Gleiches ist gleich zu behandeln, aber wo?
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Gleichbehandlungsgrundsatz ist im Grundgesetz (Art. 3 GG) verankert und wirkt sich unmittelbar auf das Arbeitsrecht aus.
Sachlicher Geltungsbereich
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber eine willkürliche und damit sachlich unbegründete Durchbrechung allgemein- oder gruppenbezogener Regelungen zum Nachteil einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen.
Räumlicher Geltungsbereich
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz erstreckt sich grundsätzlich betriebsübergreifend auf das ganze Unternehmen. Hingegen besteht wohl kein konzernweiter Gleichbehandlungsgrundsatz.
BAG vom 27.04.2021 – 9 AZR 662/19
In dem vom BAG zu entscheidenden Fall ging es um eine „Ungleichbehandlung“ eines Gewerkschaftssekretärs bei ver.di. Der seit ca. vier Jahren bei ver.di beschäftigte Gewerkschaftssekretär bat bei seinem Arbeitgeber ver.di um Ausstellung einer Tätigkeitsbeschreibung, um sich auch als Syndikusrechtsanwalt zuzulassen. Ver.di verweigerte die Ausstellung, da er nicht als Syndikusanwalt, sondern als gewerkschaftlicher Interessenvertreter beschäftigt sei. Der Gewerkschaftssekretär verlangte die Tätigkeitsbeschreibung mit dem Hinweis, dass auch in anderen Betrieben tätige Gewerkschaftssekretäre von ver.di die von der jeweiligen Rechtsanwaltskammer vorgeschriebene Tätigkeitsbeschreibung erhielten und sich als Syndikusanwalt zulassen konnten.
Das BAG bestätigte, dass sich die Abgabe der Tätigkeitsbeschreibung als arbeitgeberseitige Willenserklärung aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben könne. Dabei sei ausreichend, dass ver.di anderen Gewerkschaftssekretären in anderen Betrieben eine solche Tätigkeitsbeschreibung erteilte. Jedenfalls habe ver.di die Tätigkeitsbeschreibungen uneinheitlich erteilt oder eben nicht. Die Ungleichbehandlung bedarf eines sachlichen Grundes.
Praxishinweis - Beschränkbarkeit auf den Betrieb
Das BAG betonte im Urteil, dass es grundsätzlich eine bundesweit einheitliche Handhabung und Vergleichbarkeit gebe, wenn nicht eine jeweils betriebsbezogene Eingrenzung bestehe. Dies eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten für Arbeitgeber. Auch bei Themen, die Arbeitnehmer betriebsübergreifend betreffen, kann die Vergleichsgruppe auf den Betrieb begrenzt werden. Dies erfolgt einerseits dadurch, dass es sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen Betriebe gibt. Dies kann auch daraus folgen, dass die Entscheidungen nicht vom Unternehmen, sondern vom jeweiligen Betrieb getroffen werden und die Entscheidungskompetenz damit auf die Betriebsleitung delegiert wird. Dann wäre der Arbeitnehmer daran gehindert, eine Ungleichbehandlung durch einen Vergleich mit einem betriebsfremden Arbeitnehmer des Unternehmens zu beanstanden.
Nicht ungleich, sondern gleich wie immer:
Mit herzlichen (arbeitsrechtlichen) Grüßen
Ihr Dr. Erik Schmid

