rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Newsübersicht < Newsbeitrag

Mindestlohn-Richtlinie – EuGH-Entscheidung vom 11.11.2025

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit seiner mit Spannung erwarteten Entscheidung vom 11.11.2025 die EU-Mindestlohn-Richtlinie im Wesentlichen bestätigt und nur zwei Bestimmungen für nichtig erklärt. Dr. Wolfgang Spree, Geschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, gibt in seinem Beitrag einen Einblick in die Entscheidung, geht auf Hintergründe ein und beantwortet die Frage, ob sich aus der Entscheidung Konsequenzen für den öffentlichen Dienst ergeben.

Jetzt bewerten!

EuGH vom 11.11.2025 – C-19/23

Hintergrund zur Mindestlohn-Richtlinie

Am 14.11.2022 trat die „Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 19.10.2022 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“, die EU-Mindestlohn-Richtlinie, in Kraft. Die Mindestlohn-Richtlinie zielt nicht auf die Einführung eines gemeinsamen europäischen Mindestlohns ab, sondern enthält Regelungen zur Einführung von Standards und Verfahren, die der Bemessung der Angemessenheit von gesetzlichen Mindestlöhnen dienen. Neben diesen Rahmenbedingungen zur Förderung angemessener Löhne enthält die Richtlinie u. a. Regelungen zur Förderung von Tarifverhandlungen zur Lohnfestsetzung (in Art. 4) und zum Verfahren zur Festsetzung angemessener gesetzlicher Mindestlöhne (in Art. 5).

Ungefähr einen Monat vor Ende der Frist, in der die Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen hatten, teilte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Bundesgesetzblatt mit, dass die Richtlinie in Deutschland bereits durch das [aktuell geltende] Mindestlohngesetz, das Tarifvertragsgesetz, das Arbeitsgerichtsgesetz und das BGB umgesetzt werde. Diese Mitteilung dürfte für eine gewisse Beruhigung gesorgt haben. Denn so war zumindest klar, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, die Gesetzeslage auf Basis der Mindestlohn-Richtlinie anzupassen.

Bloggerbilder_Hoffmann-Schmid_Stoerer_min.png

Blog Arbeits- Tarif- und Personalvertretungrecht

Prof. Dr. Boris Hoffmann und Dr. Erik Schmid

Unsere Experten bereiten für Sie Informatives zu aktuellen Fällen anschaulich auf, schildern den Sachverhalt, beleuchten die Entscheidung und liefern ein Fazit inkl. Praxistipp für Ihre tägliche Arbeit.

Nichtigkeitsklage Dänemarks

Am 18.11.2023 erhob Dänemark mit Unterstützung Schwedens eine Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie. Es wurde beantragt, die Richtlinie insgesamt, hilfsweise Bestimmungen des Artikels 4 (Förderung von Tarifverhandlungen zur Lohnfestsetzung), für nichtig zu erklären. Begründet wurde dies mit der fehlenden Kompetenz der EU zum Erlass der Richtlinie, da diese Festlegungen zum Lohnniveau enthalte und das Koalitionsrecht betreffe, und damit, dass das vorgesehene Rechtsetzungsverfahren nicht eingehalten worden sei.

Am 14.1.2025 hat sich der Generalanwalt Nicholas Emiliou für die vollumfängliche Nichtigkeit der Richtlinie ausgesprochen. Er begründete dies mit einer fehlenden Rechtsetzungskompetenz der EU, da die Richtlinie Artikel 153 Abs. 5 AEUV verletze, der den Bereich des Arbeitsentgelts von der Zuständigkeit der EU ausnehme.

18469-HJR-Website2023-04-RZ-Newsletter.webp

Beste Antworten.

