Das Lebensmittelrecht sieht unter gewissen Voraussetzungen eine Veröffentlichung von Verstößen unter Benennung der Unternehmen vor. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat mit dem Beschluss vom 10.04.2025 -10K 200/25- eine Veröffentlichung von Befunden unter Benennung des Lebensmittelunternehmens als zulässig eingestuft. Folgende Fragen standen im Fokus:
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Erfüllen eine Probe Putenfleisch und eine Probe von einem Dönermesser die Anforderungen an zwei Untersuchungen?
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Was sind die Anforderungen an das „Inverkehrbringen“ bzw. Bereithalten zum Verkauf?
Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen online
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I. Sachverhalt und Rechtslage
Bei hinreichendem Verdacht auf nicht unerhebliche oder wiederholte lebensmittelrechtliche Verstöße mit einer Bußgeldprognose von mindestens 350,- € sind die Überwachungsbehörden zur Publikation der Verstöße unter Benennung der Unternehmen verpflichtet nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Im Falle von Probenahmen sind mindestens zwei Untersuchungen erforderlich. Nach Art. 14 Abs. 1 BasisVO (EG) Nr. 178/2002 ist das Inverkehrbringen von unsicheren Lebensmitteln verboten. Der äußerste Tatbestand von Inverkehrbringen ist gemäß Art. 3 Nr. 8 BasisVO das Bereithalten für Verkaufszwecke.
Im vorliegenden Fall hat die Lebensmittelüberwachung einen Imbissbetrieb in Zusammenhang mit einer Salmonellenerkrankung überprüft. Im Betrieb wurden vereinzelt Hygienemängel vorgefunden. Daneben wurden verschiedene Proben Putenfleisch wegen des Nachweises von Salmonella Agona als gesundheitsschädlich beanstandet. Mit Bezug auf den Nachweis eines hinreichenden Verdachts auf Verstöße waren die formale Verwertbarkeit der Untersuchungen sowie das Vorliegen des Tatbestands von Inverkehrbringen maßgeblich.
Mit Bezug auf die Untersuchungsbefunde war fraglich, ob eine Probe Putenfleisch und eine zweite vom Innengehäuse des Dönerschneidemessers die rechtlichen Anforderungen an die Tatbestandsmäßigkeit von zwei Untersuchungen im Sinne von § 40 Abs. 1a LFGB und Art. 37 Abs. 4 lit. e) EU-KontrollVO 2017/625 erfüllen. Dies hat das VG Karlsruhe unter Bezugnahme auf weitere Rechtsprechung und Lebensmittelkommentare bejaht1.
Die Frage des Inverkehrbringens hat das VG zusammengefasst wie folgt bewertet: Ein Inverkehrbringen nach Art. 3 Nr. 8 BasisVO in Form des Bereithaltens von Lebensmitteln zu Verkaufszwecken ist bereits dann anzunehmen, wenn das betreffende Lebensmittel mit der inneren Absicht des Verkaufs bereitgehalten wird2. Für die Feststellung der Verkaufsabsicht ist ein gewichtiges Indiz, dass sich das betreffende Lebensmittel in einem verkaufsfertigen Zustand befindet, mithin der Herstellungsprozess abgeschlossen ist und die im Betrieb vorgesehenen Kontrollmaßnahmen durchlaufen hat. Ist dies geschehen, so kann es auch genügen, dass das Lebensmittel in einer Kühlung im nicht verkaufsoffenen Bereich des Unternehmens aufbewahrt wird3. Nach diesen Maßstäben war das auf den Drehspieß im Verkaufsbereich des Betriebs des Antragstellers aufgezogene Puten-Hähnchenfleisch bei der Probeentnahme bereits in den Verkehr gebracht. Die weiteren vor der Abgabe an den Endverbraucher durchzuführenden Schritte – nach allgemeiner Lebenserfahrung sind dies das Abtrennen von Fleischstücken von dem Drehspieß mit dem Schneidemesser sowie das Einbringen in die Teigtasche oder -rolle – stehen einer Verkaufsabsicht nicht entgegen. Sie dienen insbesondere weder der Prüfung noch der Beseitigung einer Kontamination.

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II. Ergebnis / Fazit:
Das VG Karlsruhe hat eine Untersuchung von Putenfleisch und einer zweiten Probe vom Arbeitsgerät als ausreichend für die Anforderung bzgl. mindestens zwei Untersuchungen eingestuft.
Ferner wurde dargelegt, dass der Tatbestand eines Bereithaltens zu Verkaufszwecken bereits dann anzunehmen ist, wenn das betreffende Lebensmittel mit der inneren Absicht des Verkaufs bereitgehalten wird.
Die Entscheidung stärkt die behördliche Transparenzpflicht und Informationsrechte der Verbraucher. Welche konkreten Auswirkungen dieser Beschluss auf zukünftige Veröffentlichungsverfahren hat, bleibt abzuwarten – wir halten Sie auf dem Laufenden.
Weiterführende Links:
Die Veröffentlichung von Verstößen unter Benennung der Unternehmen wird auch im Praxishandbuch Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen, Ludwig, 8. Auflage, Oktober 2024, abgehandelt.
Die Verfahren nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB wurden auch mit vorausgehenden Newslettern schon näher beleuchtet: Veröffentlichung auf der Grundlage des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB
Stephan Ludwig
Landratsamt Göppingen, Lebensmittelüberwachung
1 vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.4.2020 – 9 S 2943/19 –, juris Rn. 17 ff.; VG Ansbach, Beschluss vom 31.8.2022 – AN 14 E 22.130 –, BeckRS 2022, 23334, Rn. 46, und Bayerischer VGH, Beschluss vom 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 –, juris Rn. 16; a. A. offenbar Streinz/Meisterernst/Holle, 2. Aufl. 2025, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch § 40 Rn. 86
2 vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 7.3.2024 – 3 MB 28/23 –, juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.10.2024 – 9 S 1010/24 –, juris Rn. 16; Rathke, in: Sosnitza/Meisterernst, Lebensmitterecht, Stand: November 2023, EG-Lebensmittel-Basisverordnung Art. 3 Rn. 43
3 vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 7.3.2024 – 3 MB 28/23 –, juris Rn. 8 f.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.5.2010 – 13 ME 181/09 –, juris Rn. 7; Rathke, in: Sosnitza/Meisterernst, Lebensmitterecht, Stand: November 2023, EG-Lebensmittel-Basisverordnung Art. 3 Rn. 43