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Welche Temperaturanforderungen gelten für die Aufbewahrung von vorverpacktem Sushi?

Das VG Regensburg ist in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit Beschluss vom 09.04.2025 -RN 5S 25.193- der Auffassung eines Lebensmittelunternehmens gefolgt, wonach eine Aufbewahrung von vorverpacktem Sushi bei maximal +7 °C ausreicht und keine +4 °C erforderlich sind. Damit wurde das Sushi nicht als frisches Fischereierzeugnis im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 eingestuft. Die grundsätzliche Klärung der Frage wurde jedoch in die sogenannten Hauptsacheverfahren verwiesen.

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I. Sach- und Rechtslage:

Sushi ist ein traditionelles japanisches Gericht, das aus erkaltetem, gesäuertem Reis besteht, kombiniert mit Zutaten wie rohem oder geräuchertem Fisch, Meeresfrüchten, Gemüse, Tofu oder Ei. Es wird oft mit Wasabi, Sojasauce und eingelegtem Ingwer serviert. Das Traditionsgericht wird seit 1959 nachweislich auch in Amerika verzehrt, ab 1963 in sogenannten Sushi-Bars und auch in Deutschland erfährt es weiterhin wachsender Beliebtheit1.

Mit Bezug auf die Temperaturanforderungen bei der Aufbewahrung im Einzelhandel stellt sich die Frage, ob Sushi mit dem regelmäßigen Anteil von rohem Fisch als frisches Fischereierzeugnis einzustufen ist oder ob aufgrund beispielsweise der geltend gemachten konservierenden Wirkung von gesäuertem Reis eine ausreichende Risikobeherrschung bereits gegeben ist. Für frische Fischereierzeugnisse legt die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 in Anhang III Abschnitt VIII Kapitel III Buchstabe A Nr. 4 in Verbindung mit den Regelungen des Codex Alimentarius eine Aufbewahrungstemperatur von maximal +4 °C fest. Sofern es sich bei Sushi um kein frisches Fischereierzeugnis handeln würde, kommt in Verbindung mit den unternehmerischen Risikomanagementsystemen nach Art. 5 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 auch eine Aufbewahrungstemperatur von maximal +7 °C in Betracht.

Mit einer solchen Frage hat sich das VG Regensburg mit Beschluss v. 09.04.2025 -RN 5 S 25.193- beschäftigt. Dabei wurden zwei Proben Sushi untersucht. Die Erzeugnisse wurden sensorisch und mikrobiologisch jeweils nicht beanstandet. Das Untersuchungsamt hat das Sushi jedoch als frisches Fischereierzeugnis eingestuft und folglich den Aufbewahrungshinweis und die entsprechende Praxis bei maximal +7 °C beanstandet. Das Unternehmen hat dies bestritten in Verbindung mit rechtlichen Erwägungen sowie des Risikomanagements. Das VG hat im Ergebnis vorläufig eine Aufbewahrung bei maximal +7 °C für ausreichend erachtet. Die grundsätzliche Frage wurde jedoch in das Hauptsacheverfahren mit der Möglichkeit einer tiefgreiferenden Beweiswürdigung verwiesen.

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II. Ergebnis und Fazit

Bei der Rechtsauslegung ist für die etwaige Einstufung von Sushi als frisches Fischereierzeugnis neben der Fachfrage der Einordnung auch das Risikomanagement in Verbindung mit dem primärem Normschutzziel des Lebensmittelrechts relevant. Das primäre Normschutzziel eines angemessen hohen Gesundheits- und Verbraucherschutzniveaus ist sowohl im Unionsprimärrecht als auch in Verbindung mit Risikoanalysen im Lebensmittelrecht verankert2. Das auf HACCP-Grundsätzen beruhende unternehmerische Risikomanagementsystem für Lebensmittelsicherheit gemäß Art. 5 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 verlang grundsätzlich eine Risikoreduktion auf ein tolerables Niveau. Dabei ist im vorliegenden Fall insbesondere relevant, ob die geltend gemachte Wirkung von gesäuertem Reis ausreichend ist.

Der Arbeitskreis der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätiger Sachverständiger -ALTS- ist gemäß Beschluss 2022/89/19 der Auffassung, dass Sushi mit Verwendung von rohen Fischereierzeugnissen unter fachlichen Gesichtspunkten genauso einzustufen sei wie ein „frisches Fischereierzeugnis“, d.h. es müsse auch auf der Stufe des Einzelhandels bei Temperaturen von annähernd schmelzendem Eis bei maximal +4 °C gelagert werden. Diese Auffassung vertrat auch die zuständige Überwachungsbehörde im erwähnten Einzelfall und das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

