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Tarifeinigung zwischen VKA und Marburger Bund: Redaktionsverhandlungen für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern abgeschlossen

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Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) haben die Redaktionsverhandlungen zur Tarifeinigung nach monatelangem Ringen zum Abschluss bringen können.

Der neu verhandelte Tarifvertrag für die Ärzte und Ärztinnen an kommunalen Krankenhäusern tritt somit (mit Abweichungen) ab dem 1. Januar 2019 in Kraft.


Der Tarifabschluss

Die Tarifverhandlungen hatten sich äußerst schwierig gestaltet. In der Nacht zum 22. Mai 2019 waren sie – in der fünften Runde – mit einer Einigung beendet worden.

Am 26. Mai hatte sich die Hauptversammlung des MB hinter die Tarifeinigung gestellt. Die Mitgliederversammlung der VKA hatte in ihrer Sitzung am 28. Mai die Zustimmung zum Ergebnis erklärt. Der Gruppenausschuss der VKA für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen hatte dem Tarifabschluss bereits in seiner Sitzung am 22. Mai zugestimmt.

Drei Termine waren ursprünglich angesetzt. Fünf Verhandlungsrunden waren letztlich vonnöten, um gemeinsam zu einem Kompromiss zu finden. Zwischendurch hatte der MB gar das Scheitern erklärt, ein weiteres Treffen wurde ohne Ergebnis abgebrochen. In der Nacht zum 22. Mai 2019 konnten die letzten Hürden schließlich genommen und dadurch weitere Streikaktionen vermieden werden.

Hatten sich die Sozialpartner zuerst nicht über den vom MB vehement geforderten Ausschluss des Tarifeinheitsgesetzes einigen können, stellten später u. a. die Anzahl freier Wochenenden sowie die Anordnungsbefugnis von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft wesentliche Konfliktpunkte dar. Besonders die weitreichenden Forderungen des MB zu diesen Punkten hätten tiefgreifende Einschränkungen für die Arbeitgeber bedeutet, in deren Folge manch Krankenhaus-Betrieb nicht mehr hätte gewährleistet werden können.

Im Laufe der Verhandlungen wurden zahlreiche Krankenhäuser an unterschiedlichen Standorten bestreikt.


Wie ging es anschließend weiter?


Die Redaktionsverhandlungen


Nach der Einigung am 22. Mai fanden Redaktionsgespräche zwischen VKA und MB statt. Im Rahmen dieser Gespräche wurden die Tarifvertragstexte final ausgestaltet, um die Tarifeinigung im TV-Ärzte/VKA festzuschreiben. Diese Redaktionsverhandlungen verliefen über Monate stockend.

Uneinigkeit herrschte grundsätzlich über die Möglichkeit für die Arbeitgeberseite, weiterhin Freizeitausgleich für Bereitschaftsdienstzeiten anordnen zu können. Des Weiteren war der Umgang mit pflichtwidrigem Verhalten von Ärzten bei der Dienstplanung strittig. Darüber hinaus beharrte der MB darauf, die Anordnung von Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdiensten (höchstens 4 Dienste/Monat, mindestens 2 freie Wochenenden/Monat) im Halbjahresdurchschnitt weiter einzuschränken. Fehlzeiten z. B. wegen Urlaubs oder Krankheit sollten ratierlich berücksichtigt werden.

Diese über das eigentliche Verhandlungsergebnis weit hinausgehenden Forderungen stellten die Tarifpartner vor große Hürden – die nun in weiteren Gesprächen ausgeräumt werden konnten. Der Gruppenausschuss Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen hat in seiner Sitzung am 26. September 2019 nunmehr die Umsetzung des Tarifabschlusses, insbesondere die Zahlung der Entgelte, freigegeben. Im Folgenden werden die zentralen Inhalte der Einigung zusammengefasst.


Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

1. Entgelt

  • In drei Stufen werden die Entgelte erhöht: rückwirkend zum 1. Januar 2019 um 2,5 Prozent, ab dem 1. Januar 2020 um 2 Prozent und ab dem 1. Januar 2021 nochmals um 2 Prozent (insgesamt 6,64 Prozent). Gefordert hatte der MB 5 Prozent bei 12 Monaten Laufzeit.

  • Die Laufzeit beträgt 33 Monate und bietet den Krankenhäusern somit eine hohe Planbarkeit: bis zum 30. September 2021.

  • Parallel zu den Entgelten erhöhen sich in gleicher Weise der Einsatzzuschlag im Rettungsdienst sowie die Kinderbesitzstandszulage.

  • Zusätzlich erhöhen sich in gleichem Umfang und zu gleichen Zeitpunkten die Bereitschaftsdienstentgelte.

  • Außerdem erhalten die Ärztinnen und Ärzte (rückwirkend ab 1. Juli 2019) zusätzlich zum Stundenentgelt für die Zeit des Bereitschaftsdienstes je Stunde einen Zuschlag in Höhe von 15 Prozent des Stundenentgelts. Dieser Zuschlag kann nicht in Freizeit abgegolten werden.



2. Bereitschaftsdienst

Bereitschaftsdienstumfang

  • Es wurden folgende Verbesserungen für die Ärzte bei der Gestaltung von Bereitschaftsdiensten sowie zusätzliche Zuschläge vereinbart:

  • Ab dem 1. Januar 2020 haben die Ärzte innerhalb eines Kalenderhalbjahres im Durchschnitt je Monat nur vier Bereitschaftsdienste (BD) zu leisten.

  • Darüber hinausgehende BD sind möglich, wenn andernfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit droht. Gefordert hatte der MB, dass über einen 6. BD im Monat hinaus keine BD mehr angeordnet werden dürfen. Die Einführung einer derart starren Obergrenze konnte jedoch vermieden werden.

  • Geregelt wurde, dass ab dem 5. BD (einschließlich) im Monat ein Zuschlag zu zahlen ist. Dieser Zuschlag ergibt sich aus einer Erhöhung der Bewertung des BD um 10 Prozentpunkte. Der Zuschlag erhöht sich bei jedem weiteren BD um jeweils 10 Prozentpunkte.

  • Ebenfalls ab Januar 2020 werden den Ärzten mindestens 24 freie Wochenenden pro Jahr zugestanden. Sie haben dann an mindestens zwei Wochenenden (Freitag 21 Uhr bis Montag 5 Uhr) pro Monat im Durchschnitt innerhalb eines Kalenderhalbjahres keine Arbeitsleistung zu erbringen. Eine Ausnahme besteht, wenn eine Gefährdung der Patientensicherheit droht.
    In jedem Fall ist jedoch mindestens ein freies Wochenende im Monat zu gewährleisten.



Dienstplangestaltung

  • Ab Januar 2020 ist der Dienstplan spätestens einen Monat vor Beginn des zu planenden Zeitraums aufzustellen.

  • Sollte diese Frist nicht eingehalten werden, erhöht sich die Bewertung des BD als Arbeitszeit um jeweils 10 Prozentpunkte bzw. ist ein Zuschlag zum Rufbereitschaftsentgelt in Höhe von 10 Prozent zu zahlen. Geeinigt wurde sich bezüglich des Zuschlags auch darauf, dass, wenn die Zahlung durch den Arbeitgeber erfolgt, dann Schadensersatzansprüche gegen Ärztinnen und Ärzte entstehen, wenn diese die Anzeige von Dienstverhinderungen schuldhaft missachten.

  • Die Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit liegt (rückwirkend zum 1. Juli 2019) bei 56 Stunden.

