Mehr Leistung und Qualität in der Pflege
Verbesserungen für Pflegedürftige, deren Angehörige und Pflegekräfte
„Ein großer Schritt nach vorne“ ist für Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe das Zweite Pflegestärkungsgesetz. Von dem Gesetz profitieren die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sowie die Pflegekräfte, so der Minister während der ersten Lesung im Bundestag. Die weiteren Beratungen werden nun in den Fachausschüssen des Bundestags folgen.
Kernstück des Gesetzes ist ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff – also: Wer benötigt wieviel Pflege? Im Mittelpunkt steht künftig der tatsächliche Unterstützungsbedarf – unabhängig davon, ob jemand an einer geistigen oder körperlichen Einschränkung leidet. Daher ist sich der Minister sicher, dass künftig der reale Pflegebedarf in der Pflegeversicherung abgebildet werde.
Mit der Einführung des neuen Pflegebegriffs einher geht ein neues Begutachtungssystem. Die Einstufung erfolgt nicht mehr wie bisher in drei Pflegestufen. Die Begutachtung – „Neues Begutachtungsassessment“ (NBA) – wird in fünf Pflegegrade übergeleitet. Einschränkungen im Alltag lassen sich so differenzierter beurteilen und leistungsmäßig abbilden.
Pflegegrade gehen besser auf Demenz ein
Maßgeblich dafür, wie pflegebedürftig jemand ist, wird der Grad der Selbstständigkeit sein. Gegenüber dem jetzigen Beurteilungsverfahren wir stärker geschaut, ob Menschen kognitiv oder psychisch beeinträchtigt sind. Das spielt eine große Rolle bei Demenz. Denn viele Menschen sind zu alltäglichen Verrichtungen in der Lage, müssen aber vielleicht regelmäßig daran erinnert werden.
Leistungen werden erhöht
Die fünf neuen Pflegegrade führen zu einer weiteren Erhöhung der Leistungsbeträge in der Pflege. Gerade der neue Pflegegrad 1 erreicht auch Menschen, die bislang keine Unterstützung bekommen haben. Mittelfristig können das bis zu 500.000 Menschen sein. Bisher sind in Deutschland 2,8 Millionen Menschen pflegebedürftig. Durch den neuen Pflegegrad 1 werden es dann ca. 3,3 Millionen Menschen sein.
Wer in einem Pflegeheim lebt, erhält einen Rechtsanspruch auf zusätzliche Betreuung und Aktivierung. „Wir machen Ernst mit „Reha vor Pflege“, so Gröhe im Bundestag. Für ihn ist wichtig, „Selbstständigkeit und Lebensqualität zu sichern“. Außerdem wird der pflegebedingte Eigenanteil für die Pflegegrade 2 bis 5 in jeder Einrichtung einheitlich festgelegt. Niemand muss dann mehr befürchten, dass, wenn der Pflegebedarf steigt, auch der Eigenanteil steigt.
Wer schon Leistungen erhält, wird nicht neu begutachtet
Alle Pflegebedürftigen, die bisher Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, werden ohne erneute Begutachtung in das neue System übergeleitet. Sie müssen damit keinen Antrag auf Einstufung in einen Pflegegrad stellen. Dies ist eine große Erleichterung für alle Betroffenen. Dabei wird zudem keiner der bisherigen Leistungsbezieher schlechter gestellt. Der Minister wies im Bundestag nochmals ausdrücklich auf den im Gesetz enthaltenen umfassenden Leistungs- und Bestandsschutz hin.
Pflegende Angehörige besser abgesichert
„Wenn die Pflege individueller wird, wird die Beratung wichtiger“, hebt der Gesundheitsminister hervor. Daher ist eine qualifizierte Beratung notwendig, auf die demnächst nicht nur Pflegebedürftige, sondern auch ihre Angehörigen Anspruch haben. Außerdem wird für pflegende Angehörige die Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung verbessert. Für alle Pflegepersonen – bislang nur Angehörige – wird eine Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung eingeführt. Die war bisher freiwillig.
Künftig zahlt die Pflegeversicherung Rentenbeiträge für alle Pflegepersonen, die einen Pflegebedürftigen im Pflegegrad 2 bis 5 mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Tage, zu Hause pflegen. Die Rentenbeiträge steigen mit zunehmender Pflegebedürftigkeit. Wer einen Angehörigen mit außerordentlich hohem Unterstützungsbedarf (Pflegegrad 5) pflegt, erhält um 25 Prozent höhere Rentenbeiträge als bisher. Zudem werden mehr Menschen unterstützt. Denn auch Angehörige, die einen ausschließlich demenzkranken Pflegebedürftigen betreuen, werden über die Rentenversicherung abgesichert.
Auch der Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung wird verbessert. Für Pflegepersonen, die aus dem Beruf aussteigen, um sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern, bezahlt die Pflegeversicherung künftig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die gesamte Dauer der Pflegetätigkeit. Die Pflegepersonen haben damit Anspruch auf Arbeitslosengeld und Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, falls ein nahtloser Einstieg in eine Beschäftigung nach Ende der Pflegetätigkeit nicht gelingt. Gleiches gilt für Personen, die für die Pflege den Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung unterbrechen.
Der Beitragssatz der Pflegeversicherung wird um 0,2 Beitragssatzpunkte ab 2017 erhöht. Er beträgt dann 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens für Versicherte mit Kindern. Kinderlose zahlen wie bisher 0,25 Prozent mehr, also 2,8 Prozent.
Wichtige Verbesserungen bereits seit 2015
Bereits seit dem 1. Januar 2015 ist die Pflege dank des Ersten Pflegestärkungsgesetzes verbessert worden: Leistungen für Pflegebedürftige – auch mit Demenz – und ihre Angehörigen wurden flexibilisiert und ausgeweitet. Die Leistungen der Pflegeversicherung wurden um grundsätzlich vier Prozent angehoben. Beispielsweise in der ambulanten Pflege für Pflegestufe 1 von 450 auf 468 Euro und in Pflegestufe 3 von 1.550 auf 1.612 Euro. Verschiedene Leistungen wie Tages- und Nacht-, Verhinderungs- und Kurzzeitpflege sind nun besser kombinierbar. Angebote wie Vorlesen oder beim Spazieren begleiten sind aus der Pflegesachleistung der oder des Betroffenen bis zu 50 Prozent finanzierbar. In stationären Pflegeeinrichtungen wurde der Schlüssel für Betreuungsplätze von 1:24 auf 1:20 verbessert. Ein Pflegevorsorgefonds wurde eingerichtet, um den Beitragssatz in einer älter werdenden Gesellschaft möglichst stabil zu halten. Deshalb wurde der Beitragssatz Pflege um 0,3 Prozentpunkte angehoben.
Die neuen Pflegegrade
Ambulant

