Mit einem neu gefassten § 127 SGB IV wurde auf das „Herrenberg-Urteil“ des Bundessozialgerichts reagiert und eine Übergangsregelung zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Lehrkräften geschaffen. Das am 28.2.2025 im Bundesgesetzblatt verkündete Gesetz erfasst den Zeitraum vom 1.3.2025 bis zum 31.12.2026. Der Beitrag soll einen Überblick über das erreichte Ergebnis geben.
In seiner Entscheidung vom 28.6.2022 (B 12 R 3/20 R) hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die Versicherungspflicht von Lehrkräften einer Musikschule aufgrund abhängiger Beschäftigung nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen sei, weil die Beteiligten erkennbar eine selbstständige Tätigkeit vereinbaren wollten. Im Kern der Entscheidung sprächen Rahmenvorgaben, die Freiheiten zur zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Gestaltung einräumen, erst dann für eine selbstständige Tätigkeit, wenn bei der Dienstleistung eine Weisungsfreiheit vorhanden ist, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichnet. Vorausgegangen war, dass die Stadt Herrenberg als Trägerin einer Musikschule mit einer Musikschullehrerin einen Honorarvertrag als Selbstständige abgeschlossen hatte, die Deutsche Rentenversicherung Bund darin jedoch eine Scheinselbstständigkeit sah. Es wurde durch entsprechende Bescheide festgestellt, dass die Tätigkeit als Musiklehrerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde, das der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege.
In Folge dieses so genannten Herrenberg-Urteils ist eine freiberufliche Lehrtätigkeit (zum Beispiel in Musikschulen, Volkshochschulen, kommunalen Bildungseinrichtungen) grundsätzlich auch weiterhin möglich. Allerdings führte die Entscheidung zu erheblicher Rechtsunsicherheit, so dass zahlreiche Träger von Bildungseinrichtungen keine neuen Honorarverträge mehr abgeschlossen haben. Zugleich wurde auch deutlich gemacht, dass ohne selbstständig tätige Lehrkräfte das Bildungsangebot im bisherigen Umfang nicht aufrechterhalten werden könne, zumal viele Lehrkräfte nur als Selbstständige tätig werden wollten. Schließlich sei nach Aussage des Deutschen Volkshochschul-Verbands seit 2023 bei den Statusfeststellungsverfahren der DRV eine massiv verschärfte Prüfungspraxis bei Bildungseinrichtungen wahrzunehmen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat das Thema vor diesem Hintergrund in einem intensiven Fachdialog mit Bildungsverbänden und Sozialpartnern beleuchtet. Hierbei waren u.a. auch die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und die kommunalen Spitzenverbände beteiligt. Es hat sich gezeigt, dass Bildungseinrichtungen und Lehrkräfte aufgrund der unterschiedlichen Organisationsmodelle beim Einsatz von selbstständigen Lehrkräften Rechtssicherheit und auch genügend Zeit brauchen, um auf die sich aus „Herrenberg“ ergebenden Beurteilungsmaßstäbe und die verschärfte Prüfpraxis der DRV reagieren zu können.
Das BMAS hat es jedoch nicht bei diesem Fachdialog belassen. Es hat festgehalten, dass es aufgrund der besonderen Situation ausnahmsweise gerechtfertigt, für einen begrenzten Zeitraum von einer ansonsten zwingenden Nachforderung von Sozialbeiträgen abzusehen. Der Anknüpfungspunkt war hierbei der neu gefassten § 127 SGB IV. Die Relevanz der Thematik lässt sich auch daran ablesen, dass der Deutsche Bundestag am 30.1.2025, also in Kenntnis der Neuwahlen, noch eine Übergangsregelung beschlossen hat. Gesetzgeberisches Vehikel für die Übergangsregelung ist das „Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften“. Der Bundesrat hat dem inzwischen veröffentlichten Gesetz ebenfalls zugestimmt.

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Die Regelung beinhaltet im Kern folgende Konstellationen:
Wenn im Rahmen eines Prüfverfahrens der Deutschen Rentenversicherung nach § 7a SGB IV, eines Verfahrens der Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Absatz 1 Satz 5 SGB IV bzw. eines Verfahrens der Krankenkassen als Einzugsstellen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28h Absatz 2 SGB IV, festgestellt wird, dass eine Lehrtätigkeit in abhängiger Beschäftigung vorliegt, besteht eine Versicherungspflicht aufgrund dieser Beschäftigung gleichwohl erst ab dem 1.1.2027. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Lehrtätigkeit ausgegangen sind und die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, gegenüber dem Versicherungsträger zustimmt. Auch ohne die Feststellung einer Lehrtätigkeit in abhängiger Beschäftigung in einem der genannten Verfahren tritt bis zum 31.12.2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Beschäftigung ein, wenn die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbständigen Lehrtätigkeit ausgegangen sind und die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, gegenüber dem Vertragspartner zustimmt.

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Eine Honorarlehrkraft wird also, wenn die Vertragspartner bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind und die Lehrkraft nochmals gesondert zustimmt, sozialversicherungsrechtlich als Selbstständige/r behandelt. Diese Ausnahmeregelung gilt bis zum 31.12.2026. Sind die Voraussetzungen nach § 127 Abs. 1 SGB IV erfüllt, entsteht für die Zeiten vor dem 1.1.2027 kein Anspruch der Sozialversicherungsträger auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen gegen den Arbeitgeber.
Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die Voraussetzungen dieser Übergangsregelung nicht erfüllt sind, wenn Lehrkräfte nicht nach § 127 Abs. 1 SGB IV zustimmen. In einem solchen Fall kann eine Versicherungspflicht aufgrund der Beschäftigung nach den allgemeinen Vorschriften bestehen.

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Mit der Übergangsregelung gewinnen die Träger der Einrichtungen Zeit und können sich bis Ende 2026 auf die Herrenberg-Rechtsprechung einstellen und gegebenenfalls ihre Organisationsmodelle anpassen. Die Bildungsträger müssen bis zu diesem Zeitpunkt keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen, wenn Bildungsträger und Lehrkräfte bei Vertragsschluss von Selbstständigkeit ausgegangen sind (und die Lehrkraft nochmals zustimmt).
Es liegt in der Natur einer Übergangsregelung, dass die Zeit genutzt werden muss, um für die Zeit danach zu planen, also für die Zeit nach dem 31.12.2026. Das gilt jedoch nicht nur für die Träger der Bildungseinrichtungen, sondern auch die Beteiligten des Fachdialogs beim BMAS und letztlich auch für den Gesetzgeber. In einem ersten Schritt dürfte es bei einer Fortsetzung des Fachdialogs darum gehen, Organisationsmodelle für selbstständige Lehrtätigkeiten in den jeweiligen Bereichen zu entwickeln und diese von der DRV Bund prüfen zu lassen. In Abhängigkeit dieses Prozesses wird sich ergeben, ob es einer dauerhaften Klarstellung durch den Gesetzgeber bedarf.
Dr. Wolfgang Spree
Geschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA)
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