1, 2 oder 3 – letzte Chance vorbei – ob ihr wirklich richtig klagt, seht ihr, was der Richter sagt
Liebe Leserin, lieber Leser,
in den letzten Wochen fühle ich mich in die Quizshow „1, 2 oder 3“ im Rahmen meiner Anwaltstätigkeit zurückversetzt. Es liegt nicht daran, dass mir während meiner Arbeitszeit langweilig ist und ich auf YouTube alte Quizfolgen ansehe. Vielmehr hat es mit Kündigungsschutzklagen, Corona, Home-Office und der örtlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu tun.
Ausgangssituation
Aufgrund von Corona werden viele Tätigkeiten seit ca. März 2020 vorübergehend im Home-Office erbracht. Grundsätzlich unabhängig von Corona werden auch in dieser Zeit Kündigungen des Arbeitsverhältnisses aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen ausgesprochen. Corona und die konjunkturelle Situation verstärken das Erfordernis von betriebsbedingten Kündigungen. Häufig erheben Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung, um die Rechtswirksamkeit der Kündigung und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitsgericht überprüfen zu lassen. Die Kündigungsschutzklage muss
- Feld 1: Von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht eingereicht werden?
- Feld 2: Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden?
- Feld 3: Mit einem Gerichtskostenvorschuss in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt des klagenden Arbeitnehmers beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden?
„1, 2 oder 3 – letzte Chance – vorbei, ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht“. Das Licht würde in diesem Fall bei Feld 2 angehen. Wenn Sie auf Feld 2 standen, dürfen Sie einen imaginären symbolischen Ball als Punkt mitnehmen.
Während die 3-Wochen-Frist in nahezu allen Fällen eingehalten wird, mehren sich derzeit die Fälle, in denen die Klage nicht beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben wird. Die Kündigungsschutzklagen werden an dem für den Wohnort (Home-Office) zuständigen Arbeitsgericht und nicht beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht der „normalen“ Leistungserbringung (z.B. Betrieb des Unternehmens) erhoben.
Örtlich zuständiges Arbeitsgericht
Für die örtliche Zuständigkeit verweist das Arbeitsgerichtsgesetz (§ 46 Abs. 2 ArbGG) auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung. Bei Klagen eines Arbeitnehmers im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis ist als besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) der Ort der Arbeitsleistung anzusehen. Bei Arbeitsverhältnissen ist regelmäßig von einem einheitlichen gemeinsamen Erfüllungsort auszugehen. Der Arbeitsort ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat. Regelmäßig ist dies auch unproblematisch, wenn die Arbeitsleistung beispielsweise in der Produktion, in Ladengeschäften, in Büros, etc. an einem festen Ort erbracht wird.
Wenn die Arbeitsleistung ausschließlich und dauerhaft vom Wohnsitz aus erbracht wird (z.B. 100% Home-Office), ist auch der Wohnsitz der Erfüllungsort und damit maßgeblich für das örtlich zuständige Arbeitsgericht.
Änderung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts durch Home-Office in Zeiten von Corona?
Erfüllungsort ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer Leistungen für den Arbeitgeber regelmäßig erbringt. Dies ist häufig der Sitz des Betriebes. Eine vorübergehende Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes unterbricht nicht den Erfüllungsort. Beispielsweise Dienstreisen etc. Für den Erfüllungsort ist der Schwerpunkt der Tätigkeit maßgebend. Dieser Tätigkeitsschwerpunkt kann sich vom Beginn des Arbeitsverhältnisses im Laufe eines langjährigen Arbeitsverhältnisses auch ändern. Vorübergehende Einsatzorte sind aber nicht zu berücksichtigen. Die vorübergehende Tätigkeit vom Home-Office führt deshalb, jedenfalls solange die Corona-Pandemie auch vorübergehenden Charakter hat und nicht mehrere Jahre andauert, nicht zu einer Änderung des Erfüllungsortes. Klagen am Wohnsitz des Arbeitnehmers, der nur coronabedingt vorübergehend im Home-Office und ansonsten im Betrieb des Arbeitgebers im Bezirk eines anderen Arbeitsgerichts tätig ist, sind unzutreffend.
Folge der Klage bei einem örtlich unzuständigen Arbeitsgericht
Eine Kündigungsschutzklage ist grundsätzlich beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben (§ 4 KSchG). Wird die Klage beim örtlich unzuständigen Gericht eingereicht, aber innerhalb der 3-Wochen-Klagefrist, hat das zu Unrecht angerufene Gericht seine Unzuständigkeit auszusprechen und den Rechtsstreit förmlich an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen. In einem solchen Fall bleiben – aus Arbeitgebersicht: leider – die Wirkungen der Rechtshängigkeit bestehen. Die Klagefrist bleibt also gewahrt, auch wenn die Verweisung nach der 3-Wochen-Frist erfolgt.
Das ganze Leben ist ein Quiz und wir sind nur die Kandidaten.
Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße,
Ihr Dr. Erik Schmid

