Hinweisgeberschutzgesetz – Basiswissen für die Einrichtung interner Meldestellen zur Vermeidung bußgeldrechtlicher Sanktionen
Wer muss im öffentlichen Dienst eine interne Meldestelle einrichten?
Beschäftigungsgeber des öffentlichen Dienstes mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten müssen bereits ab dem 2.7.2023 eine interne Meldestelle einrichten und betreiben.
Zum öffentlichen Dienst zählen gem. § 12 Abs. 1 HinSchG juristische Personen des öffentlichen Rechts und solcher Beschäftigungsgeber, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer juristischen Person des öffentlichen Rechts stehen. Das dürfte gegeben sein, wenn Bund, Land oder Kommune einen beherrschenden Einfluss im Unternehmen ausübt.
Weitere landesrechtliche Ausnahme für Kommunen möglich!
Wegen des Durchgriffsverbots nach Artikel 84 Abs. 1 Satz 7 GG bedarf es zusätzlich zum HinSchG weiterer landesrechtlicher Rechtsetzungsakte. Es ist zu erwarten, dass die Länder durchweg von der in Artikel 8 der Richtlinie (EU) 2019/1937 eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen werden, die Verpflichtung zur Einrichtung und zum Betrieb interner Meldestellen für Gemeinden und Landkreise mit weniger als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern oder weniger als 50 Beschäftigten zu suspendieren.
Wie wird die interne Meldestelle errichtet?
Der Arbeitgeber kann eine oder mehrere bei ihm beschäftigte Person(n) betrauen. Es müssen keine neuen Stellen zur ausschließlichen Wahrnehmung dieser Aufgaben geschaffen werden, jedoch müssen Interessenkonflikte zwischen Haupt- und Meldestellentätigkeiten ausgeschlossen sein.
Rechtlich zulässig ist auch die Beauftragung eines Dritten, was den Beschäftigungsgeber jedoch nicht von allen Pflichten entbindet und zu organisatorischem und finanziellem Mehraufwand führen dürfte.
Unabhängigkeit und Fachkunde
Die Beauftragten müssen ihre Tätigkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 HinSchG „unabhängig“ und „sachkundig“ ausüben, was im Gesetz nicht weiter konkretisiert wird. Nach hier vertretener Auffassung ist darunter Weisungsfreiheit zu verstehen. Formale Anforderungen zur Fachkunde existieren nicht, die für eine Meldestelle relevanten Normen des HinSchG muss der Beauftragte beherrschen.
Einrichtung von Meldekanälen
Die Meldestelle muss so ausgestattet und organisiert werden, dass sie Meldungen in mündlicher oder in Textform entgegennehmen kann. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung erfolgen können. Auf Wunsch ist innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Vorsprache zu ermöglichen (§ 16 Abs. 3 HinSchG). Mit Einwilligung des Hinweisgebers ist auch eine Entgegennahme per „Videokonferenz“ möglich. Darüber hinaus ist der Beschäftigungsgeber in der Ausgestaltung frei.
Eine Verpflichtung, einen Meldekanal zur Abgabe anonymer Meldungen einzurichten, besteht nicht. Eingehende anonyme Meldungen „sollten“ gleichwohl bearbeitet werden.
Vertraulichkeitsgebot gem. § 8 HinSchG
Die Identität des Hinweisgebenden und der von der Meldung betroffenen Personen darf ausschließlich den jeweils für die Bearbeitung einer Meldung zuständigen Personen bekannt sein. Ein Bekanntwerden der Identitäten ist gegenüber unterstützendem Personal wie Büro- und IT-Kräften zulässig, soweit dies für die Unterstützungstätigkeit notwendig ist (BT-Drs. 20/3442, 74).
Ist die Einrichtung mitbestimmungspflichtig?
Die Einrichtung aufgrund zwingender gesetzlicher Vorgaben ist als Organisationsakt nicht mitbestimmungspflichtig. Es handelt sich um ein freiwilliges Angebot des Arbeitgebers, Verhaltensnormen werden nicht aufgestellt. Das Meldesystem an sich stellt keine Überwachung von Leistung und Verhalten dar und berührt auch nicht die Ordnung im Betrieb.
In der digitalisierten Welt können sich je nach Ausgestaltung unter technischen Aspekten Mitbestimmungsrechte ergeben. Darüber hinaus gelten die einschlägigen Mitbestimmungstatbestände bei Personalmahnahmen zur Besetzung der Meldestellen.
Wer darf sich an die interne Meldestelle wenden?
Erfasst sind Arbeitnehmer, Leiharbeiter, Heimarbeiter, Beamte, Auszubildende und Praktikanten. Sie können frei wählen, ob sie sich an eine interne Meldestelle bei ihrem Arbeitgeber oder an eine externe Meldestelle wenden.
Der Beschäftigungsgeber kann frei entscheiden, ob und inwieweit er den Zugang für Außenstehende, die im beruflichen Kontakt stehen und einen Verstoß beobachten, einen Zugang ermöglicht.
Was sind die Aufgaben einer internen Meldestelle?
Die interne Meldestelle betreibt den Meldekanal, prüft eingehende Meldungen, ob sie unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen sowie ihre Stichhaltigkeit und ergreift angemessene Folgemaßnahmen, § 13 i.V.m. §§ 17, 18 HinSchG. Dabei hat sie die im HinSchG gesetzten Fristen einzuhalten. Der Hinweisgeber hat Anspruch auf eine qualifizierte Rückmeldung innerhalb von 3 Monaten ab Eingangsbestätigung, die ihrerseits innerhalb von 7 Tagen zu erfolgen hat. Mit den Aufgaben sind Dokumentations- und Löschungspflichten verbunden. Die Meldestelle hat das Recht, personenbezogene Daten nach Maßgabe des § 10 HinSchG zu verarbeiten.
Darüber hinaus obliegen der internen Meldestellen Informationspflichten über externe Meldeverfahren nach § 13 Abs. 2 HinSchG.
Welche Sanktionen gibt es, wenn eine interne Meldestelle nicht oder nicht fristgemäß eingerichtet wird?
§ 40 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 6 HinSchG sieht eine Geldbuße bis zu 20.000,00 € für Beschäftigungsgeber vor, die ihrer Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle nicht nachkommen; dies bleibt übergangsweise bis zum 30.11.2023 bußgeldrechtlich folgenlos, § 42 Abs. 2 Satz 1 HinSchG.
Der Bußgeldrahmen beträgt 50.000,00 €, wenn eine Meldung behindert wird oder Repressalien ergriffen werden.
Gibt es eine externe Meldestelle für den öffentlichen Dienst?
Eine zentrale externe Meldestelle wird beim Bundesamt für Justiz eingerichtet, § 19 HinSchG.
Annette Salomon-Hengst
