Wie das Tätigkeitsmerkmal „eingehende fachliche Einarbeitung“ zu verstehen ist. Gehören schulisch erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vor- und Ausbildung im Tarifsinn?
Liebe Leserin, lieber Leser,
in meinem heutigen Blog möchte ich mich der Thematik der Eingruppierung widmen. Ganz konkret geht es um die Eingruppierung eines Service Agenten nach Anlage 1 Teil A Abschnitt I Nr. 3 Entgeltgruppe 3 TVöD.
Der vierte Senat des Bundesarbeitsgerichtes hatte sich in einer aktuellen Entscheidung vom 13.12.2023, Az. 4 AZR 317/221 in diesem Zusammenhang insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen, wie das Tätigkeits- bzw. Eingruppierungsmerkmal der „eingehenden fachlichen Einarbeitung“ genau zu verstehen ist.
TVöD/TV-L PRO
Ihr Tarifrechtsexperte mit Kommentar, Rechtsprechung, Fachthemen, Praxisfällen, Arbeitshilfen und Webinaren
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien stritten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), ist bei der Beklagten, die selbst Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Hessen e. V. ist, seit dem 22.6.2015 als Service Agent beschäftigt. Der Kläger wird nach Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA vergütet.
Die Einarbeitung des Klägers erfolgte im Rahmen einer 34-tägigen „Einweisungsphase“. Diese bestand aus
„einem „Lauftag“ zur Klärung organisatorischer Fragen, insgesamt acht Tagen theoretischer Schulung, sechs Tagen begleitetem Arbeiten („praktische Einweisung“), sieben Tagen Vertiefung („eigenständiges Arbeiten mit Einweiser im Standby“), fünf Tagen selbstständiger Arbeit im Betrieb sowie einem Workshop am letzten Tag.“
Es existieren zudem ein Handbuch „Theoriewoche“ sowie ein „Betriebshandbuch“, in denen die Tätigkeiten der Service Agents eingehend beschrieben werden.
Der Kläger hat im Verfahren die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA zu, da für seine Tätigkeit, wie sich aus der 34-tägigen Einweisungsphase ergebe, eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ erforderlich sei.
Das Arbeitsgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht Hessen hat dieser stattgegeben. Die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil beim Bundesarbeitsgericht war erfolgreich. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger nicht nach Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA zu vergüten ist, da eine „eingehenden“ fachlichen Einarbeitung nicht erforderlich gewesen ist.

Für mehr Wissen.
Fortbildungen im Arbeits- und Tarifrecht
Profitieren Sie von unseren neuen informativen und praxisorientierten eLearning-Fortbildungen im rehm Campus. Lernen Sie zeitlich flexibel und ortsunabhängig. Erleben Sie Fortbildung neu!
Der „Eingruppierungssenat“ des Bundesarbeitsgerichts begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
-
Ausgehend von den allgemeinen Eingruppierungsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 TVöD/VKA handele es sich bei den vom Kläger auszuübenden Tätigkeiten um einen einheitlichen Arbeitsvorgang, da diese sämtlich der Erfüllung der der Beklagten obliegenden Verpflichtung, Flugreisemöglichkeiten für behinderte Menschen zu gewährleisten, dienen.
-
Eine eingehende fachliche Einarbeitung im Sinne der Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA sei nur dann erforderlich, wenn zur Ausübung der Tätigkeit fachbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt werden, die - ohne eine Vor- oder Ausbildung vorauszusetzen - vom Arbeitgeber in der Regel binnen eines Zeitraums von sechs Wochen vermittelt werden können.
Hinweis! Die „eingehende fachliche Einarbeitung“ bezieht sich auf Kenntnisse und Fertigkeiten, die von dem Arbeitgeber vermittelt werden können und darüber hinaus keine spezielle Vor- und Ausbildung voraussetzen. Qualifikationen, die im Regelfall von jedermann außerhalb des Arbeitsverhältnisses und unabhängig von diesem erworben werden, sind daher keine Vor- und Ausbildung im Tarifsinn (z. B. Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Rahmen der Vollzeitschulpflicht vermittelt werden).
-
Ist eine zweiwöchige Einarbeitungszeit erforderlich, um die Arbeitsabläufe beherrschen zu können, handelt es sich in der Regel bereits um eine einfache Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA
- Einfachste Tätigkeiten im Sinne der Entgeltgruppe 1 TVöD/VKA zeichnen sich dadurch aus, dass für eine ordnungsgemäße Erfüllung der arbeitsvertraglich übertragenen Aufgaben eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase von maximal ein bis zwei Tagen ausreichend ist.

Beste Antworten.
Newsletter Arbeits- und Tarifrecht
Regelmäßig erscheinender Newsletter zu den Neuigkeiten aus den Bereichen Arbeitsrecht und Tarifrecht des öffentlichen Dienstes sowie Empfehlungen zu neuen Produkten, Webinaren und Quizzen.
Fazit für Sie!
Bei der Prüfung der Eingruppierung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters in den Entgeltgruppen 1 bis 3 TVöD/VKA ist Folgendes zu beachten:
Die Tätigkeit nach Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA hebt sich durch die „eingehende fachliche Einarbeitung“ aus einer solchen nach Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA heraus (sogenanntes „Heraushebungsmerkmal“).
Für eine „einfache Tätigkeit“ im Sinne der Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA ist nach deren Klammerzusatz Satz 1 lediglich eine fachliche Einarbeitung erforderlich, die über eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase hinausgeht.
Die „einfache Tätigkeit“ wiederum muss von der „einfachsten Tätigkeit“ der Entgeltgruppe 1 TVöD/VKA abgegrenzt werden.
Herzliche Grüße
Ihr
Boris Hoffmann
1 BAG 13.12.2023 – 4 AZR 317/22 – ZTR 2024, 259.
Quizze zum Arbeits- und Tarifrecht
1. Personalamt Schultz – Helfen Sie Herrn Schultz mit Ihrem Fachwissen und klären Sie spannende arbeits- und tarifrechtliche Fragen!
2. Arbeitsrecht im öD ist trocken? Sie bereiten sich in Ihrem Studium gerade darauf vor? Vertiefen Sie Ihr Wissen – Lernen leicht gemacht!

News Tarifrecht – Aktuell informiert.
Unsere Autorenteams vom Breier/Dassau TVöD-Kommentar und Sponer/Steinherr TVöD-Kommentar halten Sie regelmäßig mit ihren aktuellen Beiträgen auf dem Laufenden.
