Gewerkschaften fordern Einkommenserhöhung um 6 Prozent – Arbeitgeber vermissen Realitätssinn
Hier die Forderungen der Gewerkschaften:
ver.di:
Die Bundestarifkommission der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert für die Tarif- und Besoldungsrunde 2017 im öffentlichen Dienst der Länder Verbesserungen im Gesamtvolumen von 6 Prozent. Dies beinhaltet eine soziale Komponente in Form eines Sockel- oder Mindestbetrags und die Einführung der Stufe 6 in den Entgeltgruppen 9 bis 15 sowie strukturelle Verbesserungen in der Eingruppierung bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Dabei soll die Bezahlung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder sowie der Erzieherinnen und Erzieher in Berlin sowie bei den an den TV-L gebundenen Studentenwerken und den Beschäftigten in der Pflege an die der Kommunen angeglichen werden. Für die Auszubildenden fordert ver.di eine Erhöhung der Vergütungen um 90 Euro, mehr Urlaub und die Übernahme nach der Ausbildung. Zudem sollen die schulischen Ausbildungsgänge, z. B. in den Gesundheitsberufen, in die Tarifverträge einbezogen werden. Darüber hinaus fordert ver.di den Ausschluss sachgrundloser Befristungen im öffentlichen Dienst.
Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben im Verhältnis zur Tarifentwicklung in der Privatwirtschaft noch immer einen deutlichen Nachholbedarf“, betonte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske am Mittwoch in Berlin. Die Einkommensentwicklung sei in den vergangenen 15 Jahren deutlich langsamer verlaufen als in vielen anderen Branchen. „Deshalb brauchen wir spürbare Gehaltserhöhungen.“ Durch eine positive Reallohnentwicklung würde auch die Binnennachfrage weiterhin gestärkt werden.
Eine deutliche Erhöhung der Einkommen sei problemlos finanzierbar, da die Steuereinnahmen für den Gesamtstaat ebenso wie für die Länder bis zum Jahr 2020 deutlich stärker wachsen. Für die öffentlichen Haushalte werde auch für 2016 und 2017 ein Überschuss von etwa 20 Mrd. Euro prognostiziert. Für die Jahre 2016 bis 2020 werde mit einem durchschnittlichen Steuerzuwachs von 3,7 Prozent für die Länder gerechnet.
„Die Beschäftigten in Krankenhäusern, Verwaltungen und Betrieben und anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes arbeiten hochmotiviert für die öffentliche Daseinsvorsorge“, so Bsirske. „Von ihrer guten Arbeit profitieren alle. Da ist es nur mehr als richtig, wenn sie einen fairen Anteil am wirtschaftlichen Wachstum fordern und nicht weiter von der Privatwirtschaft abgekoppelt werden. Der öffentliche Dienst muss ein attraktiver Arbeitgeber sein.“
ver.di führt die Tarifverhandlungen als Verhandlungsführerin mit den DGB-Gewerkschaften GdP, GEW und IG BAU sowie in einer Verhandlungsgemeinschaft mit dem dbb beamtenbund und tarifunion. Die Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die rund eine Million Tarifbeschäftigte (800.000 Vollzeitstellen) und 40.000 Auszubildende im öffentlichen Dienst der Länder (außer Hessen) werden am 18. Januar 2017 in Berlin aufgenommen. ver.di fordert die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf die 1,1 Millionen Beamtinnen und Beamten sowie rund 700.000 Versorgungsempfänger im Bereich der Länder sowie 185.000 Beamtinnen und Beamte und 115.000 Versorgungsempfänger im Bereich der Kommunen.
