rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Newsübersicht < Newsbeitrag

VGH Mannheim: Die Texte von lebensmittelrechtlichen Veröffentlichungen sind grundsätzlich nicht teilbar

Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB bleiben rechtlich umstritten: Laut VGH Mannheim ist der behördliche Text grundsätzlich als Ganzes zu bewerten, eine Teilbarkeit nur bei klar trennbaren Passagen zulässig. In den Fällen vor den VG Stuttgart und Freiburg wurden einzelne Textstellen beanstandet, die schließlich zur Untersagung der gesamten Veröffentlichung führten. Behörden sollten daher Texte konkret und sachlich formulieren, um Unzulässigkeit zu vermeiden.

Jetzt bewerten!
Ludwig

Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen online

inkl. zahlreicher Praxistipps und Erläuterungen

Jahrespreis‎ 81,00 €
Online-Produkt

I. Einleitung

Die Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße unter Benennung von Verstößen nach § 40 Abs. 1a LFGB bleibt ein Brennpunkt. Das Bundesverfassungsgericht und die übrige Rechtsprechung betonen, dass die Texte einerseits für die Verbraucher verständlich sein müssen und andererseits keine Fehlvorstellungen erzeugen dürfen. Die jüngsten Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Freiburg sowie die anschließenden Beschlüsse des VGH Mannheim verdeutlichen, dass auch die Frage der Teilbarkeit von Texten maßgeblich ist. Folglich können einzelne Mängel in Textpassagen zur Unzulässigkeit der gesamten Veröffentlichung führen. Diese Entwicklungen und die Auswirkungen auf die Praxis werden nachfolgend beleuchtet.

18469-HJR-Website2023-04-RZ-Newsletter.webp

Beste Antworten.

Newsletter Lebensmittelhygienerecht

wir halten Sie regelmäßig über neue Entwicklungen und Produktempfehlungen zum Verbraucherschutz und Lebensmittelhygienerecht auf dem Laufenden.

II. Sachverhalt

Der § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB fordert die unverzügliche behördliche Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße unter Benennung der Unternehmen. Diese Rechtsfolge tritt bei einem hinreichend begründeten Verdacht bzgl. folgender Tatbestände ein:

  • nicht unerhebliche
  • oder wiederholte Verstöße
  • und eine Bußgeldprognose von mindestens 350,- €.

In zwei Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Stuttgart und Freiburg wurde jeweils ein Teil des behördlichen Veröffentlichungstextes als unzulässig und folglich nicht veröffentlichungsfähig bemängelt.

Mit Beschluss1 vom 15.05.2025 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart der Behörde im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den Satz „Der Betrieb war im Allgemeinen erheblich verunreinigt“ zu veröffentlichen. Im Übrigen wurde der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgfelehnt.

Beim Fall vor dem Verwaltungsgericht Freiburg2 wurde die Veröffentlichung insoweit untersagt, als dass in Satz 1 der Passus „in den Betriebsräumen“ enthalten ist und in den Sätzen 7 und 8 ausgeführt wird: „Unter dem Kühlaggregat des Getränkekühlschranks gegenüber der Verkaufstheke wurden fünf tote Mäuse vorgefunden. In der Bäckereistube im hinteren Bereich der Filiale wurden unter dem Handwaschbecken und der Gefriertruhe erhebliche Mengen an Schadnagerkot vorgefunden.“ Im Übrigen wurde der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.

Die Unternehmen bzw. Antragsteller haben jeweils Beschwerde gegen die Ablehnung des einstweiligen Rechtschutzes erhoben. Im Ergebnis hat der VGH Mannheim mit den Beschlüssen vom 11.11.2025 -9 S 1008/25- und 12.11.2025 -9 S 987/25- die Veröffentlichungen jeweils insgesamt untersagt. Dies stützt sich auf folgende amtliche Leitsätze:

  1. Streitgegenstand eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auf Unterlassung der Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB im Internet (www.verbraucherinfo-...de) ist grundsätzlich der von der Behörde formulierte Veröffentlichungstext als Ganzes.
  2. Eine Teilbarkeit dieses Streitgegenstands kommt allenfalls in Betracht, wenn der Veröffentlichungstext Passagen enthält, die nach Form und Inhalt des Textes eigenständig für sich zu betrachten sind und von der Behörde auch isoliert betrachtet wurden, z. B. wenn über verschiedene Verstöße informiert wird und einzelne Feststellungen die anderen Aussagen im Veröffentlichungstext in keiner Weise berühren und auch das Vorgehen der Behörde für sich genommen ersichtlich nicht mitbestimmt haben.

III. Fazit:

Die beiden Beschlüsse des VGH und amtlichen Leitsätze ergeben folgende interessante Aspekte für die Praxis:

Der VGH betont3 in beiden Verfahren, dass die Behörde als Antragsgegner keine Anschlussbeschwerde erhoben hat. Folglich war der VGH nicht zur Prüfung angehalten und durfte vielmehr auch nicht prüfen, ob der VGH derselben Meinung wie das Verwaltungsgericht hinsichtlich des stattgegebenen Teils des Antrags war. Diesbezüglich hat der VGH bereits in einem vormaligen Verfahren4 mit dem Landratsamt Göppingen die Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde geklärt. Mit Bezug auf die Behördenpraxis ist somit auf die Möglichkeit der Anschlussbeschwerde hinzuweisen, wonach auch bei einer teils nachteiligen Entscheidung in erster Instanz quasi doch noch ein vollumfänglicher Erfolg in der Beschwerdeinstanz möglich sein kann.

In beiden Verfahren hat der VGH die Verzahnung der unzulässigen Textbestandteile sowohl mit dem übrigen Text als auch mit den inhaltlichen Fragen z. B. der Bußgeldprognose dargelegt. Dies unterstreicht die Schlussfolgerung in den amtlichen Leitsätzen, wonach der gesamte formulierte Veröffentlichungstext regelmäßig als Streitgegenstand einzuordnen ist und eine Teilung nur bei klarer Abtrennungsmöglichkeit in Betracht kommen kann. Für die behördliche Praxis bedeutet dies:

  • Feststellungen sind so konkret als möglich anzuführen
  • zu abstrahierte Passagen zumindest mit unklarem Bezug zu konkreten Feststellungen sind zu vermeiden; d. h. erforderliche Gesamtbewertungen müssen einen klaren Bezug zum gesamten Szenario oder konkret benannten Teilaspekten haben

Die weiteren Entwicklungen rund um die lebensmittelrechtlichen Veröffentlichungen versprechen Spannung – wir halten Sie auf dem Laufenden!

Die Veröffentlichung von Verstößen unter Benennung der Unternehmen wird auch im Praxishandbuch Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen, Ludwig, 8. Auflage, Oktober 2024, abgehandelt.

Die Verfahren nach § 40 Abs. 1a LFGB werden auch mit vorausgehenden Newslettern näher beleuchtet:

Stephan Ludwig
Abteilungsleiter Lebensmittelüberwachung, Landratsamt Göppingen


1 16 K 2460/25
2 Beschluss v. 2.5.2025 – 14 K 836/25
3 Vgl. jeweils Rn. 15 im Beschluss des VGH vom 11.11.2025 – 9 S 1008/25 und im Beschluss vom 12.11.2025 – 9 S 987/25
4 VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12. 2. 2020 – 9 S 2637/19

Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
1 Kommentar zu diesem Beitrag
kommentiert am 04.12.2025 um 11:59

Ein hochinteressanter Kommentar, der zeigt, das es sehr viel Fachkompetenz benötigt um solche Urteile verständlich zu erläutern.
SX_LOGIN_LAYER