Im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst drohen Erzwingungsstreiks
Am 21. April 2015 hatte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) den Gewerkschaften noch ein umfangreiches Papier mit Vorschlägen zu Verbesserungen bei der Eingruppierung übergeben. Die VKA kritisiert das Vorgehen der Gewerkschaften, das offenbar von Anfang an auf Streiks ausgelegt war.
Im Folgenden wird die Position der VKA dargestellt.
Die Verhandlungen
Die Gewerkschaften fordern Höhergruppierungen für den gesamten Sozial- und Erziehungsdienst um bis zu sieben Entgeltgruppen und behaupten, dies führe zu einer durchschnittlichen Entgelterhöhung von zehn Prozent. Die tatsächlichen Steigerungen liegen darüber, teilweise bei bis zu 20 Prozent.
Die VKA lehnt pauschale Erhöhungen ab. Sie hat aber in jeder Verhandlungsrunde konkrete Vorschläge für Verbesserungen bei der Eingruppierung vorgelegt. Die Gewerkschaften haben diese stets mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass dies nicht ihrer Forderung nach einer generellen Erhöhung für alle Beschäftigten entspreche.
Grundsatzstreit
Die VKA hat von Anfang an ihre Bereitschaft erklärt, die Eingruppierung zu überprüfen und dort, wo die Anforderungen gestiegen sind, dies im Tarifrecht entsprechend neu zu regeln. Stichworte: Inklusion, Sprachförderung oder musische Früherziehung. Die von der VKA vorgeschlagenen Verbesserungen würden den Erzieherinnen und Erziehern bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Plus von bis zu 443 Euro monatlich bringen.
Die Überprüfung der Eingruppierungsmerkmale und die Klärung, ob und welchen Veränderungsbedarf es konkret gibt, lehnen die Gewerkschaften ab. Sie wollen pauschal höhere Eingruppierungen für alle Beschäftigten.
Allerdings: Eingruppierungsverhandlungen sind keine Lohnrunde.
Die letzte Lohnrunde brachte den Beschäftigten mit dem Tarifabschluss vom 1. April 2014 ein Gehaltsplus von 5,4 Prozent. Die Entgelte sind zuletzt ab 1. März 2015 um 2,4 Prozent gestiegen.
Vorschläge der VKA
Die VKA hat in den Verhandlungen Verbesserungen bei der Eingruppierung von Erzieher/innen, Kinderpfleger/innen, Kita-Leitungen und dem handwerklichen Erziehungsdienst vorgeschlagen.
Die Gewerkschaften sind auf die einzelnen Vorschläge nicht näher eingegangen, haben in ihren Publikationen sogar teilweise behauptet, die VKA „lehne jede Verbesserung für den Sozial- und Erziehungsdienst ab“. Um dieser gewerkschaftlichen Fehlinformation entgegenzutreten, hat die VKA am 21. April 2015 alle Vorschläge in einem Papier zusammengefasst (vgl. unten).
Streik-Fahrplan
Bereits bei Vorstellung der Gewerkschaftsforderungen gegenüber den Medien im November 2014 haben die Gewerkschaften mit Streiks gedroht. In Gewerkschaftsschreiben vom Januar 2015, mithin noch vor den ersten Verhandlungen, wurde über Streikpläne und –ziele („Mitgliedermobilisierung“) informiert.
Bereits mit Verhandlungsauftakt haben die Gewerkschaften bundesweit zu Warnstreiks und Demonstrationen aufgerufen und dies seitdem an mehreren Tagen fortgeführt. Nach den Vorstellungen der Gewerkschaften soll dies nun Dauerzustand werden. Das Ziel der Gewerkschaften lautet Urabstimmung und Streik.
Mit den Streiks sorgen die Gewerkschaften immer wieder für massive Belastungen von Kindern und Eltern, ohne dass dies die Verhandlungen inhaltlich weiterbringt.
Von dem offenbar seit langem feststehenden Streik-Fahrplan waren die Gewerkschaften auch nicht mit inhaltlichen Verhandlungen und weitreichendem Entgegenkommen der Arbeitgeber abzubringen.
Tarifgefüge
Wo sollen Erzieherinnen und Erzieher im Gehaltsgefüge des öffentlichen Dienstes stehen? Dies ist eine der Grundsatzfragen, die Arbeitgeber und Gewerkschaften in den Eingruppierungsverhandlungen beantworten müssen.
Derzeit sind Erzieherinnen und Erzieher höher eingruppiert als andere Ausbildungsberufe. Die Arbeitgeber meinen, dass dies zu Recht so ist und sind darüber hinaus bereit, über weitere Änderungen zu verhandeln. Aber: Das Gesamtsystem muss stimmig bleiben.
Die Gewerkschaften argumentieren, die „Arbeit mit Menschen“ würde schlechter bezahlt als die „Arbeit mit Maschinen“. Das gilt für den Tarifbereich des öffentlichen Dienstes nicht. Die Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern im öffentlichen Dienst der Kommunen liegt oberhalb anderer Ausbildungsberufe des öffentlichen Dienstes, zum Beispiel Handwerker, Brandmeister bei der Feuerwehr oder staatlich geprüfte Techniker.
