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Die Massenentlassungsanzeige – gute Neuigkeiten für Arbeitgeber

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Anzeigepflichtige Entlassungen nach §§ 17 ff. KSchG („Massenentlassungsanzeige“) passt in den letzten Jahren nicht zu „guten Neuigkeiten für Arbeitgeber“. Die Rechtsprechung hat die Anforderung an eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige Stück für Stück verschärft. Die Folge einer in der Praxis immer häufiger unwirksamen Massenentlassung waren unwirksame Kündigungen. Umso erfreulicher, dass das BAG eine Rechtsprechungsänderung zur Unwirksamkeit von Kündigungen bei fehlerhaften Massenentlassungsanzeigen beabsichtigt (Vorlagebeschluss vom 14.12.2023 – 6 AZR 157/22).

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach der bisherigen Rechtsprechung des 6. Senats war die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bereits deshalb unwirksam, wenn bei Ausspruch/Zugang der Kündigung keine rechtswirksame Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG vorlag. Nach der bisherigen Ansicht verstieß die Kündigung als Rechtsgeschäft gegen ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB. Der 6. Senat beabsichtigt diese Rechtsprechung aufzugeben.  

Üblicher und häufiger Ausgangsfall

Das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer wird durch den Arbeitgeber betriebsbedingt gekündigt. Auch in dem vom BAG zu entscheidenden Fall wurden sämtliche Arbeitsverhältnisse durch Kündigungen oder Aufhebungsverträge beendet. In dem Betrieb waren in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt und es wurden in dem Zeitraum von 30 Tagen nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG das Arbeitsverhältnis von mehr als 5 Arbeitnehmern beendet. Eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG wurde vor Ausspruch der Kündigungen/Abschluss der Aufhebungsverträge nicht erstattet.

Kündigungsschutzklage

Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, machte geltend, seine Kündigung sei nichtig, da es an der erforderlichen Massenentlassungsanzeige gefehlt habe. Der Arbeitgeber beantragte die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht hielten sich an die bisherige Rechtsprechung des BAG (6. Senat) und gaben der Klage statt.

Entscheidung des BAG vom 14.12.2023 – 6 AZR 157/22

Der 6. Senat des BAG beabsichtigt, seine Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer Kündigung bei Mängeln im Verfahren zur Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG aufzugeben. Die dann bestehende Abweichung zur Rechtsprechung des 2. Senats des BAG erfordert die Anfrage beim 2. Senat, ob dieser an seiner Rechtsauffassung zur Unwirksamkeit der Kündigung festhalte.

Für die Änderung der Rechtsprechung argumentiert der 6. Senat:

  • § 17 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG sei kein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB, sondern eine reine Ordnungsvorschrift. Die Regelung begründe nur Verfahrenspflichten arbeitsmarktpolitischer Art.

  • Anders als das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG diene das Anzeigeverfahren lediglich der Agentur für Arbeit, sich auf die sozio-ökonomischen Auswirkungen einer großen Anzahl von Kündigungen auf dem örtlichen Arbeitsmarkt einzustellen und in effizienter Weise nach Lösungen zu suchen.

  • Individualschutz sei nicht Zweck der Massenentlassungsanzeige.

  • Auch nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Fehler im Anzeigeverfahren die Wirksamkeit der Kündigung nicht berühren.

  • Eine Nichtigkeitsfolge ergebe sich auch nicht aus § 18 KSchG. Der Sperrzeitbescheid der Arbeitsverwaltung entscheide nicht über die Wirksamkeit der Kündigung, sondern lediglich über die Dauer der Sperrfrist.

  • Auch eine unionsrechtskonforme Auslegung der Vorschrift im Lichte der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG führe nicht zur Nichtigkeit der Kündigung als Folge von Fehlern bei der Massenentlassungsanzeige. Eine Nichtigkeit der Kündigung verstoße gegen den in Art. 51 GRC verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

  • Die bisherige Differenzierung der Sanktionsfolgen bei Fehlern bezüglich Muss- und Soll-Angaben im Rahmen des § 17 Abs. 3 KSchG sei nicht stringent.

Der 6. Senat stellte jedoch auch klar, dass die beabsichtigte Rechtsprechungsänderung nur die Massenentlassungsanzeige selbst und nicht das – bei Existenz eines Betriebsrats erforderliche – Konsultationsverfahren betreffe. Fehler im Konsultationsverfahren können vor dem Hintergrund der individualschützenden Funktion der Beteiligung des Betriebsrats nach wie vor die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben.

Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße aus München

Ihr Dr. Erik Schmid

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