  • Bei der Anordnung von BD dürfen in unmittelbarer Folge nicht mehr als vier über zehn Stunden dauernde Schichten (regelmäßige Arbeitszeit) und in einem Zeitraum von zwei Kalenderwochen nicht mehr als insgesamt acht über zehn Stunden dauernde Schichten geleistet werden. Außerdem muss zwischen der Ableistung von BD und einer Schicht (regelmäßige Arbeitszeit) ein Zeitraum von 72 Stunden liegen.

  • Die sog. „Sandwichdienste“ (bei denen der BD von Vollarbeit umschlossen ist) sind ab Januar 2020 nur möglich, wenn ein sich dem BD anschließender Arbeitsabschnitt im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit etwa zum Zwecke der Übergabe genutzt wird. Der sich anschließende Arbeitsabschnitt darf nicht länger als 60 Minuten beanspruchen und der dem BD vorangegangene Arbeitsabschnitt muss sich entsprechend verkürzen. An dieser Stelle hatte der MB ursprünglich gefordert, dass im Anschluss an einen BD keine regelmäßige Arbeitszeit mehr geleistet werden darf. Dies konnte verhindert werden.



Freizeitausgleich

  • Um das Arbeitszeitgesetz und die gesetzliche Ruhezeit einzuhalten, kann für die für einen Dienst errechnete Arbeitszeit anstelle der Auszahlung der sich ergebenden Vergütung im erforderlichen Umfang Freizeit (Freizeitausgleich) gewährt werden.

  • Zudem kann im Einvernehmen mit der Ärztin/dem Arzt weitergehender Freizeitausgleich für BD gewährt werden, soweit dies nicht aufgrund anderer Bestimmungen des Tarifvertrags ausgeschlossen ist.


3. Weitere Regelungen

  • Im Tarifabschluss wurden klarere Regelungen hinsichtlich der Dokumentation und Erfassung der Arbeitszeit festgelegt. Die Arbeitszeit ist demnach durch elektronische Verfahren oder andere Art und Weise zu erfassen, so dass die gesamte Anwesenheit am Arbeitsplatz dokumentiert ist und als Arbeitszeit gilt (abzüglich gewährter Pausen). Abweichend bewertet werden Nebentätigkeiten sowie private Tätigkeiten des Arztes. Auch wurden persönliche Einsichtsrechte in die Arbeitszeitdokumentation vereinbart. Damit wird zugleich der jüngsten EuGH-Rechtsprechung (zur Arbeitszeiterfassung allgemein) Rechnung getragen.

  • Vereinbarungen auf der Landesebene zur Nettolohnoptimierung ermöglichen es, Bestandteile des Entgelts einzelvertraglich auch zu anderen Zwecken zur betrieblichen Altersversorgung, z. B. für ein „Jobrad“, umzuwandeln.

  • Aufgenommen wurde zudem eine Öffnungsklausel zur Arbeitnehmerüberlassung. Nunmehr ist es auch möglich, dass durch Tarifvertrag auf Landesebene eine über 48 Monate hinausgehende Arbeitnehmerüberlassung vereinbart werden kann.

  • Die VKA hat den nie bestrittenen Umstand bekräftigt, dass sie den MB als zuständige Gewerkschaft für die Ärztinnen und Ärzte anerkennt und damit die Rechtsfolgen aus § 4a TVG (Tarifvertragsgesetz) nicht eintreten. Eine evtl. Verdrängung des mit dem MB vereinbarten Tarifrechts wird für die Dauer der Vereinbarung ausgeschlossen.
    Diese Vereinbarung kann frühestens zum 31. Dezember 2025 gekündigt werden.

  • Außerdem haben sich beide Seiten darauf geeinigt, dass die VKA die Verhandlungen mit dem MB auch für Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst (Ärzte außerhalb der Krankenhäuser) ergebnisoffen führen wird. Die Tarifverhandlungen über die Arbeitsbedingungen der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst sollten bis spätestens 30. Oktober 2019 aufgenommen werden.

 

Quelle: VKA Tarifinfo vom 26.9.2019

 

Bernhard Faber

Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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