Trotz bundesweiter Milliarden-Überschüsse: Jede fünfte Kommune in Haushaltskrise
Einen Überschuss von 4,5 Milliarden Euro haben die Städte, Gemeinden und Kreise in Deutschland im Jahr 2016 erwirtschaftet. Das ist der beste Haushaltsabschluss seit 2008 und das fünfte positive Jahr in Folge. Doch der Kommunale Finanzreport 2017 zeigt: Längst nicht allen Kommunen geht es so blendend. Das bundesweite Plus entsteht vor allem durch die hohen Überschüsse in Bayern und Baden-Württemberg. Hier schrieben die Kommunen über fünf Jahre hinweg durchgängig schwarze Zahlen. Demgegenüber kamen z. B. die Kommunen in Schleswig-Holstein und im Saarland in keinem dieser Jahre auf den grünen Zweig.
Grund für die positive bundesweite Haushaltslage ist vor allem die gute Konjunktur in Deutschland – die bringt viele Städte und Gemeinden dazu, mehr zu investieren. Aber auch bei den Investitionen ziehen die süddeutschen Kommunen den Schnitt nach oben. In der Summe der vergangenen beiden Jahre investierten die Kommunen Bayerns pro Einwohner fast drei Mal so viel wie die in Sachsen-Anhalt oder im Saarland. Dadurch würden die Unterschiede in der Infrastruktur und Standortqualität wachsen, sagt die Kommunalexpertin Kirsten Witte.
Die Kluft zwischen den Kommunen wird größer – und verfestigt sich
Im Vergleich der Jahre 2005 und 2015 sind die Gemeindesteuern um bemerkenswerte 56 Prozent gestiegen. Alle Kommunen haben davon profitiert, jedoch unterschiedlich stark. Die Folge: Die Differenzen der Steuerkraft zwischen den Kommunen wurden größer. Noch immer besteht ein deutliches West-Ost-Gefälle. Bis auf wenige Ausnahmen ist der Osten flächendeckend steuerschwach. In Süddeutschland liegen die Steuereinnahmen dagegen teils immer deutlicher über dem Bundesdurchschnitt.
Ein Vergleich der Extreme macht die bundesweiten Unterschiede deutlich: Der stärkste Landkreis München (Bayern) erzielt pro Einwohner sieben Mal mehr Steuereinnahmen als der Kreis Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt). Selbst wenn man einen Zeitraum von zehn Jahren betrachtet, verändert sich die gute oder schlechte Lage der Kommunen hinsichtlich ihrer Steuerkraft kaum. Nur wenige schwache Kommunen konnten ihre Position verbessern. Die Ursachen dafür liegen in der Wirtschaftsstruktur.
Der Schuldenberg wächst: Das Volumen der Kassenkredite hat sich verdoppelt
Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei den Kassenkrediten. An ihnen kann man ablesen, wie tief eine Kommune in der Haushaltskrise steckt. Eigentlich dienen sie nur dazu, kurzfristige finanzielle Engpässe zu überbrücken. In vielen Kommunen sind sie jedoch zum Dauerzustand geworden. Im Vergleich der Jahre 2005 und 2015 hat sich ihr Volumen bundesweit auf fast 50 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Allein im Zuge der Wirtschaftskrise sind die Kassenkredite um 15 Milliarden Euro angestiegen – also um mehr als 50 Prozent.
Haushaltskrisen konzentrieren sich auf wenige Länder
Kassenkredite sind allerdings kein bundesweites Phänomen. Die Hälfte aller Kommunen hat mit ihnen nichts zu tun. Dagegen liegen die 17 höchst verschuldeten Kommunen in nur zwei Bundesländern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. An der Spitze in Pirmasens (Rheinland-Pfalz) werden umgerechnet sogar Kassenkredite von fast 8.000 Euro pro Einwohner erreicht.
Der Zehnjahres-Vergleich zeigt: Schwache Kommunen bleiben schwach und entkoppeln sich mehr und mehr vom bundesweiten Durchschnitt.
René Geißler, Kommunaler Finanzexperte der Bertelsmann Stiftung: „Allein die Stadt Essen führt mehr als doppelt so hohe Kassenkredite wie alle Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen zusammen.“
In einigen Bundesländern konnten Kommunen ihre Kredite zwar zuletzt aufgrund von Landeshilfen deutlich zurückführen. Kaum eine hochverschuldete Kommune schaffte es jedoch, die Schulden aus eigener Kraft abzubauen.
Trügerische Ruhe bei den Kommunalfinanzen
Den schwachen Kommunen gelingt selbst im aktuellen positiven wirtschaftlichen Umfeld keine tiefgreifende Trendwende. „Hinter der Kulisse hoher Steuereinnahmen wachsen die Risiken aus Sozialausgaben und Zinsen“, so Geißler. Bereits kleine Eintrübungen der Konjunktur würden viele Kommunen hart treffen. „Angesichts der guten konjunkturellen Rahmenbedingungen ist die Zeit günstig, über eine große Lösung der Kassenkredite nachzudenken“, sagt Witte. Bund, Länder und Kommunen müssten ihre gemeinsamen Anstrengungen weiter verstärken.
Quelle: Internet-Artikel der Bertelsmann Stiftung vom 9.8.2017
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