Als Beleg für ihre These nennen die Gewerkschaften die Bezahlung in der privaten Chemieindustrie und bei VW. Beides liegt außerhalb des öffentlichen Dienstes der Kommunen und damit auch außerhalb des Tarifbereichs von VKA, ver.di und dbb.
Weiteres Vorgehen der VKA
Die Arbeitgeber fordern die Gewerkschaften auf, die Verhandlungen fortzusetzen.
Ziel der VKA ist ein realistischer Tarifkompromiss.
Allerdings: Tarifverhandlungen kann man nur führen, wenn der Verhandlungspartner auch tatsächlich verhandelt. Dies ist bei den Gewerkschaften aktuell nicht der Fall.
Die Verhandlungskommission der VKA hat den Gewerkschaften gegenüber betont, auch außerhalb vereinbarter Termine für Verhandlungen bereit zu stehen.
Die Mitgliederversammlung der VKA tagt Ende Mai 2015.
Die Vorschläge der VKA in der Übersicht
Erzieherinnen und Erzieher
Die Arbeitgeber wollen veränderte Anforderungen in den Kindertagesstätten bei der Eingruppierung der Erzieher/innen abbilden. Dafür schlägt die VKA vor, die Entgeltgruppe S 7 für Erzieher/innen zu öffnen, denen schwierige fachliche Tätigkeiten in einem pädagogischen Spezialgebiet übertragen sind. Gedacht ist hierbei an Aufgabenbereiche wie Inklusion, Sprachförderung oder musische Früherziehung. Die VKA schlägt des Weiteren vor, die Anforderungen für besonders schwierige fachliche Tätigkeiten in der EG S 8 im Beispielsmerkmal „Tätigkeit in Integrationsgruppen“ zu reduzieren. Außerdem sollen Tätigkeiten in einem pädagogischen Spezialgebiet, die den Abschluss einer qualifizierten Fachweiterbildung erfordern, zur Eingruppierung in die EG S 8 führen.
Die Höhergruppierung von der EG S 6 in die EG S 8 führt zu einer Steigerung beim Tabellenentgelt von bis zu 443 Euro.
Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger
Bei den Kinderpfleger/innen schlägt die VKA eine Öffnung der EG S 4 vor. Hierfür soll der Beispielkatalog für „schwierige fachliche Tätigkeiten“ um Tätigkeiten in einem pädagogischen Spezialgebiet erweitert werden. Die dadurch erleichterte Höhergruppierung von der EG S 3 in die EG S 4 führt zu einem Plus beim Tabellenentgelt um bis zu 201 Euro.
Kita-Leitungen
Die Arbeitgeber schlagen vor, als weiteres Eingruppierungskriterium alternativ neben der Anzahl der Plätze auf die Anzahl der unterstellten pädagogischen Fachkräfte abzustellen und hierbei künftig einen zweijährigen Betrachtungszeitraum für etwaige Herabgruppierungen zu wählen. Dies verbessert und verstetigt die Eingruppierung.
Die Eingruppierung von Kita-Leitungen soll darüber hinaus angehoben werden: Für Leiter/innen von Kitas mit unter 40 Plätzen (derzeit EG S 7) soll künftig die EG S 9 gelten. Dies führt zu einer Steigerung der Tabellenentgelte von bis zu 431 Euro.
Für Leiter/innen von Kitas mit 40 bis 69 Plätzen (derzeit EG S 10) schlägt die VKA die EG S 11 vor. Dies würde zu einer Steigerung der Tabellenentgelte von bis zu 145 Euro führen.
Für Leiterinnen und Leiter großer Kindertagesstätten mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 240 Plätzen schlagen die Arbeitgeber ein neues Eingruppierungsmerkmal in EG S 18 vor. Damit wäre beim Tabellenentgelt eine Steigerung von bis zu 448 Euro verbunden.
Handwerklicher Erziehungsdienst
Die in den Werkstätten für behinderte Menschen vorhandene dreigeteilte Struktur (Gruppenhelfer/innen, Gruppenleiter/innen sowie Werkstattleiter/innen) soll durch die Tätigkeitsmerkmale abgebildet werden.
Veränderungsbedarf sehen die Arbeitgeber bei den Werkstattleiter/innen. Hier sollen künftig neben dem Meisterbrief auch andere Qualifikationen berücksichtigt werden.
Ausgehend von den derzeitigen Eingruppierungsmerkmalen in den EG S 10 und S 13 schlagen die Arbeitgeber ein weiteres Merkmal in EG S 15 für Leiter/innen von Ausbildungs-, Berufsförderungswerkstätten oder Werkstätten für behinderte Menschen vor, deren Tätigkeit sich durch den Umfang und die Bedeutung ihres Aufgabengebiets wesentlich aus der EG S 13 heraushebt. Dies bedeutet eine Steigerung der Tabellenentgelte von bis zu 270 Euro.
Quelle: Tarifinfo der VKA vom 22.4.2015
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
