Auftakt Tarifrunde öffentlicher Dienst: keine Annäherung erzielt
Der Auftakt der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen am 21. März 2016 in Potsdam hat bestätigt, dass die Parteien weit auseinanderliegen. Beide Seiten haben ihre Positionen ausgelotet. Zu einer Annäherung kam es nicht. Die Gewerkschaften kündigten erste Aktionen an.
Stellungnahmen der Arbeitgeber:
Bundesinnenminister
Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière als Verhandlungsführer für den Bund erwartet „schwierige, aber lösbare Verhandlungen“, und hofft bis Ende April auf eine Einigung. Er nannte die Forderungen der Gewerkschaften in Höhe von 6 Prozent vor Beginn der Gespräche „unangemessen und überzogen. Sie lassen das nötige Augenmaß vermissen und liegen oberhalb der Forderungen der Industriegewerkschaften, obwohl es gegenüber dem privaten Sektor keinen Nahholbedarf gibt. Wir wissen, dass die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gut arbeiten, deswegen werden sie auch eine Lohnerhöhung bekommen, aber nicht annähernd in der Höhe der geforderten 6 Prozent.“
Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA)
„Wir können uns eine angemessene Entwicklung der Entgelte für die Beschäftigten vorstellen. Das haben wir auch heute noch einmal betont. Aber angesichts einer Inflationsrate von gegenwärtig Null und der angespannten Haushaltslage der Kommunen sind 6 Prozent, so wie gefordert, nicht darstellbar“, sagte VKA-Präsident Thomas Böhle.
Die kommunale Verschuldung ist 2015 auf einen neuen Rekordwert von 145 Milliarden angewachsen. Der Investitionsrückstand liegt bei über 130 Milliarden. „Den von den Gewerkschaften behaupteten Nachholbedarf gibt es nicht. Zwischen 2008 und 2015 sind die Verdienste bei den kommunalen Arbeitgebern um 23,9 Prozent gestiegen. Die Tariflöhne in der Gesamtwirtschaft haben sich im gleichen Zeitraum nur um 20,4 Prozent erhöhte“, sagte Böhle weiter.
Die kommunalen Arbeitgeber starten in die diesjährige Tarifrunde darüber hinaus mit zentralen eigenen Forderungen.
„Wir müssen die Stellschrauben der betrieblichen Altersvorsorge im öffentlichen Dienst dringend neu justieren, so dass die Zusatzversorgung auch langfristig finanzierbar bleibt. Das schließt auch Leistungseinschnitte mit ein“, so VKA-Präsident Dr. Thomas Böhle. Durch die stetig gestiegene Lebenserwartung seien die Tarifverträge über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes überholt.
Beide Seiten haben die Absicht bekräftigt, die Verhandlungen zur Entgeltordnung zum Abschluss zu bringen. „Wir haben den Gewerkschaften gegenüber deutlich gemacht, dass die vereinbarte angemessene Kompensation der Mehrkosten für die Arbeitgeber an dieser Stelle ein zentraler Punkt ist. Hierüber werden wir uns mit den Gewerkschaften im Rahmen der Tarifrunde verständigen müssen“, sagte Thomas Böhle abschließend.
Stellungnahmen der Gewerkschaften:
ver.di
„Wir haben uns ausgetauscht, aber nicht angenähert“ sagte der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und Verhandlungsführer Frank Bsirske. Die Arbeitgeber würden an einem Eingriff in das Leistungsrecht der betrieblichen Altersversorgung festhalten. „Das ist aus gewerkschaftlicher Sicht ein No-Go“, erklärte Bsirske.
Man werde die Mitglieder umgehend über den Stand der Verhandlungen informieren. Aktionen der Gewerkschaftsmitglieder noch vor der zweiten Verhandlungsrunde schloss Bsirske nicht aus.
Die GEW kündigte erste Warnstreiks an. „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben insbesondere in den vergangenen Monaten gerade mit Blick auf die Flüchtlingsfrage sehr gute Arbeit geleistet. Die Steuereinnahmen übertreffen die Vorausberechnungen so stark, dass der Finanzminister erheblichen Spielraum hat. Jetzt müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Anteil an dieser Entwicklung erhalten“, sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe nach der Verhandlungsrunde. Sie wies darauf hin, dass die Konjunktur gut laufe und immer stark vom privaten Konsum getragen werde.
„Eine ordentliche Gehaltssteigerung soll diese Entwicklung stabilisieren und die Kaufkraft der Beschäftigten stärken“. Tepe machte noch einmal deutlich, dass der öffentliche Dienst bei der Gehaltsentwicklung gegenüber der Wirtschaft immer noch Nachholbedarf habe. „Außerdem muss die Arbeit bei Bund und Kommunen attraktiv bleiben: Nur so können gute Nachwuchs- und qualifizierte Fachkräfte gewonnen werden.“
dbb
„Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben besonders in den vergangenen Monaten bis zum Umfallen gearbeitet. Es ist an der Zeit, das zu honorieren. Jetzt ist Zahltag!“ Mit diesen Worten hat der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Tarifpolitik des dbb, Willi Russ, vor dem Beginn der Tarifverhandlungen die Forderung nach sechs Prozent mehr Einkommen für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen untermauert.
„Die Versorgung der Flüchtlinge war ein Kraftakt. Gelungen ist er nur durch die unglaubliche Einsatzbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen. Das verdient Anerkennung“, sagte Russ. Die wirtschaftliche Entwicklung sei immer noch sehr gut, die Steuereinnahmen hoch. „Wenn Deutschland es in dieser Situation nicht schafft, die hervorragende Arbeit seiner Beschäftigten fair zu bezahlen, käme das einer Bankrotterklärung gleich. Und wäre außerdem ein fatales Signal an den qualifizierten Nachwuchs und die berufserfahrenen Fachkräfte, die wir für die kommenden Aufgaben so dringend gewinnen müssen.“
Die Bürgerinnen und Bürger vertrauten auf einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst. „Denn der ist die Grundlage für soziale Sicherheit und wirtschaftlichen Erfolg. Und damit letztlich für ein funktionierendes Gemeinwesen. Dieses Vertrauen sollten wir nicht enttäuschen“, mahnte Russ.
Quelle: Pressemitteilungen der Tarifpartner vom 21.3.2016
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