Quelle: Pressemitteilung von ver.di vom 14.12.2016
dbb beamtenbund und tarifunion:
6 Prozent Einkommensplus lautet die Forderung des dbb für die Einkommensrunde im öffentlichen Dienst der Länder. „Die Landesbeschäftigten hinken den Kolleginnen und Kollegen bei Bund und Kommunen jetzt schon um rund vier Prozent hinterher“, erklärte dazu der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt am 14. Dezember 2016 in Berlin. „Diese wachsende Einkommensschere müssen wir schließen. Spürbare Gehaltszuwächse sind hierbei nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch wichtig für die Konkurrenzfähigkeit der Länder auf einem immer umkämpfteren Arbeitsmarkt.“
Die Kernpunkte der dbb-Forderung im Überblick:
- 6 Prozent Gesamtforderung, darin enthalten:
Mindestbetrag als soziale Komponente
Einführung einer Stufe 6 ab Entgeltgruppe 9
- Stufengleiche Höhergruppierung
- Erhöhung der Entgelte für alle Auszubildenden um 90 Euro und des Urlaubsanspruchs auf 30 Tage
- Übernahme aller Auszubildenden der Länder
- Laufzeit 12 Monate
- Zeit- und inhaltsgleiche Übertragung der Tarifeinigung auf die Beamten der Länder und Kommunen
- Weiterentwicklung der Entgeltordnung für Lehrkräfte (Erhöhung der Angleichungszulage)
- Weiterentwicklung der Entgeltordnung im Länderbereich
Neben den linearen Forderungen stehen in dieser Einkommensrunde auch wichtige strukturelle Entscheidungen an, betonte Willi Russ, der Zweite Vorsitzende und Verhandlungsführer des dbb: „Wir fordern die stufengleiche Höhergruppierung und die durchgehende Einführung einer Stufe 6 in der Tabelle. Außerdem verlangt der dbb eine deutliche Erhöhung der Angleichungszulage in der Lehrerentgeltordnung. Das ist die logische Konsequenz aus unserer Einigung mit der TdL vor zwei Jahren und der nächste Schritt auf dem Weg zur Herstellung der Paralleltabelle und zu einer gerechteren Bezahlung von Lehrerinnen und Lehrern.
Hintergrund:
Am 18. Januar 2017 starten die Verhandlungen über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), von denen mehr als drei Millionen Beschäftigte betroffen sind: Eine Million Tarifbeschäftigte der Länder (ohne Hessen, das nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder –TdL – ist), für die der TV-L direkte Auswirkungen hat, sowie 2,2 Millionen Beamte und Versorgungsempfänger in Ländern und Kommunen (ohne Hessen), auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll, um den Gleichklang der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung im öffentlichen Dienst zu gewährleisten. Weitere Verhandlungstermine wurden für den 30. Januar 2017 (Potsdam) und 16. Februar 2017 (Potsdam) verabredet.
Quelle: dbb newsletter Nr. 087/16 vom 14.12.2016
Hier die Stellungnahme und Entgegnung der Arbeitgeber:
„Selbstverständlich muss der Öffentliche Dienst an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilhaben. Die erhobenen Forderungen sind jedoch in Zeiten niedriger Inflation weit überzogen und nicht akzeptabel“, erklärte der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider. „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder erfüllen eine wichtige Aufgabe und verdienen Wertschätzung, auch in Form von Gehaltssteigerungen“, so der Minister weiter. Die Schuldenbremse im Grundgesetz erfordere aber nach wie vor eine strikte Ausgabendisziplin. Es komme deshalb nicht in Frage, den eingeschlagenen Kurs der Konsolidierung der Haushalte wieder zu verlassen. „Auch die Gewerkschaften müssen die Realität akzeptieren, dass fast jeder zweite Euro an Steuereinnahmen der Länder für Personalausgaben aufgewandt wird. Wenn dieser Anteil weiter steigt, fehlt das Geld an anderer Stelle“, so Schneider.
Allein die Lohnforderungen der Gewerkschaften würden die Haushalte der Länder im Tarifbereich mit insgesamt rd. 2,3 Mrd. Euro zusätzlichen Personalkosten belasten. Bei der geforderten Übertragung auf die Beamten kämen sogar rd. 7 Mrd. Euro auf die Länder zu.
Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder beginnen am 18. Januar 2017 in Berlin; sie sollen am 30. und 31. Januar 2017 sowie am 16. und 17. Februar 2017 in Potsdam fortgesetzt werden.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 2/2016 der TdL vom 14.12.2016
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
