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Forderungen des Marburger Bundes für Ärzte an kommunalen Krankenhäusern

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Am 21. Januar 2019 beginnen die Tarifverhandlungen für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (Tarifvertrag: TV-Ärzte/VKA). Der Marburger Bund (MB) hat hierfür seine Forderungen vorgestellt.

Betroffen sind rund 55.000 Ärztinnen und Ärzte in den bundesweit mehr als 500 kommunalen Kliniken.

 

 

Dazu der Marburger Bund im Einzelnen:

 

Hoher Druck, zu wenig Freizeit, zu wenig Schlaf – das ist für die meisten Ärztinnen und Ärzte in deutschen Krankenhäusern eine alltägliche Erfahrung. Der Marburger Bund macht dagegen mobil. In den anstehenden Tarifverhandlungen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) setzt die Ärztegewerkschaft auf mehr Planungssicherheit, klare Höchstgrenzen und eine manipulationsfreie Erfassung der Arbeitszeit.

 

„Wir treten an für einen neuen Umgang der Krankenhäuser mit der Arbeitszeit ihrer Ärztinnen und Ärzte. Heute verstoßen etliche Krankenhäuser landauf landab gegen die Regeln der Arbeitskunde und sorgen in einem gewaltigen Umfang für mehr Fluktuation in den ärztlichen Belegschaften, als der dort verlangten Teamleistung guttut. Unsere Forderungen in der kommenden Tarifrunde sind deshalb darauf gerichtet, die Gesamtarbeitslast zu reduzieren und Überlastungen der Ärzte entgegenzuwirken“, erklärte Rudolf Henke. 1. Vorsitzender des Marburger Bundes, am 18.12.2018 bei der Präsentation der Forderungen des MB für die Tarifrunde mit der VKA.

 

„Praktisch alle Krankenhausärzte erbringen Arbeitsleistungen außerhalb der typischen Tagesarbeitszeiten. Häufige Nachtarbeit aber kann die Schlafqualität verschlechtern und auch auf diesem Weg langfristig Burnout und Depressionen begünstigen. Gerade in der gesundheitlichen Versorgung können Fehler infolge Müdigkeit und Erschöpfung schwerwiegende Folgen haben. Die heutige Arbeitszeitgestaltung von Ärztinnen und Ärzten im Krankenhaus nimmt aber auf arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse viel zu wenig Bezug. Stattdessen sind kurzfristige Dienstverpflichtungen an eigentlich freien Tagen eher die Regel als die Ausnahme“, sagte Henke.

 

Grundbedingung für jede gezielte Verbesserung ist eine exakte Erfassung der Arbeitszeit. „Wir brauchen eine objektive, automatisierte und manipulationsfreie Arbeitszeiterfassung in den Krankenhäusern. Ohne solche vom MB lizensierte Systeme werden wir die Anordnung von Bereitschaftsdienst nicht mehr erlauben“, bekräftigte Dr. Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des MB. Die derzeitige, völlig unsystematische Praxis der Arbeitszeitdokumentation sei geprägt von pauschalen und nachträglichen Kappungen der geleisteten Arbeitszeit. In den Geschäftsführungen vieler Krankenhäuser fehle es weitgehend an Unrechtsbewusstsein. Die erfassten Arbeitszeiten würden im Nachgang „passend gemacht“, Überschreitungen von Höchstgrenzen blieben unberücksichtigt. Die Vorgaben des Tarifvertrags müssten deshalb geschärft werden. Botzlar: „Die gesamte Anwesenheitszeit der Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus ist als Arbeitszeit zu werten.“

 

Zusätzlich müsse die Anordnung von Bereitschaftsdienst an die Bedingung geknüpft werden, innerhalb eines Kalendermonats zwei Wochenenden in der Zeit von freitags 18:00 Uhr bis montags 07:00 Uhr von jedweder Arbeitsleistung (regelmäßige Arbeitszeit, Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst) frei zu halten. „Auch die Verlässlichkeit der Dienstplangestaltung wollen wir zur Voraussetzung machen, dass überhaupt Bereitschaftsdienst angeordnet werden kann. Die endgültige Dienstplanung muss sechs Wochen vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraums bekannt gegeben werden“, forderte Botzlar.

 

Notwendig seien auch klare Höchstgrenzen. „Bereitschaftsdienste sind notwendig, um den 24-Stunden-Betrieb der Krankenhäuser aufrechtzuerhalten. Das steht für uns außer Frage. Wir sind aber überzeugt, dass insbesondere Nachtdienste einer Begrenzung bedürfen, um Arbeitszeitexzesse zu verhindern, Ärztinnen und Ärzte vor psychischer und physischer Überforderung zu schützen und damit auch die Patientensicherheit besser zu gewährleisten“, erläuterte Botzlar. Im Anschluss an einen Bereitschaftsdienst dürfe es auch keine regelmäßige Arbeitszeit mehr geben.

