frauen gestritten und gekämpft hatte, wurden bereits die Namensschilder ausgetauscht.

Sie zog sich aus der Politik zurück, blieb aber frauenpolitisch aktiv, in dem sie mit Universitäten, Nicht-Regierungsorganisationen, Gewerkschaften und Frauenorganisationen weiterhin intensiv zusammenarbeitete, um ihre Ziele weiterzuverfolgen: „Machtverhältnisse sind weder geschichtslos noch geschlechtsneutral“, sagte sie ebenso wie „die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.“ Dafür war nach ihrer Auffassung hohes Engagement erforderlich, denn „nur eine Frauenorganisation, die lästig ist, hat eine Existenzberechtigung“.

Auf politischer Ebene begann nach ihrem erzwungenen Ausscheiden ein Backlash in Frauen- und Gleichstellungsfragen in Österreich. Johanna Dohnal aber ist nicht vergessen. Sie erhielt ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof und 2012 wurde ein Platz in Wien nach ihr benannt. Weiterhin gibt es sowohl einen Johanna-Dohnal-Förderpreis für Studentinnen, deren Diplomarbeiten die „Verwirklichung von Geschlechterdemokratie fördern“ als auch Johanna-Dohnal-Teilstipendien für Nachwuchswissenschaftlerinnen, die an technischen und/oder feministischen Themen arbeiten.

Ihr Engagement wirkt fort, aber so eine wie sie könnten wir wieder einmal brauchen. Keine Parteitaktikerin, sondern eine gradlinige Kämpferin für die Sache der Frauen, die sie als die richtige erkannt und kompromisslos zu ihrer gemacht hat.

Herzlich

Kristin Rose-Möhring

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