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Korrigierende Rückgruppierung – entgegenstehender Vertrauenstatbestand

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Das BAG hat in einem Verfahren über die Wirksamkeit einer korrigierenden Rückgruppierung weitreichende Kernaussagen getroffen.

Das BAG hat in einem Verfahren über die Wirksamkeit einer korrigierenden Rückgruppierung folgende Kernaussagen getroffen, die über den entschiedenen Einzelfall hinaus von allgemeiner Bedeutung sind:

 

  • Die Nennung der Entgeltgruppe (EntgGr.) im Arbeitsvertrag mit einem öffentlichen Arbeitgeber ist im Regelfall als Wissenserklärung und nicht als Willenserklärung anzusehen. Die Angabe bezeichnet lediglich diejenige EntgGr., die nach Auffassung des Arbeitgebers nach den vereinbarten tariflichen Eingruppierungsregelungen zutreffend ist. Diese Angabe hindert ebenso wenig eine spätere Berufung des Arbeitnehmers auf eine höhere EntgGr. wie eine des Arbeitgebers auf eine niedrigere EntgGr. und die Durchführung einer korrigierenden Rückgruppierung.
  • Dem Arbeitgeber kann es zwar im Einzelfall unter besonderen Umständen nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich zur Begründung der Rückgruppierung auf eine fehlende tarifliche Voraussetzung für das bisher gewährte Entgelt zu berufen, wenn für den Arbeitnehmer ein entgegenstehender Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist.
  • Die Annahme einer Verwirkung setzt neben dem Zeitablauf („Zeitmoment“) das Vorliegen besonderer, ein schützenswertes Vertrauen begründender Umstände („Umstandsmoment“) voraus. Dieser hinreichende Vertrauenstatbestand kann durch zusätzliche Umstände begründet werden, die nach der Eingruppierungsmitteilung eingetreten sind.
  • Jedoch reicht allein ein langer Zeitraum (hier: 14 Jahre), in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer höheren EntgGr. bezahlt hat, nicht aus, in einer Art „Wechselwirkung“ des Zeitmoments auf das Umstandsmoment das Erfordernis eines eigenständigen Umstandsmoments gänzlich entfallen zu lassen. Zwar besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen sind, je länger der abgelaufene Zeitraum ist. „Geringere Anforderungen“ sind jedoch etwas anderes als ein völliger Entfall des Umstandsmoments. Es findet also keine „Mutation des Zeitmoments zum Umstandsmoment“ statt.
  • Der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst ist grundsätzlich berechtigt, eine fehlerhafte tarifliche Eingruppierung zu korrigieren.
  • In einem solchen Fall der korrigierenden Rückgruppierung muss der Arbeitgeber, wenn sich der Arbeitnehmer auf die ihm vom Arbeitgeber zuvor als maßgeblich mitgeteilte und der Vergütung zugrunde gelegte EntgGr. beruft, die objektive Fehlerhaftigkeit dieser bisher gewährten Vergütung darlegen und ggf. beweisen. Der Arbeitgeber hat die tarifliche Bewertung, wenn er dies denn für geboten hält, neu vorzunehmen. Ihn trifft die Darlegungs- und ggf. Beweislast für die objektiveFehlerhaftigkeit der zunächst mitgeteilten und umgesetzten und nunmehr nach seiner Auffassung zu korrigierenden Eingruppierung. Zu einer Änderung der mitgeteilten EntgGr. ist er nur berechtigt, wenn die bisherige tarifliche Bewertung, die er dem Arbeitnehmer gegenüber nachgewiesen hatte, fehlerhaft war.
  • Der Arbeitnehmer kann das Recht, sich auf die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu berufen, verwirken. Jedoch ist hierbei die Unterzeichnung des Änderungsvertrags durch den Arbeitnehmer ohne Bedeutung. Die Nennung der vom Arbeitgeber für zutreffend gehaltenen EntgGr. bindet den Arbeitnehmer nicht.

 

 

BAG U.v. 15.6.2011

Az 4 AZR 737/09

 

 

Bernhard Faber, Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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