In zwei zusammenhängenden Vorträgen3 bei der 63. Arbeitstagung Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz im September 2023 in Garmisch-Partenkirchen wurde bei Sushi, als weiterhin zunehmend beliebte Speise, die insbesondere mikrobiellen Risiken und essentiellen Risikomanagementmaßnahmen beleuchtet. Bei diesen Untersuchungen wurden zwar pathogene Mikroorganismen wie Salmonellen und Shiga-Toxin-bildende Escherichia coli -STEC- nicht festgestellt, jedoch war Listeria monocytogenes in 25g nachweisbar. Ebenso wurden teils sehr hohe Keimzahlen bzgl. Hefen, Pseudomonaden und Enterobacteriaceae als Indikatoren auch für einen beginnenden Verderb und eintretende sensorische Veränderungen festgestellt. Aus der Historie wurde beispielhaft über einzelne Erkrankungsfälle in Verbindung mit einem Geschehen 2017 auf Hawaii mit Hepatitis-A-Virus und 292 erkrankten sowie 74 hospitalisierten Personen berichtet, sowie 12 Erkrankte in Verbindung mit Salmonella Singapore und einem Geschehen 2004 in Queensland, Australien. Diese Sachverhalte unterstreichen die grundsätzlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass ein Verzehr von rohem Fisch naturgemäß mit mikrobiellen Risiken einschließlich Gesundheitsgefahren einhergehen kann. Demzufolge wurde mit den Vorträgen auch übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass nach den vorgestellten mikrobiologischen Untersuchungsergebnissen der Hygienestatus von Sushi als kritisch einzustufen und daher die Einhaltung der Temperaturanforderungen essentiell ist.

Vor diesem Hintergrund scheint es möglich, dass für das VG Regensburg die mikrobiell und sensorisch unauffälligen Proben in Verbindung mit dem unternehmerischen Vortrag und der bereits gegebenen unternehmerischen Praxis im Einzelfall höherwertiger erschienen als die vorbeugenden Gesundheitsschutzmaßnahmen mit den stringenteren Temperaturanforderungen. Aufgrund des Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren darf das Unternehmen vorläufig die Praxis hinsichtlich einer Aufbewahrung bei maximal +7 °C beibehalten.

Im Ergebnis gehen mit dem Verzehr von Speisen mit einem Anteil an rohem Fisch hohe mikrobielle Risiken einschließlich Gesundheitsgefahren einher. Vor diesem Hintergrund sind derartige Lebensmittel nur als (noch) sicher bzw. verkehrsfähig anzusehen, da gemäß EU-Verbraucherleitbild von einer Kenntnis der Verbraucher über die einschlägigen Risiken und einer entsprechend bewussten Risikoannahme ausgegangen werden kann4. Für die Lebensmittelunternehmen bedeutet dies, dass bei Sushi und dem zugehörigen Risikomanagement die Einhaltung der Hygienevorgaben beispielsweise hinsichtlich Frische der Zutaten, vorschriftsmäßiges vorheriges Tiefgefrieren des rohen Fisches zur Abtötung etwaiger Parasiten, einwandfreie Arbeitshygiene und die Einhaltung der Temperaturanforderungen essentiell sind. Auch bei der Einhaltung dieser Anforderungen ist ein Restrisiko unvermeidbar und die Entscheidung über einen Verzehr von Sushi liegt schlussendlich im Verantwortungsbereich des Verbrauchers selbst. Der Verfasser ist Sushi-Liebhaber und mit Bezug auf die vorliegende Fragestellung der Auffassung, dass weiterhin eine vorsorgliche Kühlung und Aufbewahrung bei nicht mehr als +4 °C angemessen wäre, zumindest bis eine belastbarere Datenlage zur geltend gemachten konservierenden Wirkung von gesäuertem Reis vorliegen. Die Gesundheitsschutzaspekte rechtfertigen entsprechende wirtschaftliche Aufwendungen ggf. bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren bzw. klärende Rechtsprechung und als rechtliche Brücke der einschlägigen Ermächtigungen steht das Vorsorgeprinzip nach Art. 7 der Basisverordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Verfügung.

Die Grundsätze für Lebensmittelsicherheitsbewertungen und das Risikomanagement mit beispielhaften behördlichen Entscheidungen werden auch im Praxishandbuch „Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen“, Ludwig, 8. Auflage, 2024, unter Kapitel 1.4 ff. abgehandelt.

Stephan Ludwig
Landratsamt Göppingen, Lebensmittelüberwachung


1 Vgl. Vorträge „Sushi – eine Gefahr, ein Risiko oder ein Genuss?“ von K. K. Nguyen und „Trends bei den rechtlichen Entwicklungen von Sicherheitsbewertungen - Betriebsschließung Sushi-Gastronomie“ von S. Ludwig bei der 63. Arbeitstagung Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz im September 2023 in Garmisch-Partenkirchen
2 Sosnitza/Meisterernst/Ludwig V (EG) 178/2002 Art. 11 Rn. 1-3 und Sosnitza/Meisterernst/Ludwig EG-Lebensmittel-Basisverordnung Art. 50 Rn. 52-54
3 Siehe 1
4 Kapitel 1.4.2 in „Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen“, Ludwig, 8. Auflage 2024

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