Newsletter Arbeits- und Tarifrecht

Regelmäßig erscheinender Newsletter zu den Neuigkeiten aus den Bereichen Arbeitsrecht und Tarifrecht des öffentlichen Dienstes sowie Empfehlungen zu neuen Produkten, Webinaren und Quizzen.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH folgte in seiner Entscheidung C-19/23 (Dänemark/Parlament und Rat) dem Antrag Dänemarks (und des Generalanwalts) nur zu einem kleinen Teil, als dass es nur Teile von Artikel 5 (Verfahren zur Festsetzung angemessener gesetzlicher Mindestlöhne) für nichtig erklärte. Die Richtlinie im Übrigen wurde durch den EuGH bestätigt. Der eben genannte Artikel 153 Abs. 5 AEUV besagt, dass die voranstehenden Absätze 1 bis 4 des Art. 153 AEUV, die der EU etliche Kompetenzen zuweisen, „nicht für das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht“ gelten. Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung daher mit der Reichweite dieses Ausschlusses befasst. Er kam zu der Überzeugung, dass dieser Ausschluss der Zuständigkeit so zu verstehen sei, „dass er sich auf Maßnahmen wie eine Vereinheitlichung einzelner oder aller Bestandteile und/oder der Höhe der Löhne und Gehälter in den Mitgliedstaaten oder die Einführung eines Mindestlohns auf Unionsebene bezieht, mit denen das Unionsrecht unmittelbar in die Festsetzung der Arbeitsentgelte innerhalb der Union eingreift“. Der Ausschluss ließe „sich jedoch nicht auf alle mit dem Arbeitsentgelt in irgendeinem Zusammenhang stehenden Fragen erstrecken“ (Rn. 68 der Entscheidung). Entscheidend war für das Gericht, dass sich die Bestimmung auf Verfahrensvorgaben beschränkt und den Mitgliedstaaten Ermessenspielräume bei der Bestimmung der Mindestlohnhöhe lässt.

Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie wurde vor diesem Hintergrund jedoch für nichtig erklärt. Dieser lautet:

„Die nationalen Kriterien nach Absatz 1 umfassen mindestens die folgenden Aspekte:

a) die Kaufkraft der gesetzlichen Mindestlöhne unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten;
b) das allgemeine Niveau der Löhne und ihre Verteilung;
c) die Wachstumsrate der Löhne;
d) langfristige nationale Produktivitätsniveaus und -entwicklungen.“

Zudem wurden zwei Halbsätze anderer Absätze für nichtig erklärt, die auf den o. g. Abs. 2 Bezug nehmen.

Der EuGH kommt zu seinem Urteil, weil diese Regelung die Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen verpflichtet sicherzustellen, dass deren Kriterien mindestens die vier dort aufgeführten Aspekte umfassen. „Indem der Unionsgesetzgeber die Berücksichtigung dieser Aspekte […] vorgeschrieben hat, hat er eine Anforderung aufgestellt, die sich auf die Bestandteile dieser Löhne bezieht. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Höhe dieser Löhne aus […] (Rn. 95/96 der Entscheidung).

Dass das Gros der Regelungen der Richtlinie nicht für nichtig erklärt wurde und eine weitreichende Kompetenz der EU im Bereich des Arbeitsentgelts bestätigt wurde, hat insbesondere nach dem anders lautenden Votum des Generalanwalts für Enttäuschung gesorgt.

Weitere Informationen finden Sie in Ihrem Breier/Dassau TVöD PLUS/TV-L PLUS.

Dr. Wolfgang Spree
Geschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

quiz-icon-orange-freigestellt_100px.png

Quizze zum Arbeits- und Tarifrecht

1. Personalamt Schultz – Helfen Sie Herrn Schultz mit Ihrem Fachwissen und klären Sie spannende arbeits- und tarifrechtliche Fragen!

2. Arbeitsrecht im öD ist trocken? Sie bereiten sich in Ihrem Studium gerade darauf vor? Vertiefen Sie Ihr Wissen – Lernen leicht gemacht!

rehm-Campus_Stoerer-Bild_Bildschirm.png

Für mehr Wissen.

Fortbildungen im Arbeits- und Tarifrecht

Profitieren Sie von unseren neuen informativen und praxisorientierten eLearning-Fortbildungen im rehm Campus. Lernen Sie zeitlich flexibel und ortsunabhängig. Erleben Sie Fortbildung neu!

Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
0 Kommentare zu diesem Beitrag
SX_LOGIN_LAYER