Stationär

Pflegegeld
Wenn Angehörige oder Pflegepersonen pflegen: Bei Pflegegrad 1 entfällt Pflegegeld. Es gibt einen Anspruch auf einen Beratungsbesuch des Pflegedienstes einmal halbjährlich.

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff
Pflegebedürftig sind Menschen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen.
Maßgeblich dafür sind Beeinträchtigungen in den sechs Bereichen:
- Mobilität,
- kognitive und kommunikative Fähigkeiten,
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen,
- Selbstversorgung,
- Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen,
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.
Diesen Bereichen sind bei der Begutachtung verschiedene prozentuale Anteile zugeordnet, die im Begutachtungsverfahren mit einer Punkteskala beurteilt und zusammengerechnet werden. Zum Beispiel: ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten = Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten. Etwas davon abweichend werden Babys bis 18 Monate eingestuft (allgemein höherer Pflegegrad).
Vorgeschichte
Die Mehrheit der leistungs-, vertrags- und vergütungsrechtlichen Überarbeitungen geht auf Empfehlungen der Expertenbeiräte aus 2009 bzw. 2013 zurück. Zudem wurde in Studien das Neue Begutachtungsassessment (NBA) erprobt.
Qualität in Pflegeheimen
Im Zweiten Pflegestärkungsgesetz ist vorgesehen, ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur Qualitätsmessung zu entwickeln. Die Qualität von Pflegeheimen muss verständlich, übersichtlich und vergleichbar im Internet oder auf Papier kostenfrei veröffentlicht werden.
Quelle: Internetartikel der Bundesregierung vom 25.9.2015
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