 

Es verstehe sich von selbst, dass auch die angestellten Ärztinnen und Ärzte in den kommunalen Krankenhäusern an der allgemeinen Tarifentwicklung teilhaben müssten. Deshalb fordere der MB in dieser Tarifrunde eine lineare Erhöhung der Ärztegehälter um fünf Prozent bei einer einjährigen Laufzeit.

 

„In Anbetracht der Situation in den Krankenhäusern hat der MB klare Erwartungen an die kommunalen Arbeitgeber“, betonte Rudolf Henke. „Klar ist aber auch, dass wir die notwendigen Veränderungen gemeinsam mit den Arbeitgebern angehen wollen. Die VKA sollte den Umstand, dass wir den Tarifvertrag einstweilen nicht vollständig gekündigt haben, auch als deutliches Signal in diese Richtung verstehen.“

 

Es gelte auch, die unterbrochenen Verhandlungen mit der VKA über einen Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst fortzusetzen. „Wir wollen diesen tariflosen Zustand endlich überwinden und damit die Tarifbindung in einem wichtigen Bereich der ärztlichen Versorgung stärken“, sagte Henke.

 

 

Forderungskatalog des Marburger Bundes

 

Die große Tarifkommission des Marburger Bundes hat für die anstehenden Tarifverhandlungen die folgenden Forderungen beschlossen:

 

I.    Ab dem 1. Januar 2019 ist die Anordnung von Bereitschaftsdienst im Rahmen der objektiven Arbeitszeiterfassung (§ 14 TV-Ärzte/VKA) nur unter der weiteren Voraussetzung zulässig, dass diese automatisiert, manipulationsfrei und durch vom Marburger Bund lizensierte Systeme erfolgt. Dabei sind unter anderem folgende Maßgaben zu beachten.

- die gesamte Anwesenheitszeit der Ärztinnen und Ärzte wird als Arbeitszeit gewertet,

- insbesondere eine Kappung von Arbeitszeiten zur Dokumentation einer tatsächlich nicht vorhandenen Kongruenz mit den arbeitszeitrechtlichen Vorschriften ist ebenso unzulässig wie der Abzug von Pausenzeiten, sofern diese nicht tatsächlich gewährt worden sind,

- die Zeiterfassung erfolgt an der durch den Arzt genutzten Zugangseinrichtung.

 

II.   Ab dem 1. Januar 2019 ist die Anordnung von Bereitschaftsdienst nur dann zulässig, wenn innerhalb eines Kalendermonats zwei Wochenenden in der Zeit von freitags 18:00 Uhr bis montags 07:00 Uhr von jedweder Arbeitsleistung (regelmäßige Arbeit, Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst) frei sind; Urlaubszeiten bleiben hierbei unberücksichtigt.

 

III.  Ab dem 1. Januar 2019 setzt die Anordnung von Bereitschaftsdienst voraus, dass an den 11 vorausgehenden Kalendertagen keine Arbeitsabschnitte im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als jeweils zusammenhängend 10 Stunden Dauer geleistet worden sind.

 

IV.  Ab dem 1. Januar 2019 ist die Anordnung von Bereitschaftsdienst nur unter der weiteren Voraussetzung zulässig, dass die endgültige Dienstplanung sechs Wochen vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraums bekannt gegeben ist. Die Verletzung dieser Frist wird, ebenso wie die kurzfristige Verpflichtung des Arztes zur Arbeitsaufnahme in Abweichung von der Dienstplanung, mit Sanktionen bewehrt.

 

V.   Ab dem 1. Januar 2019 ist die Anordnung von Bereitschaftsdienst im Verlauf eines Kalendervierteljahres durchschnittlich nur viermal monatlich, maximal sechsmal monatlich und in der einzelnen Kalenderwoche maximal zweimal zulässig; als ein Bereitschaftsdienst zählt unabhängig von seiner Gesamtdauer die Zeitspanne von Beginn bis Ende des jeweiligen Dienstes.

 

VI.  Ab dem 1. Januar 2019 wird die in § 10 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA vorgesehene Möglichkeit zur Verlängerung der täglichen Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes auf Fälle beschränkt, in denen sich die Leistung von Bereitschaftsdienst an einen maximal acht Stunden dauernden Arbeitsabschnitt im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit anschließt. Ein weiterer Arbeitsabschnitt im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit oder die Anordnung von Rufbereitschaft im Anschluss an einen Bereitschaftsdienst sind nicht zulässig.

 

VII. Ab dem 1. Januar 2019 erhält die Tabelle für das Bereitschaftsdienstentgelt (§ 10 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA) die folgende Fassung:

     

     

EG

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Stufe 5

Stufe 6

I

26,58 €

28,09 €

29,16 €

31,03 €

33,25 €

34,16 €

II

35,08 €

38,02 €

40,60 €

42,11 €

43,58 €

45,05 €

III

43,94 €

46,52 €

50,22 €

 

 

 

IV

51,69 €

55,38 €

 

 

 

 

 

VIII.      Ab dem 1. Januar 2019 wird ein neuer § 12 Abs. 7 TV-Ärzte/VKA mit dem folgenden Wortlaut eingefügt: Der Arzt erhält für jede Stunde, für die Bereitschaftsdienst angeordnet ist, einen nicht in Freizeit ausgleichbaren Bereitschaftsdienstzuschlag von 50 v. H. des auf die Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts nach § 18 TV-Ärzte/VKA.“

 

IX.  Die Tabellenentgelte nach der Anlage zu § 18 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte/VKA (einschließlich der Beträge aus einer individuellen Zwischenstufe und aus einer individuellen Endstufe gem. § 6 Abs. 4 TVÜ-Ärzte/VKA) werden ab dem 1. Januar 2019 um 5,0 v. H. angehoben.

