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Außerordentliche Kündigung wegen Äußerungen zum Hamas-Israel-Konflikt

Unter welchen Voraussetzungen private Äußerungen auf einem öffentlich zugänglichen Facebook-Account als wichtiger Grund eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

vielleicht können Sie sich noch an die Entscheidung des BAG vom 24.8.2023, Az. 2 AZR 17/23 (abgedruckt in ZTR 2024 97) erinnern. In der Entscheidung hatte sich der Zweite Senat mit der Frage zu beschäftigen, ob sich ein Arbeitnehmer, der sich innerhalb einer privaten Chatgruppe u. a. in stark beleidigender Weise über Vorgesetze und andere Kollegen äußert, sich auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen kann, was das Gericht in diesem Fall im Ergebnis verneinte.

Nunmehr musste sich das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 8.10.2024, Az. 3 SLa 313/24 mit gewaltverherrlichenden, volksverhetzenden und antisemitischen Äußerungen eines Beschäftigten auf seinem öffentlich zugänglichen Facebook-Account beschäftigen. Im Oktober 2023 postete der spätere Kläger auf seinem Facebook-Account vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges u. a. die folgende Statusmeldung: „Weiß jemand, wann und wo die nächste Demo gegen Juden ist? Wird Zeit, dass Rheinhausen bebt.“ Bereits am 1.9.2017 hatte er unter dem Punkt „Lebensereignisse“ darauf hingewiesen, dass er bei der Z AG, der späteren Beklagten, angefangen habe zu arbeiten. Die Arbeitgeberin nahm die Äußerungen ihres Mitarbeiters bei Facebook zum Anlass, das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich zu kündigen. Hiergegen erhob der Kläger, nachdem er seinen Facebook-Account gelöscht hatte, fristgerecht Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht Oberhausen sowie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf haben der Klage stattgegeben, da eine Abmahnung als milderes Mittel geeignet gewesen wäre, ein erneutes Fehlverhalten des Mitarbeiters auszuschließen.

Sponer † / Steinherr † / Donath / Kapitza † / Wollensak

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Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe des Gerichts:

  1. Äußerungen eines Arbeitnehmers auf seinem öffentlich zugänglichen Facebook-Account im Zusammenhang mit dem Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel im Oktober 2023 könnten auch als außerdienstliches Verhalten zwar nicht „per se“, sehr wohl aber „an sich“ einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründen, soweit der Arbeitnehmer hiermit zumindest auch in strafrechtlich relevanter Weise Gewalttaten verherrliche und volksverhetzend zum Hass gegen Israelis und Juden aufstachele.

    Hinweis! Dies gilt allerdings nur dann, wenn ein Bezug zum Arbeitgeber besteht, wie etwa in dem zu entscheidenden Fall durch die entsprechende Statusmitteilung des Mitarbeiters. Denn damit verstößt der Arbeitnehmer in schwerwiegender Weise gegen seine gegenüber dem Arbeitgeber aus § 241 Abs. 2 BGB bestehenden Rücksichtnahmepflicht, indem er den Arbeitgeber u. a. der Gefahr einer erheblichen Rufschädigung aussetzt.

  2. Für die Frage, ob ein Verhalten tatsächlich gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, sei die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens bzw. der Äußerung nicht maßgebend.

  3. Jede Kündigung und damit auch eine außerordentliche Kündigung müsse einer Interessenabwägung standhalten. Insoweit sei genau zwischen dem außerdienstlichen Verhalten und seinem arbeitsrechtlichen Bezug zu differenzieren.

    Hinweis! Wird der Bezug zwischen außerdienstlichen Äußerungen und dem Arbeitgeber durch ein steuerbares und sorgfaltswidriges Verhalten hergestellt, kann eine Abmahnung vorrangig sein.

Eine Abmahnung bedürfe es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar sei, dass

  1. eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich

  2. um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist

Da das der Kündigung zugrundeliegende Verhalten des Mitarbeiters der ersten Fallgruppe zuzuordnen sei, müsse grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.

Dementsprechend hielten die hier ausgesprochenen Kündigungen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, da der Arbeitgeber nach Ansicht des LAG Düsseldorf zunächst eine Abmahnung hätte aussprechen müssen.

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Fazit für Sie!

  • Als wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB – und damit zugleich auch als verhaltensbedingter Kündigungsgrund einer ordentlichen Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG – kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein, etwa die Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB.

  • Durch ein rechtswidriges außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb, die Behörde oder die Dienststelle oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. 

  • Berührt hingegen das außerdienstliche Verhalten den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis nicht, so ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die ihm bekannt gewordenen Umstände aus der Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den Ausspruch einer Kündigung zu missbilligen.

Herzliche Grüße

Ihr Boris Hoffmann

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