 

X.   Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 1 Jahr.

XI.  Die unterbrochenen Tarifverhandlungen für einen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte außerhalb der kommunalen Kliniken in Sonderheit im öffentlichen Gesundheitsdienst werden fortgesetzt.

 

XII. Die Tarifvertragsparteien werden durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass die Verdrängung des Tarifvertrags aufgrund § 4a TVG ausgeschlossen ist (Anlage Musterklauseln).

 

 

Quelle: Pressemitteilung des MB vom 18.12.2018

 

 

 

VKA: „Forderungen des MB für kommunale Krankenhäuser untragbar“

 

 

Am Dienstag hat die Ärztegewerkschaft Marburger Bund ihre Forderungen für die im Januar 2019 anstehende Tarifrunde veröffentlicht: Ärztinnen und Ärzte an den kommunalen Kliniken sollen fünf Prozent mehr Gehalt bekommen. Darüber hinaus soll die Möglichkeit, Bereitschaftsdienste anzuordnen, durch zahlreiche Regelungen stark eingeschränkt werden. Die Bereitschaftsdienstentgelte sollen um mindestens 40 Prozent, in den höchsten Entgeltgruppen sogar um bis zu 110 Prozent erhöht werden.

 

Insgesamt beinhaltet das Forderungspaket ein Gesamtvolumen von rund 521 Mio. Euro, was bei der geforderten Laufzeit von einem Jahr im Schnitt einer prozentualen Mehrbelastung von rund 9,5 Prozent entspricht.

 

„Diese Forderungen sind für die Krankenhäuser nicht leistbar und sprengen jeglichen Rahmen.“, sagt Dr. Dirk Tenzer, Verhandlungsführer der VKA.

 

Zum Vergleich: Die vom Gesetzgeber gesetzte Obergrenze für Preissteigerungen im Krankenhausbereich, die sogenannte Grundlohnrate, liegt im Jahr 2019 bei 2,65 Prozent. Alle darüber hinaus entstehenden Mehrkosten müssen die kommunalen Krankenhäuser durch Einsparungen an anderer Stelle ausgleichen.

 

„Die kommunalen Krankenhäuser müssen an 365 Tagen rund um die Uhr die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Würde die Befugnis, Bereitschaftsdienste anzuordnen, wie gefordert, eingegrenzt, könnte es hier zu erheblichen Einschnitten kommen. Denn insgesamt sind am Markt nicht ausreichend Ärztinnen und Ärzte vorhanden, um die dafür erforderlichen Kapazitäten abzudecken. Insbesondere bei kleinen Krankenhäusern sowie kleinen Abteilungen wären deutliche Einschränkungen des Leistungsspektrums die Folge.“, so Dr. Dirk Tenzer

 

In den vergangenen Tarifrunden ist den Belastungen der Ärztinnen und Ärzte, auch durch zahlreiche Verbesserungen bei der Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes, Rechnung getragen worden. Das zeigt sich auch an der vom Statistischen Bundesamt vorgelegten Entwicklung der Beschäftigten- und Belastungszahlen: In den vergangenen zehn Jahren ist die Anzahl an Ärztinnen und Ärzten (Vollkräfte) bei öffentlichen Krankenhäusern um 22,5 Prozent gestiegen, während die durchschnittliche Belastung (durch jährlich zu versorgende Fälle) im gleichen Zeitraum um 12,1 Prozent abgenommen hat.

 

Die Tarifverhandlungen für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (Tarifvertrag: TV-Ärzte/VKA) beginnen am 21. Januar 2019. Weitere Termine sind der 20./21. Februar und der 11./12. März 2019. Verhandlungsort ist jeweils Berlin.

 

Information:

Ärzte erhalten nach dem Tarifvertrag TV-Ärzte/VKA als Grundgehalt für eine 40-Stunden-Woche zwischen 4.402 Euro (Einstiegsgehalt Assistenzarzt) und 7.706 Euro (Oberarzt nach drei Jahren Tätigkeit). Hinzu kommen u. a. Vergütungen für Bereitschaftsdienste/Rufbereitschaft, Schichtzulagen etc. Hierdurch können die Ärztinnen und Ärzte bis zu 30 Prozent zusätzlich zu ihrem Grundgehalt verdienen.

 

 

Quelle: Presseinformation der VKA vom 18.12.2018

 

 

Bernhard Faber

Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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